Landwirt und grüner Ex-MdB Ostendorff hadert mit Habeck „Über die Regierung bestimmen nicht Treckerfahrer

 Ex-MdB Ostendorff zu Bauernprotesten: „Über die Regierung bestimmen nicht Treckerfahrer“
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Eigentlich gibt Friedrich Ostendorff ein ideales Feindbild für die Bauern ab, die gerade bundesweit auf die Barrikaden gehen: Auf dem Hof in Weddinghofen betreibt er seit Jahrzehnten Bio-Landwirtschaft. Und er saß bis 2021 im Bundestag: Für die bei den konventionell wirtschaftenden Bauern – vorsichtig formuliert – nicht gerade beliebten Grünen.

Dennoch hat Ostendorff Verständnis für die protestierenden Kollegen. Er hadert mit seinen eigenen Parteifreunden, namentlich mit Wirtschaftsminister Robert Habeck: „Ich bin enttäuscht, dass er die Entscheidung mitgetragen hat, den Agrardiesel zu streichen.“ Dabei sei Habeck Landwirtschaftsminister in Schleswig-Holstein gewesen und müsse eigentlich wissen, wie es den Bauern geht.

Das Thema Diesel sei für Bio-Bauern sogar noch wichtiger als für die konventionelle Landwirtschaft, sagt Ostendorff, der den Hof zum Jahresanfang an seine Tochter übergeben hat: „Weil wir keine chemischen Unkrautvertilgungsmittel verwenden, müssen wir mit unseren Maschinen häufiger aufs Feld und verbrauchen mehr Diesel pro Hektar.“

Dabei weiß der Mann, der die Grünen im Kreis Unna 1980 mitgegründet hat, um die Klimaschädlichkeit dieses Kraftstoffes: „Aber wir haben keine Alternative zum Diesel.“ Trecker mit Elektro-Antrieb existierten bisher bestenfalls als Prototyp. Und selbst wenn Modelle auf den Markt kämen, seien sie viel teurer als konventionelle Schlepper.

Demo gegen die L 821n
Friedrich Ostendorff ist durchaus protesterfahren. Hier demonstriert er gegen den Bau der L 821n. © Stefan Milk (Archiv)

Mit Blick auf die Proteste lobt Ostendorff ausdrücklich den Deutschen Bauernverband, mit dem er als grüner Agrarpolitiker mehr als einmal über Kreuz lag. Aber mit dem örtlichen Bauernvertreter Hans-Heinrich Wortmann aus Kamen habe er sich trotz unterschiedlicher Ansichten immer gut verstanden: „Das tun wir auch heute noch.“

2000 Traktoren gegen die Grünen in Münster

Dem Bauernverband hält Ostendorff vor allem zugute, sich schnell von radikalen Protestformen distanziert zu haben. Er denkt dabei an den Verband „Land schafft Verbindung“ (LSV): „Die fahren einen ähnlichen Kurs wie der Vorsitzende der Lokführer-Gewerkschaft Claus Weselsky.“

Wie massiv die LSV-Mitglieder auftreten, hat Ostendorff, der früher den Bundestagswahlkreis Coesfeld-Steinfeld II im Münsterland vertrat, beim Neujahrsempfang der Grünen in Münster gemerkt: „Die sind mit 2000 Traktoren vorgefahren.“

Dort hätten sie zum Sturz der Ampelkoalition aufgerufen. Solche Parolen lehnt Ostendorff ab: „Über die Regierung entscheiden nicht Treckerfahrer, sondern die Wählerinnen und Wähler.“ Im Kreis Unna habe der radikale LSV zum Glück längst nicht so ein Mobilisierungspotenzial wie im Münsterland. Das, so betont Ostendorff, liege auch am mäßigenden Einfluss des Bauernverbandes.

Friedrich Ostendorff mit Schweinen
Die Tierwohlabgabe hält Ostendorff für eine gute Idee. © Stefan Milk

Als positiven Effekt der – gemäßigten – Bauernproteste betrachtet Ostendorff, dass nun wieder Vorschläge der so genannten Borchert-Kommission auf die Tagesordnung rücken – zum Beispiel ein Aufschlag auf landwirtschaftliche Produkte, mit denen die Bauern Mehrkosten für das Wohl ihrer Tiere finanzieren könnten.

Ostendorff stritt mit der eigenen Fraktion

Er habe die Arbeit der Kommission unter der Leitung des ehemaligen Landwirtschaftsministers Jochen Borchert (CDU) immer unterstützt und es bedauert, als sie ihre Arbeit im vergangenen Sommer wegen fehlender Finanzierungskonzepte des Landwirtschaftsministers, Ostendorffs Parteifreund Cem Özdemir, eingestellt hat.

In Sachen Borchert-Kommission habe er häufiger mit der eigenen Partei gestritten, sagt der ehemalige Abgeordnete: „Bei einer Abstimmung über deren Arbeit hat sich meine Fraktion enthalten, ich habe jedoch mit Ja gestimmt. Das hat damals für großes Aufsehen gesorgt.“