Grundsteuer-Kritik spitzt sich zu Bernd Weskamp: „Es sind mehr Einsprüche notwendig“

Grundsteuer-Kritik trifft MdB im Kreis Unna: „Warum schicken Sie uns auf den Klageweg?“
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Die Kritik an der Neuberechnung der Grundstückswerte in Deutschland nimmt zu. Das Bundesmodell, dem sich auch NRW angeschlossen hat, wird von Juristen gar als verfassungswidrig beurteilt. Bernd Weskamp aus Fröndenberg sieht es ebenso.

Der Grundstückseigentümer hat jetzt, „da der Weihnachtsfrieden vorbei ist“, einen Offenen Brief an den SPD-Bundestagsabgeordneten Oliver Kaczmarek verfasst und unserer Redaktion ebenfalls zukommen lassen.

Von dem Parlamentarier will Weskamp wissen, warum dieser im Herbst 2019 der Grundsteuerreform mit ihren „Schwächen“ zugestimmt hat. In den Augen Weskamps ist schon damals absehbar gewesen, dass die Bewertung der Grundstücke nicht gerechter als vorher ausfallen würde.

Rechtsprofessor: „Gesetz verletzt Grundgesetz“

Knackpunkt an der Festlegung neuer Einheitswerte für Grundstücke ist für Bernd Weskamp ein einzelner Bewertungsfaktor mit großem Gewicht: der Bodenrichtwert. „Diese Werte kennt das Steuerrecht und nutzt sie. Doch es handelt sich dabei um Richtwerte und damit um unscharfe Parameter“, schreibt Weskamp wörtlich an Oliver Kaczmarek.

Martin Oschinski ist Vorsitzender des Gutachterausschusses für Grundstückswerte im Kreis Unna. Das Gremium hat die Bodenrichtwerte nach gesetzlichen Vorgaben ermittelt.
Martin Oschinski ist Vorsitzender des Gutachterausschusses für Grundstückswerte im Kreis Unna. Das Gremium hat die Bodenrichtwerte nach gesetzlichen Vorgaben ermittelt. © Montage/Marcel Drawe

Weskamp kommt in dem zweiseitigen Schreiben schnell zum Kern der Kritik: „Und weil die Werte ungenau sind, ließ das Steuerrecht, wenn es sie bisher bei anderen Steuern nutzte, den Gegenbeweis eines realitätsnäheren Wertes zu. Dieser Gegenbeweis wurde aber den Steuerpflichtigen bei der Grundsteuer des Bundes, übernommen von NRW, verwehrt, weil das Massenverfahren mit zu vielen Gegenbeweisen zu aufwendig würde.“ Inzwischen, so hat es Weskamp erfahren, betone der Bundesfinanzhof, „dass die ungenauen Werte zu einer gleichheitswidrigen Steuer führen, wenn man den Gegenbeweis nicht zulässt.“

Eben diesen Standpunkt vertritt auch Professor Dr. Gregor Kirchhof, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Finanz- und Steuerrecht an der Universität Augsburg. Der Direktor des dortigen Instituts für Wirtschafts- und Steuerrecht nahm bereits im November 2020 für den Haushalts- und Finanzausschuss des NRW-Landtages Stellung zu dem neuen Grundsteuergesetz.

„Dieses Gesetz aber verletzt das Grundgesetz“, führte Kirchhof damals schon aus und wird mit seiner These seit einigen Wochen wieder bundesweit von vielen Medien zitiert.

Laut Bernd Weskamp teilte ihm der Gutachterausschuss für Grundstückswerte des Kreises Unna auf Anfrage schriftlich mit, dass es an seinem Wohnort eine erhebliche Steigerung des Bodenrichtwertes gegeben habe.

Davon gab es im Zeitraum von 2018-2021 ein Zuwachs von 31 Prozent, der sich allerdings erst zum Stichtag 1. Januar 2022 auf den Bodenrichtwert mit einer Erhöhung zwischen 10 Euro/m² bis 20 Euro/m² ausgewirkt habe.

