Fünf Monate vor den Kommunalwahlen verharrt der Wettbewerb um die Position des Landrates weiter bei nur zwei Anwärtern: Während Amtsinhaber Mario Löhr (SPD) und Erneut-Kandidat Marco Morten Pufke (CDU) ihren Hut bereits in den Ring geworfen haben, lehnt die drittgrößte Partei im Kreis Unna dankend ab.
Niemand fand sich bis zur Kreismitgliederversammlung der Grünen kürzlich in Bönen, der oder die am 14. September in den Kampf um das höchste Verwaltungsamt im Kreis Unna einsteigen mochte. Seit 1999, als die Direktwahl um das Landratsamt eingeführt worden war, stellten die Bündnisgrünen stets eine Persönlichkeit aus ihren Reihen auf – wenn auch stets erfolglos.
Ranft: „Führen offensiven Wahlkampf“
Manches Argument klingt so, als ob der Verzicht eher freiwillig kam, und nicht so, als ob sich der grüne Kreisverband wegen einer ergebnislosen Kandidatensuche grämte. Kreissprecherin Regina Ranft richtet jedenfalls ihren Fokus ganz allein auf die beiden frisch gekürten „Spitzenkandidaten“ Anke Schneider und Michael Rotthowe.
„Wir werden mit unseren beiden Spitzen einen offensiven Wahlkampf machen“, sagt Ranft. So als ob eine weitere Person bei der Landratswahl dabei nur stören würde. Schneider und Rotthowe nehmen die Spitzenplätze auf der Wahlliste der Grünen für die Mandate im Kreistag ein.

Das Argument, dass im Wahlkampf nun stets ein Platz bei Podiumsdiskussionen, in Wahl-Arenen und auf Veranstaltungsbühnen frei bleiben werde, lässt Ranft nicht gelten. „Wir werden auf allen Foren vertreten sein“, kündigt die Unnaerin an.
Das nimmt Anke Schneider auch an. Wobei sie sich nicht sicher sein kann, dass auch die grünen Spitzenkandidaten stets eingeladen werden, wenn Debatten mit den Anwärtern auf das Landratsamt auf dem Programm stehen. „Ich hoffe, dass man damit fair umgeht“, sagt die Fraktionsvorsitzende im Kreistag – wohl in Richtung all derer, die die unterschiedlichen politischen Positionen vor der Wahl verbreiten helfen.
Schneider: „Chance im Team statt mit einer Person“
„Es hat niemand ,hier‘ geschrien“, sagt sie mit Blick auf den Kandidaturverzicht. „Ich bin auch von der Partei gefragt worden – aber das ist echt nicht mein Weg“, begründet die freiberufliche Grafikdesignerin ihre persönliche Entscheidung. Einen wochenlangen Wahlkampf mit ungewissem Ausgang könne sie als Selbstständige auch gar nicht finanzieren.
Von „Neubeginn“, spricht Schneider, die kein Problem darin sieht, dass ihre Partei dieses Mal nicht um den Chefposten im Kreishaus kämpft. „Wir haben jetzt eine echte Chance als Team und nicht als eine Person aufzutreten“, sagt die Kamenerin.

Ob das ein Hinweis auf eine endlich abzuschüttelnde Dominanz einer bestimmten Person bei den Kreisgrünen in der Vergangenheit sein soll, die lange Jahre Fraktionschef und dreimal Landratskandidat gewesen ist – nämlich Herbert Goldmann? „Das würde ich so nicht sagen“, antwortet Anke Schneider darauf einsilbig. Wenn man genau hinhört, klingt das nicht wie ein Dementi.
Herbert Goldmann selbst, der nach 31 Jahren im Kreistag im Herbst dieses Kapitel abschließt, geißelt die vergeblichen Bemühungen des grünen Kreisverbandes, eine Person mit Format bei der Landratswahl aufzustellen, schon fast als Unfähigkeit.
Goldmann: „Müssen grüne Inhalte transportieren“
„Es ist erschreckend, dass uns das nicht gelungen ist“, sagt der Fröndenberger. „Ich brauche jemand, der dem politischen Diskurs gewachsen ist, der in der Lage ist, grüne Inhalte zu transportieren“, schiebt der 70-Jährige nach. Ob er den agierenden Parteifreunden diese Fähigkeit abspricht, sagt Goldmann so auch nicht.

Dass er sich persönlich gekränkt fühlt, nicht nach seiner Meinung und Expertise gefragt worden zu sein, sendet der Ex-Landtagsabgeordnete dennoch aus: „Wenn der Kreisvorstand kein einziges Gespräch mit der Fraktion führt, sehe ich das nicht als vertrauensbildende Maßnahme.“ Das ist ein Pfeil Richtung Regina Ranft und Christoffer Diedrich, den beiden Kreissprechern.
Das sei „etwas, was Bitterkeit hinterlässt“; selbst losgelassen habe er aber, versichert Herbert Goldmann, aus freien Stücken, er gehe „ohne Groll“. Zu einem politischen Schwergewicht bei den Grünen geworden ist nach seinem Mandat im Bundestag unterdessen Michael Sacher.
Sacher: „Prinzipiell als Grüne bei Landratswahl antreten“
Für ihn selbst sei die Kandidatur nicht in Frage gekommen, weil er „relativ plötzlich“ seinen Sitz in Berlin verloren und sich mit dem Chefsessel im Kreishaus gedanklich nicht befasst habe. Er räume zwar ein, dass er als kleiner Junge nie davon geträumt habe, einmal Landrat zu werden.
Aber er respektiere zugleich die Bedeutung dieses Amtes, in dem man „ganz viel Strukturelles anpacken kann“, nicht zuletzt eine ökologische Politik befördern. Wenn die Grünen nun einmal keinen geeigneten Kandidaten gefunden hätten, sei ein Verzicht besser als etwas „Halbgares“.
Antreten solle man im Prinzip aber schon, selbst wenn das beste Ergebnis der Grünen rund 18 Prozent bei der Wahl 2020 war, weit entfernt vom Wahlsieg. „Die Erfolgsaussichten sind nicht das Entscheidende“, so der 60-Jährige. Denn der VfL Bochum, erinnert Michael Sacher, konnte vor dem Spiel kürzlich ja auch nicht bei den Bayern gewinnen: „Und dann geht es doch.“