Hase Bikes: Für die 5000-Räder-Jahresproduktion ist das Kutscherhaus längst zu klein

© Martin Pyplatz

Hase Bikes: Für die 5000-Räder-Jahresproduktion ist das Kutscherhaus längst zu klein

rnWaltroper Spezialrad-Manufaktur

In einer „Garage“ in Bochum fing alles an - jetzt steht die mittlerweile vierte Halle in Waltrop und 5000 Fahrräder pro Jahr werden produziert. Läuft bei der Firma Hase Bikes. Oder besser: Rollt!

Waltrop

, 25.03.2022, 10:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Die Geschichte der Spezialrad-Manufaktur „Hase Bikes“ klingt ein bisschen wie ausgedacht: Sie begann vor fast 28 Jahren in einer „Garage im Hinterhof“. Jetzt wurde die vierten Produktions- und Lagerhalle eröffnet - auf dem Gelände der ehemaligen Waltroper Zeche. Streng genommen ist das auch ein bisschen ausgedacht - weil es eben so schön klingt. Die „Garage“ ist nämlich eigentlich ein altes Kutscherhaus auf dem Gelände des Elternhauses von Firmengründer Marec Hase in Bochum. Dort schraubte Marec Hase die ersten Fahrräder zusammen.

Von Bochum zur Waltroper Zeche

Nicht ganz unschuldig ist an der Erfolgsgeschichte seine Mutter Dorothee: Denn während andere Kinder sich Lego und Playmobil zum Geburtstag wünschen, wollte Marec Hase gerne Fahrrad-Schrott haben. Seine Mutter erfüllte ihm diesen Wunsch – und ihr Sohn machte sich daran, aus den Einzelteilen wieder etwas Neues entstehen zu lassen. Ja, sie erinnere sich, dass sie viel mit ihrem Sohn zu Sperrmüllsammlungen gefahren sei, um Material für seine Projekte zu beschaffen, erzählt Dorothee Hase schmunzelnd am Rande der Eröffnung der neuen Hase-Halle. „Das Highlight war irgendwann ein Tandem, auf dem man nebeneinander sitzt.“

Statt mit einer Sektflasche tauft Uwe Dreischhoff von der gleichnamigen Dachdeckerei im Beisein von Kirsten und Marec Hase die neue Halle 4 mit einem Eimer Wasser. Das Wasser landet am zentralen Schmuckstück der Halle, einer im alten Zechengebäude-Stil gefertigten Mauer.

Statt mit einer Sektflasche tauft Uwe Dreischhoff von der gleichnamigen Dachdeckerei im Beisein von Kirsten und Marec Hase die neue Halle 4 mit einem Eimer Wasser. Das Wasser landet am zentralen Schmuckstück der Halle, einer im alten Zechengebäude-Stil gefertigten Mauer. © Martin Pyplatz

Sie seien ein wenig belächelt worden, als sie mit dem Gefährt bis nach Holland fahren wollten, „mit dem Zelt hintendrauf“, und Freunde hätten ihnen hinterhergerufen: „Damit kommt ihr maximal bis Mülheim!“ Pustekuchen. Es wurde Holland - das Rad hielt.

Marec Hase hielt an seiner Idee fest, gründete 1994 seine Firma, setzte zunächst auf Liegedreiräder und Tandems. Aber er brauchte jemanden, der schweißen konnte - und so tickte wie er. Da kam Igor Paviltchenko ins Spiel. Er stammt aus Kasachstan, war damals gerade nach Deutschland übergesiedelt. „Ich habe Jobs gesucht, erstmal alles Mögliche gemacht“, erzählt Igor Paviltchenko, der noch heute bei Hase Bikes arbeitet. „Alles Mögliche“, das seien auch Gartenarbeiten bei Dorothee Hase gewesen. Und so kam eins zum anderen – und Igor zu Marec.

Mancher hielt die Hase-Spezialräder für eine „bekloppte Idee“

Zurück zu den Liegedreirädern und Tandems. „Wat ne bekloppte Idee“, habe damals so mancher gesagt, erzählte bei der Eröffnung in Waltrop Kirsten Hase. Sie kam im Jahr 1994 mit Marec Hase zusammen. „Es geschah viel Gutes in dem Jahr“, sagt augenzwinkernd ein Hase-Bikes-Mitarbeiter. Die gelernte Töpferin stieg 1997 ins Unternehmen ein, ist heute für die Marketing-Abteilung verantwortlich.