In der für sein Grundstück liegenden Bodenrichtwertzone 3152 stieg der Bodenrichtwert um 25 Euro/m². Von 2011-2018 stieg der Bodenrichtwert nur um 3 Prozent. „So ist eine Steigerung von 2018-2021 von 31 Prozent nur durch inflationäre Tendenzen und einer Überhitzung auf dem Immobilienmarkt zu erklären“, schriebt Bernd Weskamp.

Weiter habe der Gutachterausschuss mitgeteilt, dass die Bewertung der Bodenrichtwerte noch nach der Immobilienwerteermittlungsverordnung vom 19. Mai 2010 erfolgt ist. In der seit 1. Januar 2022 geltenden neuen Verordnung werde deutlicher geregelt, dass neben den Kauffällen auch weitere Kriterien herangezogen werden sollen, besonders, wenn zu wenig Kaufdaten zur Verfügung stehen.

Entlastung für Erben wegen Inflation

Die zuletzt massive Preissteigerung bei Immobilien habe die Bodenrichtwerte ebenfalls nach oben schießen lassen. Mittlerweile sei aber mit der Zinserhöhung eine Gegenmaßnahme ergriffen worden, sodass der für sein Grundstück erhobene Bodenrichtwert gar nicht mehr mit der Wirklichkeit übereinstimme, bemängelt Weskamp.

Mit 240 Euro/Quadratmeter liegt der aktuelle Bodenrichtwert im Neubaugebiet Gosemark 2 in Dellwig mit am höchsten in Fröndenberg.
Mit 240 Euro pro Quadratmeter liegt der aktuelle Bodenrichtwert im Neubaugebiet Gosemark 2 in Dellwig mit am höchsten in Fröndenberg. © Archiv/Udo Hennes

Regierung und Parlament hätten kürzlich selbst Handlungsbedarf gesehen: Denn im Bundestag seien höhere Freibeträge bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer beschlossen worden, um Erben wegen der inflationsbedingt hohen Immobilienwerte nicht zu stark zu belasten.

Weskamp spricht Kaczmarek nun direkt auf die aufgeworfenen Aspekte an: „Warum haben Sie zugelassen, dass der bisher übliche Gegenbeweis bei Steuerbescheiden für die Grundsteuer ausgeschlossen wurde und Sie damit alle Steuerpflichtigen zwingen, für eine Steuergerechtigkeit den Klageweg zu beschreiten?“, will der Fröndenberger wissen.

Weskamp: „Eigentümer sollten Einspruch einlegen“

Denn erst 2024 erhielten diese den Bescheid über die Höhe der Grundsteuer und könnten vergleichen. Stellten sie dann fest, dass ihr Grundsteuerwert „zu hoch berechnet ist und sie die Einspruchsfrist dagegen innerhalb eines Monats nach Erhalt verpasst haben“, stehe die Steuerlast auf die Immobile für die nächsten sieben Jahre fest.

Weskamp weiter: „Wann setzen Sie sich für eine Korrektur des Grundsteuergesetzes ein? Noch ist es Zeit für eine Verbesserung beim Bundesmodell. Es wäre sehr gut, wenn Sie Stellung beziehen würden.“

Auch unsere Redaktion hat Oliver Kaczmarek um Stellungnahme gebeten. Weskamp will seinen Offenen Brief auch an die Landtagsabgeordneten aus dem Kreis Unna sowie an NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach schicken.

Grundstückseigentümer, die ebenfalls an der Gerechtigkeit des neuen Steuermodells zweifeln, will Bernd Weskamp mit dem Offenen Brief aktivieren. „Ich möchte erreichen, dass deutlicher wird, dass Einsprüche gegen die inzwischen eingegangenen Grundsteuerwertbescheide notwendig sind, damit eine spätere Veränderung wirksam wird“, sagt Weskamp.