Zerschossene Fensterscheiben, Einschusslöcher vorne, hinten und im Innenraum: Im Prozess um einen Kalaschnikow-Angriff auf einen Zeitungsboten in Hattingen sind am Donnerstag Bilder gezeigt worden, die sonst nur sonst nach Terror-Anschlägen zu sehen sind. Dass der 34-Jährige den Angriff vom 11. März dieses Jahres überlebt hat, gleicht einem Wunder. Selbst Gurt und Kopfstütze waren getroffen.
„Ein Schuss ging direkt an meiner Nase vorbei“, sagte der Zeitungsbote den Richtern am Essener Schwurgericht. Zwei andere trafen Hand und Oberarm. Die großen Narben waren im Prozess auch von weitem zu sehen. Der getroffene Zeigefinger muss möglicherweise amputiert werden.
Rückwärts im Blindflug
Der Zeitungsbote hatte sich damals nur mit einer halsbrecherischen Rückwärtsfahrt in Sicherheit bringen können – geduckt, mit nur noch einer Hand am Steuer. „Ich war im Blindflug – mit Vollgas.“ Erst nach mehreren hundert Metern hatte er es gewagt, seinen Wagen zu wenden. Doch auch da wurde weiter geschossen. „Der Mann kam hinter mir hergerannt – mit dem Gewehr im Anschlag.“
Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Angeklagte sich bei nächtlichen Schießübungen mit seiner Kalaschnikow entdeckt gefühlt hat. Damit es keine Zeugen gibt, hat er den 34-Jährigen laut Anklage ermorden wollen. Der zwei Jahre jüngere Angeklagte selbst hat sich noch nicht zu den Vorwürfen geäußert.
Handys am Tatort
Auf die Spur des mutmaßlichen Täters waren die Ermittler durch einen Zufallsfund gekommen. Am Tatort war eine gelbe Plastiktüte mit drei Handys und einem Tablet-Computer zurückgelassen worden. Über die Kontakte in einem der Handys soll der Angeklagte schließlich ermittelt worden sein.
Die Festnahme war damals in Berlin erfolgt. Dort wohnte die Freundin des 32-Jährigen, zu der er nach der Tat gefahren sein soll. Auch die Kalaschnikow soll dort gefunden worden sein. Der Zeitungsbote hätte den Täter nicht wiedererkannt. Er konnte sich nur noch an dunkle Kleidung und an einen weißen BMW erinnern.
Massiv vorbestraft
Neben den Schussverletzungen leidet der Hattinger auch psychisch unter den Folgen der Tat. „Erst dachte ich, ich komme damit gut klar“, sagte er den Richtern. „Doch das war eine Fehleinschätzung.“ An Arbeit ist vorerst nicht zu denken. Er ist weiter in psychologischer Behandlung.
Es ist übrigens nicht das erste Mal, dass der Angeklagte vor Gericht steht. Wie am Donnerstag bekannt geworden ist, ist der 32-Jährige schon 2013 wegen versuchten Totschlags verurteilt worden. Damals hatte er laut Urteil einen Gast in einem Duisburger Internet-Café niedergestochen.
Der Prozess am Essener Landgericht wird fortgesetzt. Mit einem Urteil ist voraussichtlich erst kurz vor Weihnachten zu rechnen.