
Kämmerer Dr. Oliver Lind ist um seinen Job nicht zu beneiden. Im November muss er den Ratsfraktionen bei der Haushaltsdebatte mitteilen, warum Herten erneut Schulden in Millionenhöhe anhäuft. Und schon jetzt hat er die unangenehme Aufgabe, den Bürgern zu erklären, warum es in ihrer Stadt keine gesplitteten Hebesätze geben wird, die finanzielle Belastungen durch die Grundsteuerreform 2025 abfedern könnten.
Lind hatte in der Frage die Qual der Wahl: Privatleute entlasten und Unternehmen belasten? Am Ende hat er sich für einen Mittelweg entschieden: Bei der Grundsteuer bleibt alles beim Alten. Das ist per se aber auch keine gute Nachricht: Der Hertener Hebesatz ist mit 920 schließlich der zweithöchste im Kreis RE.
Bundesländer wie Bayern müssen runter vom hohen Ross
Gleichzeitig habe ich Verständnis für die Entscheidung. Denn was bleibt den Finanzexperten im Rathaus übrig? Die Grundsteuer-Hebesätze sind eine ihrer wenigen Stellschrauben, um selbstbestimmt höhere Einnahmen zu generieren. Und die braucht Herten angesichts eines Schuldenbergs, der immer weiter wächst: Rund 20 Mio. Euro „Miese“ stehen im Haushalt 2024.
Aber letztlich hilft den überschuldeten Kommunen im Ruhrgebiet nur eine Maßnahme aus ihrem Schlamassel: ein Schuldenschnitt. Doch ausgerechnet in dieser existenziellen Frage schieben sich Bundesländer und -regierung den Schwarzen Peter zu. Gerade erst ist eine weitere Initiative zur Altschulden-Hilfe gescheitert, am Widerstand des reichen Bayerns. Dabei sollten Politiker im Freistaat doch wissen: Nach dem Zweiten Weltkrieg hat die Wirtschaft in NRW maßgeblich dazu beigetragen, dass auch im Süden, im damaligen Armenhaus Deutschlands, wieder blühende Landschaften entstanden. Wie sang Herbert Grönemeyer in „Bochum“: „Dein Grubengold hat uns wieder hochgeholt.“