Vorstände der Deutschen Bahn dürften schon bald Bonuszahlungen in Millionenhöhe erhalten – obwohl das Unternehmen seine Ziele für Pünktlichkeit und Kundenzufriedenheit auch in 2022 wieder deutlich verfehlt hat. Die Zahlungen belaufen sich demnach auf eine Höhe von rund 5 Millionen Euro. Das haben Recherchen von NDR, WDR und SZ ergeben. Nach dem Auslaufen der Strompreisbremse können den Konzernvorständen nun zusätzlich zu ihrem Grundgehalt von insgesamt rund 4 Millionen Euro die Tantiemen ausgezahlt werden.
Wie unter anderem die „Süddeutsche Zeitung“ (SZ) am Montag berichtet, sollen Zahlungen bislang zurückgestellt worden sein, weil die Bahn – wie andere Unternehmen auch – die Strompreisbremse in Anspruch genommen hatte. Solange die Preisbremse als staatliche Unterstützung genutzt wird, sind Bonuszahlungen an Vorstände verboten. Da die Strompreisbremse Ende 2023 aber ausläuft, können die Bonuszahlungen an Bahn-Chef Richard Lutz und die anderen Vorstandsmitglieder ab Januar 2024 wieder aufgenommen werden.
Hohe Boni trotz verfehlter Ziele – drei gute Noten sind der Grund
Das Bonussystem für Vorstände der Bahn ist seit Jahren umstritten. Im Rahmen der Recherchen konnte nun das langjährige Berechnungsmodell für die Zahlungen eingesehen und so nachvollzogen werden, für welche selbst gesteckten Ziele den Bahn-Vorständen welche Boni veranschlagt wurden. Daraus geht hervor, dass bei der Berechnung Bereiche, in denen Ziele verfehlt wurden, mit anderen Bereichen, in denen Ziele übertroffen wurden, offenbar verrechnet werden konnten. So erhalten die Bahn-Vorstände hohe Boni, obwohl die Bahn ihre Ziele für „Pünktlichkeit“ und „Kundenzufriedenheit“ auch 2022 wieder deutlich verfehlte.
Dem Bericht zufolge gab es aber auch gute Bewertungen. Es geht um drei gute und beste Noten, die die Bonuszahlungen ermöglichen – allem Unmut wegen Zugausfällen und Verspätungen bei den Reisenden zum Trotz. Für die positive Stimmung unter den Beschäftigten und den Bereich „Frauen in Führung“ soll der Vorstand 175 Prozent der Zielvorstellungen erreicht haben. Auch mit Blick auf die CO₂-Einsparung konnte Konzernchef Lutz die selbst gesteckte Messlatte erreichen – allein dafür soll er knapp 440.000 Euro an Bonuszahlungen erhalten. Auch bezüglich der finanziellen Lage konnten die Führung Werte einfahren, die über den Zielgrößen für 2022 lagen. Demnach schnitt sie trotz sehr hoher Verschuldung sogar um 200 Prozent über den Zielen ab.
Aufsichtsrat entscheidet über Bonussystem
Über das Bonussystem bei der Bahn entscheidet der Aufsichtsrat, in dem auch Vertreter der Bundesregierung und der Gewerkschaften sitzen. Es soll im kommenden Jahr umgestellt werden. Bahn-Vorstände haben dann einen höheren Anteil ihres Gehalts als Fixgehalt, der Anteil der variablen Boni soll im Gegenzug sinken. Die Bahn erklärte, zu Angelegenheiten des Aufsichtsrats äußere man sich nicht, und verwies auf ihre Konzernberichte. Das Bundesverkehrsministerium teilte auf Anfrage mit, mit Vergütungsvereinbarungen könne der DB-Aufsichtsrat Ziele des Bundes als Eigentümer der Bahn durchsetzen.
Kritik an Bonus-Zahlungen aus der Politik
Hinsichtlich der Bonus-Zahlungen an die Bahn-Vorstände zeigt Abgeordnete Sahra Wagenknecht sich empört. Wie sie gegenüber dem „Spiegel“ einordnet, befinde sich die Deutsche Bahn in einem „miserablen Zustand“. „Dass sich die Konzernchefs in dieser Situation auch noch Boni zuschustern wollen, ist unverschämte Selbstbedienung“, so die Politikerin, die im Januar eine eigene Partei gründen will.
Auch die Grünen kritisieren die Tantiemen in Millionenhöhe. „Die Boniregeln lassen die Bahn als Selbstbedienungsladen dastehen. Es wirkt als sollte dem Vorstand durch Rechentricks Millionen zugeschustert werden, indem zentrale Kennziffern wie Pünktlichkeit nicht so wichtig sind“, sagte Grünenpolitiker Anton Hofreiter dem „Spiegel“ am Montag. „Wenn es rechtlich nicht anders geht fordere ich angesichts des desaströsen Zustands der Bahn, dass der Vorstand freiwillig auf die Boni verzichtet“, lautet Hofreiters Forderung.
Isabel Cademartori, verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, wertet die Bonus-Zahlungen der Deutschen Bahn im Gespräch mit dem „Spiegel“ als „schwieriges Signal, auch wenn es sich um eine verschobene Zahlung aus der Vergangenheit handelt“.