Hausbesuche bei todkranken Patienten Arzt wegen Betrugs vor Gericht - 112.000 Euro Schaden

Hausbesuche bei Palliativpatienten: Arzt wegen Abrechnungsbetrugs vor Gericht - 112.000 Euro Schaden
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Ein Arzt (59) aus Herne muss sich seit Freitag (25.8.) vor dem Bochumer Landgericht verantworten. Es geht um mutmaßlichen Abrechnungsbetrug in Zusammenhang mit der häuslichen Betreuung sterbenskranker Patienten in Pflegeheimen. Zum Prozessauftakt wies der Palliativmediziner die Vorwürfe zurück.

Staatsanwalt Jörg Maleck wirft dem Herner Arzt insgesamt 30 Fälle des gewerbsmäßigen Betrugs zwischen April 2015 und April 2020 vor. Die Anklage beziffert den Schaden durch zu Unrecht abgerechnete Leistungen auf rund 112.000 Euro.

Im fraglichen Zeitraum war der 59-Jährige laut Anklage als „sogenannter qualifizierter Palliativarzt (QPA) für den palliativ-medizinischen Konsiliardienst Herne/Castrop-Rauxel (PKD) tätig“. Als solcher, so der konkrete Vorwurf, „rechnete er Vollversorgungen und palliativmedizinische Hausbesuche bei den Patienten gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) ab, denen tatsächlich keine Leistungen zugrunde lagen“.

„Direkter Patientenkontakt“

In 13 von 30 angeklagten Fälle soll der 59-Jährige mittelbar „durch einen anderen“ betrügerisch tätig geworden sein. Gemeint sind damit die Fälle der Anklage, in denen der Arzt nicht direkt mit der Kassenärztlichen Vereinigung abgerechnet hat, sondern die finanzielle Abrechnung primär über den palliativ-medizinischen Konsiliardienst (PKD) erfolgte.

Eine Vollversorgung eines unheilbar kranken Patienten umfasst laut Anklage im Schnitt 90 Minuten, erfordert „direkten Patientenkontakt“ und bindet üblicherweise auch eine zusätzliche Pflegekraft mit ein. „Der Angeklagte führte die Vollversorgungen allerdings neben seiner Tätigkeit als Hausarzt in seiner Praxis in Herne allein ohne Pflegekraft durch“, heißt es in der Anklage.

Deutlich jüngere Patientenstruktur

Die Staatsanwaltschaft bezweifelt somit, dass die Fülle der von ihm abgerechneten (zeitaufwendigen) Vollversorgungen von Palliativpatienten in Pflegeheimen sich zeitgleich mit seinem Hausarztpraxisbetrieb in Einklang bringen lassen haben. Mit Blick auf die streitigen Hausbesuche stützt sich die Staatsanwaltschaft unter anderem auf widersprüchliche Aktendokumentationen in den betroffenen Pflegeheimen.

Der in Witten lebende Arzt verwies mit Blick auf die Anklagevorwürfe auf wichtige Besonderheiten in seinem Arbeitsalltag als Hausarzt in Herne. „Ein Schwerpunkt meiner Arbeit war die palliativ-medizinische Versorgung. Da war ich lokal anfangs der Einzige. Ich habe pro Tag zehn bis 15 Hausbesuche gemacht“, sagte der 59-Jährige. Dass er so viel Zeit dafür aufwenden habe können, habe seine abweichend von anderen Hausärzten gelagerte (deutlich jüngere) Patientenstruktur ermöglicht. Der Angeklagte: „Anders als üblich waren 80 Prozent meiner Patienten im Alter von unter 60. Da blieb mehr Zeit, um mich um die palliative Versorgung zu kümmern.“

Dokumentation unzurechend?

Die Richter der 10. Strafkammer werden nun in den nächsten Wochen zahlreiche Zeugen vernehmen. Auf der Zeugenliste stehen mehrere Leiter von Pflegeheimen. Der Verteidiger des Arztes kritisierte die Dokumentationen in den Heimen als „vollständig unzureichend“.

Der Angeklagte habe nach seiner eigenen Wahrnehmung jedenfalls abgerechnete Leistungen auch stets erbracht. Allenfalls im Einzelfall könne es mal zu einem „Fehler bei einer Notiz“ gekommen sein.

Für den Prozess sind noch sieben Verhandlungstage bis zum 25. September geplant.