„Ich will spüren, wie sich dein junger Körper anfühlt“ Reitlehrer soll Mädchen sexuell bedrängt haben

„Ich will spüren, wie sich dein junger Körper anfühlt“: Reitlehrer (64) soll Schülerinnen
Lesezeit

Schwere Vorwürfe gegen einen Reitlehrer aus Witten: Der 64-Jährige soll zwischen 2017 und 2024 mindestens zwei minderjährige Reitschülerinnen sexuell bedrängt und belästigt haben. Vor dem Bochumer Landgericht geht es um 23 angeklagte Zwischenfälle – von Umarmungen, anzüglichen Sprüchen bis hin zu einer Vergewaltigung. Der Angeklagte streitet die Vorwürfe ab.

Erstmals begonnen haben sollen die mutmaßlichen Übergriffe im Winter 2017. Unter Anspielung auf den Genuss von „Privilegien in Form der Erlaubnis der Nutzung seiner Pferde“, so die Anklage, soll der Reitlehrer einer damals 17 Jahre alten Reitschülerin gegenüber erklärt haben, sie könne ihm ruhig einmal etwas zurückgeben - er wolle „ja nur gucken oder mal anfassen“.

Der heute 64-Jährige soll dem Mädchen dann seine Hand unter den Pullover geschoben und es unsittlich berührt haben. Tags darauf soll der Reitlehrer das Mädchen in der Sattelkammer des Stalls erneut sexuell attackiert haben. Diesmal laut Anklage sogar mit zuvor bei sich selbst herunter gelassener Hose.

Bei fünf weiteren von der Staatsanwaltschaft geschilderten Übergriffen geht es um blitzartige Umarmungen von hinten im Vorbeigehen, Griffe in den Intimbereich und letztlich auch einen schweren Missbrauchs-Übergriff, der juristisch einer Vergewaltigung gleichzustellen ist.

In allen Situationen ging der Reitlehrer laut Anklage „davon aus, dass die Geschädigte seine Annäherungen ablehnte und alleine aus Sorge, sonst ihre reiterliche Karriere sowie die Pferde aufgeben zu müssen, immer wieder in seinen Reitbetrieb kam“.

Das zweite mutmaßliche Opfer (heute 18) soll deutlich später, von Anfang 2021 bis April 2024, Übergriffe des Reitlehrers durchlitten haben. Nicht nur einmal soll der 64-Jährige die anfangs 14 Jahre alte Reitschülerin während einer Autofahrt sexuell bedrängt und begrabscht haben.

Auch soll er das Mädchen gestreichelt, unter der Sportbekleidung und am Gesäß berührt und immer wieder mit verbalen, sexuellen Avancen konfrontiert haben. Als das Mädchen einmal gerade damit beschäftigt war, im Stall ihr Pferd zu bürsten, soll er es fest umschlungen und erklärt haben, er wäre „gerade geil“. Als weitere Übergriffe listet die Anklage hier auch Küsse auf den Hals auf.

Der Angeklagte gibt sich vor Gericht ahnungslos, ist sich keiner Schuld bewusst. Der Stallbetreiber räumte zwar ein, eine der Ex-Reitschülerinnen mehrmals in den Arm genommen, sie zudem auch zwei bis dreimal „zur Seite genommen“ zu haben. Das In-den-Arm-Nehmen sei jedoch emotionalen Ausnahmesituationen geschuldet gewesen. Einmal sei beispielsweise das Pferd des Mädchens verletzt und die Schülerin dementsprechend verzweifelt gewesen.

Der Reitlehrer: „Die ist damals völlig aufgelöst zu mir gekommen. Da habe ich sie in den Arm genommen, ihr zugehört und ihr Hoffnung gemacht. Im Nachhinein war das wohl ein großer Fehler. Mehr habe ich aber nicht gemacht.“

Den Wunsch nach Zärtlichkeiten von den Mädchen verneinte der 64-Jährige ebenso entschieden wie mutmaßliche Griffe in den Intimbereich. Er habe die Schülerin zwar auch einmal am Arm festgehalten, das sei aber eher einer motivatorischen Ansprache geschuldet gewesen.

