Fast die Hälfte fällt bei Fahrprüfung im Kreis Unna durch „Motivation der Jugend ist das Problem“

Hohe Durchfallquoten bei Fahrprüfung: „Motivation der Jugend ist Problem“
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Bei der Theorie-Prüfung für den Pkw-Führerschein sind im vergangenen Jahr bundesweit 45 Prozent der Teilnehmer durchgefallen. Diese Zahlen bestätigt Markus Hainer auch annähernd für den Kreis Unna.

Hainer leitet den Unterbezirk Unna des Fahrlehrerverbandes Westfalen. „Bei uns sind 40 Prozent durchgefallen“, so Hainer. Auch der Fahrlehrer aus Unna hat am Donnerstag (3.4.) mitbekommen, wie die Politik darauf reagieren will.

Verkehrsminister wollen leichtere Prüfungsfragen

Am Morgen des Gesprächs mit unserer Redaktion war ein Beschluss der Verkehrsministerkonferenz bekannt geworden, wonach die hohen Durchfallquoten gesenkt werden sollen. Die Minister sehen Gründe auch in zu schwierigen Prüfungsfragen, die „Theoretische“ müsse leichter werden – denn eine Wiederholungsprüfung verteuere dann den Führerschein.

Generell schreckten u.a. zu hohe Kosten immer mehr junge Leute bis 24 Jahre ab, frühzeitig einen Führerschein zu erwerben.

Markus Hainer und Christian Pfeiffer, ebenfalls Fahrlehrer in Hainers Move-Fahrsicherheitszentrum an der Rudolf-Diesel-Straße, sehen die Reaktion der Politik auf das, wie sie schildern, schon seit Jahren wachsende Problem hoher Durchfallquoten kritisch.

Fahrlehrer und Inhaber Markus Hainer steht auf dem Gelände des Verkehrssicherheitszentrums Move in Unna
Markus Hainer ist Inhaber der Academy-Fahrschule Hainer und Meyer in Unna. Der Fahrlehrer betreibt zudem das Fahrsicherheitszentrum Move-Bildung im Industriegebiet West an der Rudolf-Diesel-Straße. © Marcus Land

Von leichteren Prüfungen, um mehr Prüflingen zum Erfolg zu verhelfen, hält Markus Hainer, seit Jahrzehnten im Beruf, nichts. Dafür seien die Ursachen für die hohe Misserfolgsquote zu vielfältig, mit angeblich zu schwierigen Testfragen habe das Prüfungsdebakel noch am wenigsten zu tun.

„Die erste große Prüfung im Leben vor dem Abi war früher die Führerscheinprüfung“, erinnert sich der 57-Jährige. Man habe alles dafür getan, um mit 18 Jahren den Lappen in Händen zu halten. Die Prioritäten bei jungen Menschen hätten sich in den vergangenen 30 Jahren aber völlig verschoben.

„Motivation der Fahrschüler schwach“

„Die Motivation ist das große Thema“, stimmt Christian Pfeiffer zu. Aus seiner Sicht handelt es sich um ein gesamtgesellschaftliches Phänomen – damit befindet er sich auf einer ähnlichen Linie wie der Psychologie-Professor Dr. Florian Becker.

Der Hochschullehrer hatte kürzlich im Magazin „auto motor sport“ behauptet, die Jugend werde heutzutage in ihrer Motivation ausgebremst, schon in Grundschulen würden Standards herabgesetzt, Erhebungen wie die Pisa-Studie zeigten den Leistungsabfall an weiterführenden Schulen in Deutschland, auch Selbstdisziplin sei immer schwächer ausgeprägt, die Komfortzone dagegen immer stärker.

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Preise und Kosten in der Fahrschule

  • Für Fahrschulen gibt es keine fixe Gebührenordnung, bei der Preisgestaltung sind Fahrlehrer frei, erklärt Markus Hainer. Für den Führerschein B würden ca. 2.800 Euro bis 4.000 Euro aufgerufen – je nach Region mehr oder weniger, der Kreis Unna liege wohl im Mittelfeld.
  • Die Forderung der Verkehrsminister nach günstigeren Preisen sei unrealistisch. Würde eine Gebührenordnung eingeführt, werde sich der Markt der Fahrschulen deutlich lichten. Außerdem seien es die steigenden Kosten wie Steuern und Spritpreise, die die Fahrschulen schlicht weitergeben müssten. Leider sei das Vorhaben, die Mehrwertsteuer für den Führerschein B abzuschaffen, politisch nicht durchgesetzt worden.
  • Markus Hainer nennt als Belastung der Fahrschulen auch die immer höheren Kosten für Fahrschulfahrzeuge und auch die Erhöhung der Grundsteuer B in Unna.

