Sven Wiedemann gehört zu den wenigen Menschen im Fußball, die offen homosexuell leben. Im Austragungsort der aktuellen Fußball-WM wäre das wohl undenkbar. Nur ein Grund, warum der Betreuer des B-Ligisten VfL Kamen II sich kein Spiel der Weltmeisterschaft in Katar anschauen wird.
„Ich glaube, das ist wirklich die einzige WM überhaupt, die mich nicht interessiert und die ich in keiner Art und Weise verfolgen werde“, erzählt Wiedemann, für den am Ende mehrere Faktoren zusammenkommen. Neben der Diskriminierung von homosexuellen Menschen stört ihn auch die Missachtung der Menschenrechte beim Bau der Stadien: „Das ist auf jeden Fall nicht mein Fußball. Die WM hätte niemals dort stattfinden dürfen.“

Wie sich sein Umfeld beim Thema WM-Boykott verhält, kann er nicht beeinflussen. Doch auch dass Freunde und Familie die WM im TV verfolgen, macht Sven Wiedemann nicht sauer: „Natürlich bin ich darüber glücklich, wenn jemand auch boykottiert. Aber jeder muss diese Entscheidung selbst treffen, wie man damit umgeht. Ich habe zum Beispiel auch mit einem guten Freund darüber diskutiert, der der Meinung ist, dass ein Boykott nicht besonders viel bringt.“
Dass allerdings nicht einmal die geplante „One Love“-Aktion stattfinden kann, ist für den VfL-Betreuer mehr als enttäuschend. Ursprünglich taten sich mehrere europäische Länder zusammen, darunter auch Deutschland und England, dessen Kapitäne eine Binde mit bunten Herzen tragen sollen. Damit wollten die Beteiligten ein Zeichen gegen Homophobie, Antisemitismus, Rassismus und für Menschenrechte und Frauenrechte setzten, um auf Missstände im Land aufmerksam zu machen. Nachdem die Fifa neben Geldstrafen mit zusätzlichen Sperren und Gelben Karten für die Spieler gedroht hatte, gaben die Beteiligten nach.
VfL-Betreuer ist enttäuscht
Sven Wiedemann kann dafür kein Verständnis aufbringen: „Darüber bin ich wirklich fassungslos. Ich bin sehr enttäuscht von den Spielern, davon dass sie so schnell eingeknickt sind.“ Die Aktion ging ihm eigentlich ohnehin nicht weit genug: „Schon vorher war ich enttäuscht von der Binde, weil das noch nicht mal die richtige Regenbogenbinde war.“ Dass die Verbände und Nationalspieler trotzdem eingeknickt sind, findet er umso schlimmer. Er könne nicht verstehen, warum bei Spielern Strafen wie Gelbe Karten ausreichen, um sie in die Knie zu zwingen: „Diese Botschaft zu vermitteln, ist doch wohl mehr als eine Gelbe Karte wert. Da fehlen mir wirklich die Worte.“
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