Rauschendes Fest zum Revuepalast-Abschied geplant Direktor Marvin Boettcher „zu Tränen gerührt“

Revuepalast-Abschied: Direktor Marvin Boettcher „zu Tränen gerührt“
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Die Heizzentrale der ehemaligen Zeche Ewald in Herten erinnert Marvin Boettcher an eine Kirche. „Deswegen haben wir hier die kleinen Engel aufgestellt.“ Er deutet auf die goldenen Figuren, die ihren Blick durch den Innenraum der Halle schweifen lassen. „Die sollen ein bisschen an der Petersplatz in Rom erinnern.“ Für den Revuepalast Ruhr „funktioniert das Gebäude seit 15 Jahren wunderbar“. Und dennoch heißt es Abschied nehmen von der Bergbaukirche. Ende Januar 2025 gehen im Revuepalast die Lichter aus – zumindest auf Ewald.

Seit November 2009 zeigt der Revuepalast Tanz, Musik und Comedy mit einer Prise Frivolem auf dem ehemaligen Bergbau-Areal. „Wir waren mit die ersten, die dieses Gelände der Öffentlichkeit zugänglich gemacht haben“, erklärt Marvin Boettcher. Rund 40.000 Besucher locke das Theater alljährlich aufs Ewald-Gelände. „Das musst du erst mal schaffen.“ Für ihn sei der Revuepalast der „Platzhirsch“ auf dem Areal am Fuße der Halde Hoheward. „Wir sind ein essenzieller Bestandteil des Erfolgs von Ewald – zumindest bis jetzt …“

Nun hat Marvin Boettcher den Mietvertrag mit der Motorworld nicht verlängert, der ein Großteil des Geländes gehört. „Der Revuepalast ist kein Unternehmen, mit dem du Millionen verdienst“, sagt er. Die Anzahl der Vorstellungen und Plätze sei begrenzt. „Du hast relativ wenige Stellschrauben, an denen du drehen kannst, um den Umsatz zu beeinflussen.“ An den Energiekosten könne er ebenfalls wenig machen, „außer die Heizung abzudrehen, wenn keine Vorstellungen laufen“. Auf der anderen Seite seien die Mietkosten derart gestiegen, dass nun ein Punkt erreicht sei, „an dem es kaufmännisch nicht mehr funktioniert“.

Ewald-Gelände von tausenden Besuchern weit entfernt

Bereits als Marvin Boettcher den Revuepalast Anfang 2023 von Theater-Gründer Christian Stratmann übernommen habe, habe die Motorworld die Miete erhöht. Das Unternehmen begründet den Schritt damit, „massiv“ in die Ertüchtigung der Heizzentrale investieren zu wollen, um Energiekosten zu senken und die Infrastruktur auszubauen.

„Natürlich muss man perspektivisch darüber nachdenken, wie man dieses Gebäude energetisch saniert“, räumt Marvin Boettcher ein. „Aber das ist nicht Sache des Mieters.“ Sollte das gesamte Gelände eines Tages komplett entwickelt sein und tagtäglich 10.000 Besucher anlocken, könne er nachvollziehen, dass auch der Revuepalast auf Vordermann gebracht werde. „Doch so weit sind wir noch lange nicht.“ Er könne mit seinem Travestie-Theater so leben, wie es sei – „für mich muss hier nichts verändert werden“.

Christian Stratmann bedauert Revuepalast-Aus zutiefst

Auch Christian Stratmann bedauere zutiefst, dass der Revuepalast von Ewald verschwinde. „Er versteht aber, dass ich nicht sehenden Auges in die Insolvenz gehen kann“, berichtet Marvin Boettcher. Schon in den Anfangstagen des Hauses seien sich Stratmann und er einig gewesen, an der Heizzentrale „so viel wie nötig und so wenig wie möglich“ zu verändern. „Die Besucher sollen riechen, dass das hier ursprünglich kein Theater, sondern das Zuhause des Bergbaus gewesen ist – und das ist uns sehr gut gelungen.“ Er blickt sich um. „Wie viele unserer Gäste hänge auch ich an dem Gebäude.“

In Leder, kurzen Röcken und zerrissenen Jeans posieren die Mitglieder des Ensembles „Femme Fatale“ auf der Bühne des Revuepalasts Ruhr in Herten.
Lockt seit 2009 alljährlich rund 40.000 Besucher in den Revuepalast: das Ensemble „Femme Fatale“. © Torsten Janfeld

Noch habe er Hoffnung, mit der Motorworld übereinzukommen. Gespräche liefen nach wie vor. Bislang habe ihm die Vermieterin nur das Angebot unterbreitet, das Gebäude lediglich zeitweise anzumieten. „Das funktioniert aber nicht“, erklärt Marvin Boettcher. „Wir sind kein Gastspiel-, sondern ein Theaterbetrieb an einem festen Standort, den es auch braucht, um die Marke zu entwickeln.“ Ihm würde es reichen, „einen Fünfjahresvertrag mit Konditionen zu bekommen, die stemmbar sind“. Jeder müsse für sich entscheiden, „ob der jetzt rausgequetschte Euro wirklich zum Ziel führt“. Und diese Entscheidung habe eine große Tragweite: Schließlich beschäftige der Revuepalast insgesamt 36 Mitarbeiter. „Für sie ist das hier ihre Existenz.“

Marvin Boettcher von Zuspruch „zu Tränen gerührt“

Seit publik geworden ist, dass im Revuepalast die Lichter ausgehen, habe er sehr viel Zuspruch erfahren, dass es weitergehen müsse. „Den Auftrag nehmen wir gerne an.“ Diverse Städte hätten ihn bereits kontaktiert. „Ich habe auch Anrufe von Menschen bekommen, die ein geeignetes Gebäude kennen oder gerade an einem vorbeigefahren sind“, berichtet Marvin Boettcher. „Das hat mich zu Tränen gerührt.“ Ein anderer Standort in Herten sei ebenfalls im Gespräch: die ehemalige Zeche Westerholt, die derzeit entwickelt wird. „Ich habe mein Interesse daran bekundet, und auch die Stadt ist interessiert.“ Doch wohin es den Revuepalast verschlagen werde, könne er derzeit noch nicht sagen.

Am Sonntag, 26. Januar 2025, hebt sich ein letztes Mal der Vorhang auf Ewald. Mit „Celebration“ zeigt das Travestie-Theater die „größten Show-Momente aus 15 Jahren Revuepalast“. „Die Show ist eigentlich ein Geburtstagsgeschenk an unsere Gäste und uns“, sagt Marvin Boettcher. „Dass sie nun auch eine Hommage an den Abschied wird, haben wir bei der Planung nicht gedacht.“ Was die Besucher bei der letzten Vorstellung erwartet, stünde noch nicht ganz fest. Nur so viel: „Es wird ein rauschendes Fest.“

Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel wurde ursprünglich am 7. Dezember 2024 veröffentlicht.