Was bei dem Hochschullehrer sehr holzschnittartig klingt, kann Christian Pfeiffer mit seinen Erfahrungen aus dem Fahrschulunterricht untermauern. In seiner früheren Fahrschule habe er einmal einen Test anderer Art gemacht.

Die Frage lautete: „Hättest du lieber ein I-Phone oder den Führerschein?“ Vor diese theoretische Alternative gestellt, hätten sich zig Fahrschüler für das Smartphone entschieden.

Für den 39-Jährigen war dieser Zufallsbefund ein weiteres Indiz dafür, wie stark sich Prägung durch äußere Einflüsse und Erziehung mittlerweile auf Interessen und Antrieb junger Leute ausgewirkt haben. Früher habe man als Kind recht früh gelernt, sich im Straßenverkehr selbstständig zurechtzufinden. „Heute gibt es Helikopter-Eltern“, so Pfeiffer, die handelten nach dem Motto: „Ich mache dir alles frei, damit du es so einfach wie möglich hast.“

Unterricht in Fahrschule besser als früher

„Migration aus bildungsfernen Ländern“, sagt Pfeiffer, sei sicherlich auch ein Aspekt, aber bei weitem nicht das zentrale Problem. Vielmehr beobachte er allgemein: „Jugend lernt nicht mehr, Entscheidungen zu treffen.“ Zum Beispiel darüber, zielgerichtet die theoretische und praktische Fahrprüfung zum Erfolg zu bringen. Dabei sei der Theorie-Unterricht heute deutlich besser als früher. Es gebe nicht mehr ausschließlich die Fragebögen mit Multiple Choice, also richtigen und falschen Antwortmöglichkeiten.

Man schaue heute zusätzlich Videosequenzen von Verkehrssituationen an. Es gehe um Beobachtung und Wahrnehmung, „darum, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden“, erläutert Pfeiffer. Mit einer Fahrschul-App könne praktisch rund um die Uhr gelernt werden, „aber man muss das dann auch machen.“ Bei Minderjährigen seien da auch die Eltern in der Pflicht.

Fahrlehrer Christian Pfeiffer steht auf dem Gelände des Verkehrssicherheitszentrums Move in Unna.
Christian Pfeiffer ist Fahrlehrer im Fahrsicherheitszentrum Move-Bildung im Industriegebiet West an der Rudolf-Diesel-Straße in Unna. © Marcus Land

Fahrlehrer machten heutzutage häufig gegenteilige Erfahrungen. Da werde eine Fahrstunde kurzfristig per WhatsApp an den Fahrlehrer abgesagt – so einfach mal einen Termin sausen lassen, sei früher eben auch nicht möglich gewesen. „Es ist unpersönlicher geworden“, bedauert Pfeiffer.

Zweimal in der Woche Theorieunterricht und bis zu dreimal Fahrstunden zu haben, sei heute vielleicht wegen Ganztagsunterricht und verändertem Freizeitverhalten nicht mehr realistisch. Aber die Fahrschulzeit ziehe sich mittlerweile häufig wie Kaugummi bis zur Praxisprüfung hin – „bis zum Abschlussball“, wie Pfeiffer sagt –, das könnten auch schon mal zwei Jahre werden.

Dabei müsse die gesamte Zeit in der Fahrschule eigentlich streng durchgeplant werden. „Erst ab zwei Stunden in der Woche fängt der Lernerfolg an.“

Fehlt Prüfungsreife, wird Fahrschule gewechselt

Als Fahrlehrer müsse er zwar die Prüfungsreife seiner Schüler feststellen. Werde sie abgelehnt, wechselten die Fahrschüler nicht selten ganz einfach die Fahrschule und versuchten es erneut. Markus Hainer erzählt in diesem Zusammenhang auch von immer häufiger auffliegenden Täuschungsversuchen: Da würden Fahrschüler ein Heidengeld dafür ausgeben, um sich per Mikrokamera und kaum sichtbarem Knopf im Ohr die richtigen Prüfungsantworten vorsagen zu lassen.

Zu hohe Hürden gebe es gar nicht. Es gebe bereits Prüfbögen in einfacher Sprache und nur in Deutschland müsse die Theorieprüfung sogar nicht einmal auf Deutsch, sondern könne in der eigenen Muttersprache absolviert werden.

Wenn nun diskutiert werde, die Zahl der zulässigen Fehlerpunkte bei der „Theoretischen“ herabzusetzen, sei das ein falsches Signal. „Ich hab Angst davor, dass wir auf Kosten der Fahrsicherheit die Anforderungen reduzieren – dafür bezahlen wir am Ende mit unserem Leben“, spitzt es Christian Pfeiffer zu.