
Vor der Zentrale des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe in Münster wehen die Fahnen. Für Kreisdirektor Roland Butz und die Kämmerer der zehn kreisangehörigen Städte ist das Finanzgebaren des LWL ein großes Problem. © Wallkötter / LWL
Im Kreis Recklinghausen drohen wieder Steuererhöhungen und Sparmaßnahmen
Kommunalfinanzen
Die Städte gehen mit Millionendefiziten in die Haushaltsberatungen für 2023. Auch wenn das letzte Wort noch nicht gesprochen ist, sind die Aussichten eher düster. Was kann jetzt noch helfen?
Die negativen Prognosen zur Entwicklung der Kommunalfinanzen gewinnen an Realität. Die ersten Städte im Kreis Recklinghausen haben ihre Entwürfe für den Haushalt 2023 vorgestellt - und die Zahlen verheißen nichts Gutes. In Recklinghausen zum Beispiel, der größten Stadt im Kreis, geht der Stadtrat mit einem Minus von 21,2 Millionen Euro in die Etatberatungen. Haltern als kleine Kommune weist ein Defizit von 4,2 Millionen Euro aus. Es wird damit gerechnet, dass keine Stadt einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen wird.
Bliebe es dabei, hätte das Konsequenzen. Die Städte müssten wieder Haushaltssicherungskonzepte aufstellen und ernsthaft über Gebühren- und Steuererhöhungen sowie weitere Sparmaßnahmen nachdenken. In Dorsten und Herten etwa wird darüber schon offen spekuliert. Dabei hatten die Verantwortlichen in den Rathäusern gehofft, dass diese Dramatik nach dem erfolgreich durchlaufenen NRW-Stärkungspakt Stadtfinanzen der Vergangenheit angehört.
Allein die Zinslast könnte die Haushalte sprengen
Doch diese Rechnung haben die Kämmerer ohne Corona, Ukraine-Flüchtlinge, explodierende Bau- und Energiekosten sowie steigende Zinsen gemacht. Die Last der 1,5 Milliarden Euro Kassenkredite, die die Städte im Kreis angehäuft haben, hat bei steigenden Zinsen alleine das Potenzial, jeden Haushalt zu sprengen. Jetzt rächt es sich, dass Bund und Land sich nicht in „guten Zeiten“ auf eine Altschulden-Lösung für die Städte haben einigen können. Mittlerweile überlagern andere Themen dieses aber nach wie vor drängende Problem.
Was (oder wer) kann den Städten in dieser Situation helfen? Die Zahlen, die jetzt auf dem Tisch liegen, spiegeln die „wahre dramatische Lage“ wider, sagt Kreisdirektor Roland Butz. Und das solle auch genau so bei der Landesregierung in Düsseldorf ankommen. Dass es am Ende für die Kommunen nicht ganz so schlimm wird, dazu könnte der Kreis Recklinghausen beitragen. Die Arbeit des Kreises wird über diverse Umlagen zu 38 Prozent (510 Millionen Euro in 2023) von den Städten finanziert. Jetzt haben die Bürgermeister die Erwartung geäußert, dass der Kreis noch tiefer als geplant in seine Rücklagen greift, um die Zahllast der Städte zu reduzieren. „Darüber werden wir bei den Haushaltsberatungen im Kreistag reden“, sagt Butz und signalisiert Kompromissbereitschaft. „Und wir prüfen, wo wir im Kreishaushalt selbst noch Einsparungen vornehmen können.“
Bilanzierungshilfen nur ein „Taschenspielertrick“
Darüber hinaus werden die Städte und der Kreis die Möglichkeit haben, Corona- und Ukraine-Kosten aus der Bilanz zu isolieren und dann über viele Jahre abzuschreiben. Das nimmt aktuell Druck aus dem Kessel, ist aber unter dem Strich nur eine Verschiebung der Lasten auf die Zukunft. Halterns Kämmerer Dirk Meussen bezeichnet diese Bilanzierungshilfen deshalb als „Taschenspielertrick“.
Die ganz große Unbekannte in den kommunalen Rechenspielen ist der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL), der von den 27 westfälischen kreisfreien Städten und Kreisen über die Landschaftsumlage finanziell getragen wird. Auch der LWL beklagt einen „explodierenden“ Finanzbedarf, vor allem im Bereich der Behindertenhilfe. Der Griff in eigene Rücklagen zur Entlastung der Mitgliedskreise und -städte stehe dem LWL kaum noch zur Verfügung, betont LWL-Direktor Dr. Georg Lunemann. Nur noch weniger als 50 Millionen Euro lägen in der Ausgleichsrücklage - verschwindend wenig angesichts eines Haushaltsvolumens von rund 4 Milliarden Euro, von dem fast drei Viertel durch Städte und Kreise finanziert werden.
Kreis wehrt sich gegen Finanzplanung des LWL
Der Kreis Recklinghausen soll im nächsten Jahr 215 Millionen Euro an den LWL überweisen, hat aber im eigenen Etat nur 197,5 Millionen für diesen Zweck eingeplant. Risikopotenzial: 17,5 Millionen Euro. Und wenn man die mittelfristige Finanzplanung von LWL und Kreis übereinanderlegt, steigt das Delta bis 2026 sogar auf 72 Millionen Euro. „Wir wehren uns gegen jährliche Steigerungsraten in zweistelliger Millionenhöhe und wollen das so nicht akzeptieren“, sagt Kreisdirektor Butz.
Geboren 1960 in Haltern am See, aufgewachsen in Marl und jetzt wohnhaft in Dorsten: Ein Mensch, der tief verwurzelt ist im Kreis Recklinghausen und dort auch seit mehreren Jahrzehnten seine journalistische Heimat gefunden hat. Schwerpunkte sind die Kommunal- und Regionalpolitik sowie Wirtschafts- und Verbraucherthemen.