Grundsteuer in Herten Klagewelle droht - Neues Gutachten warnt vor gesplitteten Hebesätzen

Grundsteuer: Gutachten setzt auch Hertens Nachbarstädte unter Druck
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Der Ergebnis einer Expertise zur nordrhein-westfälischen Grundsteuerreform im Auftrag des Städtetags NRW liegt nun vor. Die Professoren Steffen Lampert (Osnabrück) und Lars Hummel (Hamburg) kommen zu dem Schluss, dass unterschiedliche Hebesätze – wie sie die Landesregierung den Städten als Mittel gegen unverhältnismäßig hohe Grundsteuerabgaben ihrer Bürger empfiehlt – womöglich verfassungswidrig sind. Sie beziehen sich auf das Grundsteuergesetz des Bundes: Es sehe eine gleichmäßige Besteuerung von Gewerbe- und Wohnimmobilien vor. Betroffene – Privatleute wie Unternehmer – hätten daher gute Erfolgschancen bei einer Klage. Den Städten drohten gleichzeitig hohe Steuerausfälle.

Hertens Kämmerer Dr. Oliver Lind sieht sich somit in seiner Haltung bestätigt, in 2025 weiter einen einheitlichen Hebesatz bei der Grundsteuer B zu erheben (wir berichteten). Andere Städte geraten durch das neue Gutachten allerdings unter Zugzwang. Ein Blick in die Nachbarschaft.

Kämmerer sind in der Zwickmühle

Recklinghausen verfolgt als größte Stadt im Kreis Recklinghausen eine ähnlich vorsichtige Linie. Der Entwurf für den Haushalt des kommenden Jahres sieht vor, für Wohnungen und Gewerbeflächen denselben Hebesatz zu erheben. Allerdings: Anders als in Herten soll dieser steigen. Im Entwurf steht ein Wert von 788 Prozent bei der Grundsteuer B. Für 2024 liegt er noch bei 695. Recklinghausens Kämmerer Ekkehard Grunwald bleibt wohl keine andere Wahl: Da alle Städte bei der Grundsteuer gezwungen sind, „aufkommensneutral“ zu kalkulieren, muss – angesichts prognostizierter Steuerausfälle in RE von rund vier Millionen Euro – der Hebesatz rauf.

Seinem Kollegen Lind in Herten geben unerwartet gut sprudelnde Gewerbesteuer-Einnahmen dagegen offenbar einen gewissen finanziellen Spielraum, um beim Hebesatz alles beim alten zu belassen. Allerdings war dieser mit 920 ohnehin schon der zweithöchste im Kreisgebiet nach Gladbeck (950). Hüben wie drüben, haben die Ratsfraktionen das letzte Wort: In Herten findet die Sitzung am 4. Dezember statt, in Recklinghausen zwei Tage zuvor (2.12.).

Zwei Städte erwägen gesplittete Hebesätze

Marl, unsere andere Nachbarstadt im Kreis RE, ist dagegen auf einem anderen Kurs. Dort stellen die Finanzexperten aktuell Überlegungen an, die letztlich zu einem gesplitteten Hebesatz bei der Grundsteuer B führen könnten. Die Verwaltung will dem Stadtrat am 7. November die Wahl geben: Einheitliche Regelung – laut einer Empfehlung des NRW-Finanzministeriums müsste der Hebesatz dann von 790 Prozent auf 810 steigen – oder unterschiedliche Besteuerung. In letzterem Fall läge der vom Land empfohlene Hebesatz für Wohneigentum nur bei 697, für Gewerbeflächen aber bei 1238. Sämtliche Gedankenspiele könnten, angesichts des neuen Gutachtens, aber bald wieder überholt sein.

Das gilt auch für Gelsenkirchen: Dort erwägt man ebenfalls einen gesplitteten Grundsteuer-B-Hebesatz für 2025. Dieser würde laut Haushaltsentwurf dann voraussichtlich bei 694 Prozent (Wohngrundstücke) und 1385 % (Nichtwohngrundstücke) liegen. Bisher gibt es noch einen einheitlichen Satz (675).

Grundsteuer-Hebesatz in Herne muss massiv steigen

Marc Alexander Ulrich, Kämmerer in Herne, ist dagegen wie sein Hertener Kollege Lind der Meinung, dass es zu große juristische Unsicherheiten gibt: „Ich rate dringend davon ab, sich die Fehler des Landes NRW bei der Umsetzung der Grundsteuerreform zu eigen zu machen und differenzierte Hebesätze einzuführen“, sagte er am 4. September bei der Einbringung des Haushalts für 2025. Er schlägt vor, die durch das Finanzministerium vorgegebenen Hebesätze anzuwenden, „damit das Grundsteueraufkommen stabil bleibt“. Der neue Hebesatz läge dann bei 995 %, eine Erhöhung um fast 20 Prozentpunkte (bisher 830). Auch in dieser Nachbarstadt dürfte der Vorschlag daher zu heftigen Diskussionen führen. Die letzte Ratssitzung des Jahres findet am 10. Dezember in Herne statt.

Marcus Optendrenk (CDU), Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen, spricht bei einer Aktuellen Stunde im Landtag von Nordrhein-Westfalen zum Thema Grundsteuer.
Für den Kurs von NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU), hier bei einer Aktuellen Stunde zur Grundsteuer im Düsseldorfer Landtag. gibt es viel Gegenwind. © Henning Kaiser/dpa