Auch dass er angeblich seine eigene Hose runtergelassen haben soll, wies der Reitlehrer vehement zurück: „Niemals! So etwas gab es nicht.“

Eines der mutmaßlichen Opfer, eine heute 24 Jahre alte Studentin aus Bochum, erinnerte sich als Zeugin an zahlreiche Sex-Übergriffe auf dem Wittener Reiterhof. „Das Gefühl seiner Finger auf meiner Haut habe ich noch heute sehr in meinem Kopf“, sagte die Frau den Richtern der 9. Strafkammer am Bochumer Landgericht.

Mit etwa zwölf Jahren sei sie erstmals auf dem Reiterhof gewesen, als 17-Jährige habe sie dann mehr und mehr Annäherungen und Zudringlichkeiten des Reitlehrers gespürt, erinnerte sich die Zeugin. „Er stand auf einmal da und kam immer näher. ‚Lass mich doch mal fühlen, nur ganz kurz‘, hat er dann immer gesagt.“

„Ich war wie in einer Schockstarre“

Währenddessen habe der Angeklagte sie stets mit einer Hand festgehalten und mit der anderen versucht, unter ihr Shirt, später auch in die Hose zu greifen. „Das erste Mal hat sich für mich angefühlt wie Stunden“, so die Zeugin.

In der Folgezeit habe sie sich bei weiteren, ganz ähnlichen Übergriffen wie betäubt gefühlt: „Ich war dann wie in einer Schockstarre.“ Nicht nur einmal habe sie versucht, sich durch Bewegungen aus der Umklammerung zu winden, sei aber an den „starken Händen“ des heute 64-Jährigen gescheitert. Einmal habe der Angeklagte ihr vor einem Grabsch-Übergriff erklärt: „Ich will doch nur mal spüren, wie sich dein junger Körper anfühlt. Ich habe auch extra meine Hände gewärmt.“

Trotz der abendlichen Sex-Übergriffe und Avancen, so die Zeugin weiter, sei sie für eine ganz lange Zeit auch am nächsten Tag wieder in den Reitstall zurückgekehrt.

„Es gab ja ganz klar die Ansage, dass er etwas zurückhaben muss für das Turnierreiten. Und das war halt alles für mich“, beschrieb die Zeugin ihren Zwiespalt. „Ich hatte das Gefühl, ohne ihn bin ich nichts.“

Gibt es weitere mutmaßliche Opfer?

Eine weitere Ex-Reitschülerin auf dem Wittener Hof erinnerte den Angeklagten mehr als Sprücheklopfer. Vor allem anzügliche Sprüche durch den nach ihrem Empfinden eindeutig sexualisiert motivierten Einsatz des Wortes „Reiten“ habe sie sich immer mal wieder anhören müssen. „Ich bin nie wirklich darauf eingegangen“, sagte die Wittenerin.

Auch von zwei anderen Mädchen aus dem Wittener Reitstall habe sie verfängliche beziehungsweise merkwürdige Situationen in Zusammenhang mit dem Reitlehrer mitbekommen. Eine Reitschülerin habe ihr schon vor Jahren mal „gesagt, dass er ihr an den Hintern gefasst hat“. Die Betroffene habe dann circa 2013 den Wittener Reitstall verlassen.

Details über erlittene, sexuelle Belästigungen durch den Reitlehrer, so wie sie die Anklage jetzt beschreibt, habe ihr die Studentin aus Bochum bereits erstmals im März 2018 anvertraut, hieß es weiter. Den Schritt einer Strafanzeige bei der Polizei habe diese damals aber noch nicht gehen wollen.

„Das geht seit dem Sommer“, habe ihr die 24-Jährige damals getextet. Und weiter: Der Reitlehrer befummele und berühre sie regelmäßig in der Sattelkammer oder der Hofküche mit seiner Hand. „Der ist krank“, legte sich die Studentin ihrer Freundin gegenüber im Chat fest. Und enthüllte dann auch: „Es war Erpressung.“

Eine zweite Vergewaltigung steht im Raum

Die Anklage gegen den Reitlehrer lautet auf sexuelle Nötigung, Belästigung, Vergewaltigung (Mindeststrafe zwei Jahre) und sexueller Übergriff.

Das Gericht signalisierte jetzt, dass nach Würdigung der Zeugenaussage der Studentin aus Bochum ab sofort „möglicherweise eine zweite Vergewaltigung im Raum“ steht. Der Prozess wird fortgesetzt.