Tatort Kneipe: Rentner aus Herten sticht zu „Wollte zeigen, dass ich kein alter Mann bin“

„Alter Mann“: Rentner (65) sticht mit Messer auf Kneipengast ein
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Knapp fünf Monate nach einer lebensgefährlichen Bluttat in einer Kneipe an der Langenbochumer Straße muss sich ein Rentner (65) aus Herten jetzt vor dem Bochumer Schwurgericht verantworten. Der Vorwurf: versuchter Mord.

Ein Kneipenwirt, zwei letzte Stammgäste mit Sitzfleisch und eine bereits verschlossene Tür: Es geschah in der Nacht auf den 23. September 2024 gegen 0.55 Uhr. „Eigentlich war es davor ein guter Abend“, erinnerte sich das spätere Opfer, ein 39-jähriger Elektroniker, am Mittwoch (19.2.) vor dem Bochumer Schwurgericht.

Gemeinsam mit dem Angeklagten habe er erst noch eine defekte Steckdosenleiste in der Kneipe repariert und dann noch ein letztes Bierchen an der Theke getrunken.

Weil der Wirt bereits damit beschäftigt war, aufzuräumen, habe er – so der 39-Jährige weiter – den Rentner dann nach draußen verabschiedet.

Als der 65-Jährige (zwei Promille) wenige Minuten später zurückkehrte und an der Kneipentür klopfte, öffnete der 39-Jährige (3,7 Promille) nichts Böses ahnend – und wurde sofort mit einem Messer attackiert.

„Ich dachte erst, er boxt mich zum Spaß. Das ging so schnell“, erinnerte sich der 39-Jährige. Und weiter: „Erst als ich dann zur Seite gegangen bin, habe ich gemerkt, dass es kalt und feucht am Bauch wird, dass ich blute.“

Die dramatischen Szenen sind damals von einer Kamera in der Kneipe aufgezeichnet worden. Der Film (ohne Ton) wurde im Prozess am Bochumer Schwurgericht vorgespielt.

Laut Anklage soll der 65-Jährige nach dem Öffnen der Tür sofort gerufen haben: „Ich bringe Dich um.“

Täter und Opfer waren Stammgäste in der Hertener Kneipe. (Symbolbild)
Täter und Opfer waren Stammgäste in der Hertener Kneipe. (Symbolbild) © picture alliance/dpa

Nachdem sich die Ereignisse an der Tür binnen Sekunden überschlagen hatten, ist auf dem Video zu sehen, dass der Wirt den Angeklagten am Ende nach draußen drängt. Vor der Kneipe sitzend wurde der Rentner kurz danach von der Polizei festgenommen und sitzt bis heute durchweg in U-Haft.

In einer von Verteidiger Lars Volkenborn im Namen des Angeklagten verlesenen Erklärung räumte der Rentner nicht nur die Messerattacke an sich ein – er nannte auch das Motiv.

„An dem Abend sind wir zunächst gut miteinander ausgekommen. Plötzlich hat er mich ‚alter Mann‘ genannt. Mich hat diese Aussage verletzt“, heißt es in der Erklärung.

Und weiter: „Ich war verärgert, habe die Kneipe verlassen, bin in meine Wohnung, habe aus einem Messerblock ein Küchenmesser gegriffen und wollte ihn bestrafen. Ich wollte ihm zeigen, dass ich noch kein ‚alter Mann‘ bin.“

Als der 39-Jährige ihm dann auf sein Klopfen die Kneipentür geöffnet habe, „da habe ich mehrfach zugestochen“, lässt der 65-Jährige erklären. „Ich wollte ihn aber keinesfalls töten.“

Staatsanwalt Danyal Maibaum hält das für abwegig. In der Anklage ist von einem heimtückischen, unvermittelten Messerangriff mit Tötungswillen die Rede. Das spätere Opfer sei „völlig überrascht worden“.

Einzig dem Kneipenwirt gegenüber soll der 65-Jährige vor seinem kurzzeitigen Verlassen der Kneipe gesagt haben: „Ich bringe den gleich um.“ Der Wirt soll die Ansage aber nicht ernst genommen haben, weil der Rentner schon häufiger solche oder ähnliche Sprüche abgelassen haben soll.

Das Opfer hat damals bis zu sechs Zentimeter tiefe Stich- und Schnittverletzungen erlitten, wurde mit einem Rettungswagen in eine Klinik gebracht, lag zwei Tage auf der Intensivstation.

Körperlich gehe es ihm inzwischen wieder ganz gut, folgenschwerer sei der Verlust seines Arbeitsplatzes gewesen, erklärte der 39-Jährige: „Ich war damals noch in der Probezeit, bin gekündigt worden und in das Bürgergeld gefallen.“

Nur aus Spaß gesagt

Dass er den Rentner „alter Mann“ genannt haben könnte, schloss er nicht aus. Wenn, dann sei das aber nur aus Spaß so gewesen.

Dem Angeklagten droht im Falle einer Verurteilung eine empfindliche Strafe. Urteilstermin ist, Stand jetzt, der 26. März.