Die Kutscherhaus-Garage wurde zu eng

Nun, die Idee entpuppte sich keineswegs als „bekloppt“, sondern als erfolgreich. Und die „Kutscherhaus-Garage“ wurde zu klein. Sie hätten zunächst in Bochum gesucht, sagt Kirsten Hase. „Wir hätten haben können: Industriegebiet, Halle mit Rolltor, 30 Parkplätze.“ Da hätten sie sich gedacht: „Nee danke“ und weitergeschaut. „Waltrop ist ganz schön“, sagte jemand. Um es kurz zu machen: Hase Bikes bezog Halle Nummer 1 auf dem Gelände der ehemaligen Zeche Waltrop, in alten Gebäuden. „Ihr seid in einem Jahr pleite“, prophezeite damals jemand. Es kam anders... Sieben Jahre später war es wieder zu eng; es wurde gebaut. Die erste neue und insgesamt zweite Halle - heute ist man bekanntlich bei Nummer 4, der dritten neuen Halle.

Groß und lichtdurchflutet präsentiert sich die neue Halle der Firma Hase Bikes. Zur Eröffnung waren die Mitarbeiter geladen, aber auch Vertreter der Waltroper Stadtverwaltung, die Handwerker, die Stadtratsmitglieder, die Nachbarn und alle anderen an der neuen Halle Beteiligten.

Groß und lichtdurchflutet präsentiert sich die neue Halle der Firma Hase Bikes. Zur Eröffnung waren die Mitarbeiter geladen, aber auch Vertreter der Waltroper Stadtverwaltung, die Handwerker, die Stadtratsmitglieder, die Nachbarn und alle anderen an der neuen Halle Beteiligten. © Martin Pyplatz

Es sei ihnen immer wichtig gewesen, dass der Ort, an dem die Menschen arbeiten, auch ein schöner ist, „einer, an dem man es nett hat – man ist ja schließlich acht Stunden pro Tag hier“, findet Kirsten Hase. Und nicht wenigen Gästen der Eröffnungsfeier entfuhr ein „Wow!“ - beim Blick auf eine fast hallenhohe Klinker-Mauer, die mitten im Gebäude steht und in der modernen Halle die Optik der alten Zechengebäude aufnimmt. Die Bauunternehmung Frank Sturm aus Lüdinghausen hat das Werk geschaffen und nach alter Väter Sitte gemauert. Nicht weniger als 120 Tonnen wiege die Mauer, die 36 Zentimeter stark ist. „Vom Klinker-Volumen sind das zwei Einfamilienhäuser“, erzählt Firmen-Chef Frank Sturm. Vier seiner Leute waren damit fünf Wochen beschäftigt. Die Besonderheit sei die heute seltene Struktur der Klinker. Die sind im Kreuzverband angeordnet. Laienhaft erklärt: Die rechteckigen Steine liegen so, dass immer einer längs liegt, der nächste quer.

Die Mauer bietet einen reizvollen Kontrast zu den modernen Geräten. Zum Beispiel der „Airliner“: eine Art Fließband, nur hängen daran Räder und schweben an den einzelnen Produktions-Stationen vorbei. Am Anfang wird der bloße Rahmen eingehängt, am Ende kommt das fertige, qualitätsgecheckte Rad raus. „Vorher hatten wir so eine Art Kreis mit acht Spießen, an denen die Fahrräder hingen“, erzählt Julian Grenz, gelernter Industriemechaniker und seit 15 Jahren im Hase-Bikes-Team. Das sei irgendwann nicht mehr zweckmäßig gewesen.

Laufräder werden nun in Waltrop gefertigt

Weiterer Neuankömmling in der Hase-Bikes-Halle ist eine Laufrad-Produktion. Früher wurden Laufräder immer zugekauft. Damit war man aber abhängig von den Lieferanten. Nun machen sie das eben selbst – und wer Hase-Bikes-Mitarbeiter Christoph Annut dabei zusieht, wie aus Speichen, Nippeln, Mantel und Schlauch im Zusammenspiel von Hand und Maschine ein Laufrad entsteht, der bekommt ganz neue Ehrfurcht vor den Rädern am eigenen Drahtesel.

Stolz stehen diese Mitarbeiter vor der neuen Halle 4 von Hase-Bikes. Sie sind ein Team und verantwortlich für die Montage der Räder.

Stolz stehen diese Mitarbeiter vor der neuen Halle 4 von Hase-Bikes. Sie sind ein Team und verantwortlich für die Montage der Räder. © Martin Pyplatz

5000 Fahrräder sollen dank der neuen Möglichkeiten in diesem Jahr die Hase-Bikes-Manufaktur verlassen. „Und wir werden wohl auch in diesem Jahr die 100 bei der Zahl der Mitarbeiter knacken“, sagt Marec Hase. Bürgermeister Marcel Mittelbach, bei der Eröffnung der neuen Halle auch dabei, freut das - und er werde sich den 24.3.2029 schon mal in den Terminkalender schreiben, sagt er scherzend. Denn in weiteren sieben Jahren werde ja vermutlich Halle Nummer 5 eingeweiht...