Auf diese stillgelegte Zeche zieht bald die Marler Stadtverwaltung

© Stephan Schütze

Auf diese stillgelegte Zeche zieht bald die Marler Stadtverwaltung

rnAbschied vom Bergbau

Über 100 Jahre wurde im Bergwerk Auguste Victoria in Marl Kohle gefördert, bevor es 2015 stillgelegt wurde. Die riesigen Flächen sollen nun anderweitig genutzt werden. Ein Besuch.

Marl

, 10.12.2018, 15:19 Uhr / Lesedauer: 2 min

Frank Beran betritt an diesem sonnigen Freitagmittag die riesige Kohlenmischhalle auf Auguste Victoria 3/7. „Hier war alles pickepacke voll mit Kohle“, erinnert sich der Bergmann. „2015 wurde noch eine Rekordmenge gefördert.“ Jetzt ist das 250 Meter lange und 30 Meter hohe Gebäude leer. Der Rücklader, der täglich Unmengen an Kohle bewegte, steht längst draußen.

Zuletzt war die Maschine Akteur bei der Ruhrtriennale, die die 18.000 Quadratmeter große Halle als Spielstätte nutzte. Die Halle wird nicht – wie die meisten Gebäude und Anlagen auf AV 3/7 – abgerissen. Hier liegt die Vergangenheit der Energie eng neben der der Zukunft: Die Südseite ist von einer Fotovoltaik-Anlage bedeckt. „Sie wird für die nächsten 30 Jahre Strom liefern“, sagt Volker Duddek (55), Projektleiter bei der RAG Montan Immobilien, die zusammen mit der Stadt Marl auf dem insgesamt 90 Hektar großen Gelände neue Unternehmen ansiedeln will. 90 Hektar, das sind etwa 180 Fußballfelder.

18.000 Quadratmeter groß ist die ehemalige Kohlenmischhalle auf Auguste Victoria in Marl. Sie soll künftig von bergbaufremden Unternehmen genutzt werden.

18.000 Quadratmeter groß ist die ehemalige Kohlenmischhalle auf Auguste Victoria in Marl. Sie soll künftig von bergbaufremden Unternehmen genutzt werden. © Stephan Schütze

Erst im Oktober 2018, fast ein Jahr später als geplant, hat die Bezirksregierung grünes Licht für den Abschluss-Betriebsplan gegeben. Das Grubenwasser kann nun unterirdisch Richtung Rhein fließen, die Schächte können mit Beton verfüllt werden. „AV bleibt aber ein Sicherungsstandort für die Wasserhaltung“, erklärt Frank Beran. Das heißt, das Unternehmen habe dadurch die Möglichkeit, auf den Grubenwasserspiegel Einfluss zu nehmen.

Frank Beran (r.) und Projektleiter Volker Duddek von der RAG Montan Immobilien gehen über das Gelände zur ehemaligen Kohlenmischhalle. Solarpaneele auf der Südseite der Halle liefern Strom.

Frank Beran (r.) und Projektleiter Volker Duddek von der RAG Montan Immobilien gehen über das Gelände zur ehemaligen Kohlenmischhalle. Solarpaneele auf der Südseite der Halle liefern Strom. © Stephan Schütze

Frank Beran hat sieben Jahre auf AV gearbeitet, zunächst ab 2007 als Elektroreviersteiger, 2009 wurde er Abteilungsleiter für elektrotechnische Infrastruktur. Seit 2014 ist sein Arbeitsplatz auf Prosper Haniel in Bottrop, wo er als Bereichsleiter für den Dienstleistungsbereich Elektrotechnik der gesamten RAG zuständig ist. An die Zeit „auf AV“ denkt der 54-Jährige gerne zurück. „Hier gab es ein teamorientiertes Miteinander, eine tolle Führungskultur.“

„Nur mein Vater ist Postbeamter geworden.“
Frank Beran, Bergmann

Beran stammt aus einer Bergarbeiter-Familie, Urgroßvater, Großvater, alle arbeiteten unter Tage. „Nur mein Vater ist aus dem Rahmen gefallen und Postbeamter geworden.“ 1980 hat Frank Beran auf der Zeche Westerholt angefangen. Auch Berans Sohn, der heute 30 ist, hat eine Ausbildung im Bergbau gemacht, trotz des Kohleausstiegs in Sichtweite. „Der Bergbau ist ein Garant für gute Ausbildung“, begründet Frank Beran die Entscheidung. Im ehemaligen Verwaltungsgebäude hatte er sein Büro. Der zweigeschossige Backsteinbau wird stehen bleiben, 2019 zieht die Verwaltung der Stadt Marl ein, „für mindestens sechs bis sieben Jahre“, sagt Volker Duddek. Das Rathaus wird in dieser Zeit umgebaut.

Frank Beran in der ehemaligen Steigerstube. Hier nahmen die Hauer ihre Aufträge von den Steigern entgegen.

Frank Beran in der ehemaligen Steigerstube. Hier nahmen die Hauer ihre Aufträge von den Steigern entgegen. © Stephan Schütze

Innen verströmt das Gebäude den nüchternen Charme der 80er-Jahre. Die grau gekachelte Steigerstube, die Kantine, die Lampenstube – alles verwaist. Nur ab und an huscht jemand vorbei. 200 Menschen arbeiten noch an dem Standort, sagt Volker Duddek. In drei Jahren wolle man mit der Vermarktung beginnen. „Wir werden eine komplett neue Infrastruktur brauchen, öffentliche Straßen, Abwasserkanäle bauen.“ Die riesige Kohlenwäsche werde 2019 abgerissen.

Frank Beran schaut über das Gelände. Im Hintergrund die ehemalige Kohlenwäsche. Sie soll 2019 abgerissen werden.

Frank Beran schaut über das Gelände. Im Hintergrund die ehemalige Kohlenwäsche. Sie soll 2019 abgerissen werden. © Stephan Schütze

„Sobald wir größere Flächen haben, geht die Vermarktung schneller“, hofft Duddek. Er hat schon viele ehemalige Bergbauflächen umgewandelt, darunter das Calluna Quartier (ehemals Zeche Ewald) in Oer-Erkenschwick und Fürst Leopold in Dorsten. Keine Aufgabe für Wochen, Monate, sondern für Jahre. „Wir werden hier bei der Vermarktung über 2030 hinausgehen.“

Für Frank Beran wird es bestimmt nicht der letzte Besuch auf AV gewesen sein. Privat geht er einer anderen Ewigkeitsaufgabe nach, er singt in zwei Chören, im Knappenchor Zeche Consolidation in Gelsenkirchen ist er stellvertretender Chorleiter. „Wir haben gut zu tun“, sagt Beran. Auftritte des Chores seien zurzeit sehr gefragt. Weniger gut laufe es aber mit dem sängerischen Nachwuchs, er sei mit Mitte 50 noch unter den Jüngeren. „In anderen Bergbau-Regionen sind die Traditionen stärker in der Bevölkerung verwurzelt als hier“, bedauert er. Aber vielleicht kommt das ja noch.