Ibsens „Volksfeind“ als Ballett der Bademeister Witzige Premiere im Schauspiel Dortmund

Ballett der Bademeister
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Der Begriff Spaßbad bekommt im Schauspiel Dortmund eine ganz neue Bedeutung. Gleich in der ersten Szene von Ibsens Drama „Ein Volksfeind“ zeigen fünf Bademeister, was sie mit dem Handtuch alles können: wedeln, wirbeln, schwenken. Ach, da kreiselt ein Handtuch ja wie ein Propeller! Und alles im Takt des Gute-Laune-Songs „Felicità“ von Al Bano und Romina Power.

Einfach furios und witzig, diese erste Szene eines eigentlich ernsten Dramas, das am Samstagabend Premiere feierte. Der Norweger Henrik Ibsen (1828-1904) schrieb den „Volksfeind“ anno 1883. Der Arzt Doktor Stockmann muss entdecken, dass die Badeanstalt eines Kurortes verseucht ist. Die „Pesthölle“ sollte sofort geschlossen werden. Aber der Wohlstand des ganzen Ortes hängt daran.

Szene aus "Ein Volksfeind"
Die Bakterien sind da – und der Nachwuchs lässt nicht lange auf sich warten. © Hupfeld

Statt das Bad teuer zu sanieren, errichten die Stadtchefs eine Mauer des Schweigens. Und der Arzt erkennt, dass die Mehrheit der Menschen (bei Ibsen heißt das „kompakte Majorität“) das eigentliche Problem ist.

Umweltzerstörung und Krankheiten wegen des Profites? Kommt einem bekannt vor, ist verflixt aktuell. Doch dem Doktor werden die Theaterbesucher und -besucherinnen hier nicht begegnen. Die Dortmunder Autorin Julienne De Muirier hat den Text zur „Katastrophenkomödie“ umgeschrieben, den Weg abgekürzt und gleich Ibsens „Mehrheit“ auf die Bühne gebracht: fünf namenlose Bademeister, die ihren Job zuerst lieben und dann nicht verlieren wollen. Erst kommt das Fressen, dann die Moral – das wusste schon Brecht.

Bakterien in Tarnanzügen

Herrlich grotesk und hypermodern, wie sich ihre Diskussion um die Zukunft des Bades von Flugscham über Lastenfahrräder zur Erderwärmung verläppert – bis sie jenen Wandel beschließen, der hauptsächlich darin besteht, Mittelchen ins Wasser zu schütten. Schließlich kommen die Bakterien mit dem Bus aus Hattingen und übernehmen das Bad.

Nicht nur dabei dreht Kostümbildnerin Hanna Lenze Lauch groß auf. Die Bakterien steckt sie in Tarnanzüge, die hier alarmierend rot ausfallen. Sehr lustig, wie sich die Kokken ins Bad drängeln. Ein bisschen erinnern sie an die bizarren Wesen, die Ex-Intendant Kay Voges so gern zeigte. Und auch die subtile, toll ausgeleuchtete Bühne von Lan Anh Pham gibt zu denken: Warum hat die Rückwand des Bades eigentlich so fiese Risse und Ausblühungen?

Unterhaltsame Show

Regisseurin Babett Grube kommt ganz ohne Wasser aus, punktet stattdessen mit unzähligen Ideen. Rückwärts kraulen – das geht überraschenderweise auch auf einer schiefen Ebene. Toll, wie Antje Prust das „Water positive“ anpreist . Nika Mišković – sowieso ein komisches Talent – bekommt Szenenapplaus für ihre Einladung in die Sauna. Auch Sarah Quarshie, Viet Anh Alexander Tran und Lukas Beeler sind in jeder Minute präsent, trauen sich was in Sachen Komik.

Das alles hat Schwung und Erkenntnisgewinn. Was würden wir in so einer Situation tun? Doch die massive „Überschreibung“ hat auch Nachteile, weil sie dem Text die Konflikte nimmt, die bei Ibsen noch aufeinanderprallen. Statt der Argumente schleicht sich Beliebigkeit ein, mag sein, dass die Autorin damit heutige gesellschaftliche Diskussionen persiflieren wollte. Aber der Abend verliert an Spannung, zunehmend poetische Texte reißen ihn nicht raus. So trägt diese unterhaltsame Show rund um ein bisschen Ibsen ziemlich genau die eine Stunde, die sie auch dauert. Freundlicher Applaus.

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Weitere Aufführungen

Termine: 17. 3. (18 Uhr), 10. 4. (19.30) und 14. 4. (18 Uhr). Karten: Tel. (0231) 502 72 22. www.theaterdo.de

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