Das Bundesverfassungsgericht hatte 2018 mit einem Urteil den Stein ins Rollen gebracht: Die bisherige Grundsteuer sei nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Dr. Oliver Lind fasst die Meinung der Richter in einfachen Worten zusammen: „Es wurde gesagt, dass man ungleiche Dinge nicht gleich behandeln kann.“
Der Satz von Hertens Kämmerer erscheint einerseits logisch, bedeutet andererseits aber für viele Immobilien-Eigentümer: höhere Abgaben ab dem neuen Jahr. Besonders betroffen: Besitzer von richtig alten Häusern. Lind: „Sie werden auf jeden Fall draufzahlen. Egal, für welchen Hebesatz wir uns entscheiden.“
In Linds Dezernat gab es in den vergangenen Wochen rauchende Köpfe, wie man den Wert bei der Grundsteuer B, der auf den vom Finanzamt festgesetzten Messbetrag angewandt wird, trotzdem einigermaßen sozialverträglich gestalten kann. „Es wurden verschiedenste Szenarien durchgerechnet.“ Doch eines käme unterm Strich stets heraus: „Es gibt immer Verlierer und Gewinner.“
Daher sei man zu der Entscheidung gekommen, den bisherigen Hebesatz von 920 beizubehalten. Nichts ändern soll sich auch am Hebesatz bei der Grundsteuer A für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft (aktuell bei 285). „Diese Variante habe ich bereits im Ältestenrat mit den Fraktionsvorsitzenden der Ratsparteien diskutiert“, so Lind. Deren Reaktion mache ihn zuversichtlich, dass die entsprechende Beschlussvorlage in der nächsten Sitzungsperiode ab November eine Mehrheit bekommt.

Das Land NRW hatte Herten zuvor empfohlen, im Fall eines einheitlichen Hebesatzes, diesen auf 944 zu erhöhen, um gleich viel einzunehmen wie vor der Reform. Denn darum geht es letztlich: Jede Variante, für die sich eine Stadt entscheidet, muss „aufkommensneutral“ sein.
Für Städte wie Herten, die wegen ihres hohen Schuldenstands einem Haushaltssicherungssicherungskonzept unterliegen, gelten besonders strenge Maßstäbe. Dass die Kommunalaufsicht seinen Hebesatz-Plan wieder kassiert, befürchtet der Kämmerer jedoch nicht: „Die günstige Ertragslage bei der Gewerbesteuer in diesem Jahr gewährt uns den finanziellen Spielraum, die 1,1 Millionen, die zur Aufkommensneutralität bei der Grundsteuer fehlen, abzudämpfen.“
Nachbarstadt nimmt völlig anderen Kurs
Die Option, gesplittete Hebesätze bei der Grundsteuer B ab 2025 anzubieten, zieht er nicht. Vom Land war für diesen Fall die Empfehlung gekommen, einen Wert von 781 auf Wohngrundstücke und von 1571 auf Gewerbeflächen anzusetzen.
Dies hätte, nach Linds Ansicht, die Abgabenproblematik aber nicht gelöst: „Dann würde etwa der Herr aus Westerholt immer noch mehr zahlen.“ Der Kämmerer bezieht sich auf Werner Speith, der für sein schmuckes Haus im Alten Dorf einen siebenfach höheren Grundsteuermessbetrag zahlen soll (wir berichteten). „Er ist mit seinem Einheitswert aus 1935 quasi genau der vom Verfassungsgericht gemeinte Fall, der bisher zu wenig gezahlt hat.“
Gleichzeitig hätte ein deutlich höherer Hebesatz bei Betriebsgrundstücken bedeutet, möglicherweise heimische Unternehmen zu verschrecken und die Ansiedlung neuer Betriebe zu erschweren. Die gut sprudelnde Einnahmequelle Gewerbesteuer (siehe oben) wollte Lind daher wohl nicht riskieren.
Eine völlig andere Linie fährt die Nachbarstadt Marl: Hier wird die Verwaltung versuchen, noch in diesem Jahr die Voraussetzungen für die Einführung getrennter Hebesätze bei der Grundsteuer B zu schaffen. Marl ist nach bisherigem Kenntnisstand die einzige Kommune im Kreisgebiet, die diesen Weg beschreitet.
Berechnung der Grundsteuer B: Diese Zahlen sind wichtig
Grundsteuerwert: Dafür entscheidend sind der Bodenrichtwert und die statistische Nettokaltmiete. Weitere Faktoren sind die Grundstücksfläche, die Grundstücksart und das Alter des Gebäudes.
Grundsteuermessbetrag: Er ergibt sich aus dem Grundsteuerwert, multipliziert mit der Grundsteuermesszahl. Diese richtet sich nach der Nutzungsart und wird jeweils vom zuständigen Finanzamt mitgeteilt.
Hebesatz: Damit entscheidet die Gemeinde mit über die Höhe der Grundsteuer. Er kann zwischen 0 und 1050 Prozentpunkten liegen.