Haft für Ex-Mieter nach Brand in Datteln „Erst wollte er sterben, dann nur sein Leben retten“

Nach Wohnungsbrand von der Hohen Straße: Fast sechs Jahre Haft für Ex-Mieter
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Nach einem Großbrand in einem Wohnhaus an der Hohen Straße ist ein früherer Mieter am Bochumer Schwurgericht zu fünf Jahren und neun Monaten Haft verurteilt worden. Der Dattelner hatte zugegeben, in seiner Dachwohnung selbst Feuer gelegt zu haben, um zu sterben. Die hohe Strafe fußt vor allem auf einer gefährlichen Fehlentscheidung mit Blick auf die Hausnachbarn.

Erfolgloser Löschversuch

„Ich habe eine Kurzschlussreaktion gefasst und wollte in meinem Bett verbrennen“, hatte der 45-Jährige den Richtern beim Prozessauftakt erklärt. Der Angeklagte ist seit Jahren psychisch krank. Immer wenn er seine Medikamente absetzt, plagen und quälen ihn kommentierende Stimmen im Kopf.

„In dieser Nacht haben Sie beschlossen, den Stimmen eins auszuwischen und sich das Leben zu nehmen“, hieß es in der Urteilsbegründung. Als der 45-Jährige dann jedoch zügig erste Schmerzen durch die Flammen gespürt habe, habe er einen Rückzieher gemacht, noch einen erfolglosen Löschversuch mit einem Kochtopf voller Wasser unternommen – und sei dann aus der lichterloh brennenden Wohnung geflüchtet.

Dass er in der Startphase des Suizids durch Entzünden von Papier und Kleidung rund um sein Bett nicht an seine Hausnachbarn gedacht habe, bezeichnete das Gericht indirekt als nachvollziehbar.

„In so einer Ausnahmesituation denkt man nicht an andere“, sagte Richter Volker Talarowski. Dass der 45-Jährige danach aber das brennende Haus verlassen habe, ohne seine Nachbarn zu warnen, sei ihm ganz besonders vorzuwerfen. Der Moment der Flucht aus dem Haus stelle auch rechtlich eine Zäsur dar.

Wegen des Feuers in einem Mehrfamilienhaus in der Dattelner Innenstadt wurde Stadtalarm ausgelöst.
Wegen des Feuers in einem Mehrfamilienhaus in der Dattelner Innenstadt wurde Stadtalarm ausgelöst. © Sebastian Balint

„Erst wollte der Angeklagte sterben, dann nur sein Leben retten“, beschrieb der Vorsitzende Richter die Situation. Es wäre aber seine Pflicht und geradezu geboten gewesen, die Nachbarn zu alarmieren, an deren Türen zu hämmern oder anzuklingeln.

Richter Volker Talarowski: „Niemand von uns sagt, dass Sie zielgerichtet Menschen töten wollten. Aber Sie haben die tödliche Gefahr erkannt, das Wissen darum aber hinten angestellt und sind losgerannt. Das war die falsche Entscheidung.“

Eine Fehlentscheidung, die rechtlich am Ende als versuchter Mord durch Unterlassen zu bewerten und dementsprechend hoch zu bestrafen sei.

Staatsanwalt Max Hagemann hatte dem Dattelner unter anderem mit Blick auf die Flucht aus dem brennenden Haus, ohne seine Nachbarn zu warnen, Gleichgültigkeit und Rücksichtslosigkeit vorgeworfen. Sein Antrag: neuneinhalb Jahre Haft.

Verteidiger Olaf Krekeler hatte betont: „Der Angeklagte wollte am 22. November 2023 niemand anderen töten – außer sich selbst.“ Es dürfe nicht aus Blick verloren gehen, dass der Dattelner seit Jahren „psychisch schwer krank“ und eben „kein Monster“ sei.

Um das Feuer in der dritten Etage eines Wohnhauses in der Dattelner Innenstadt zu löschen, kam auch die Drehleiter der Wehr zum Einsatz.
Um das Feuer in der dritten Etage eines Wohnhauses in der Dattelner Innenstadt zu löschen, kam auch die Drehleiter der Wehr zum Einsatz. © Sebastian Balint

Den Antrag des Verteidigers, den Brandstifter statt ins Gefängnis vielmehr in eine geschlossene forensisch-psychiatrische Klinik einzuweisen, lehnte das Gericht ab.

„Vielleicht wäre das gesundheitlich sogar eine gute Lösung gewesen“, hieß es beim Urteil. Aber für die Anordnung einer solchen zeitlich unbefristeten Unterbringung habe es schlicht an den rechtlichen Voraussetzungen gefehlt.

Eine Gutachterin hatte dem Dattelner allenfalls in der Feuerentzündungsphase eine möglicherweise eingeschränkte Schuldfähigkeit attestiert. Ab dem Zeitpunkt seiner Flucht sei dessen Verhalten aber einfach viel zu rational gewesen.

Dass das Feuer für die Hausnachbarn nicht zu einer tödlichen Katastrophe geworden sei und am Ende keine Personenschäden zu beklagen gewesen seien, lag an dem aufmerksamen Zeitungsboten der Dattelner Morgenpost.

„Wir alle können heilfroh sein, dass dieser junge Mann etwas gerochen, sofort reagiert und so Schlimmeres verhindert hat“, lobte das Gericht.

Eine Brandsachverständige hatte klargestellt, dass die Flammen nur wenige Minuten später auf andere Gebäudeteile übergeschlagen wären.