Ein Wolf (Canis Lupus Lupus) steht in einem Gehege des Biotopwildpark Anholter Schweiz.

Wie viele Wölfe tatsächlich im Wolfsgebiet Schermbeck sesshaft sind, lässt sich nicht ganz genau feststellen (Symbolbild). © picture alliance/dpa

Großes Rätselraten um die Zahl der Wölfe im Wolfsgebiet Schermbeck

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Mit „Gloria“ hat 2018 alles begonnen. Auch im Territorium Hohe Mark ist ein einsamer Wolf heimisch geworden. Die Schätzungen über die Gesamtzahl der Tiere in der Region gehen auseinander.

von Kai Süselbeck

Kreis Recklinghausen

, 09.10.2022, 14:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Mit dem Fund einer Kotprobe der Wölfin GW954f, später „Gloria“ getauft, begann die Geschichte des Wolfsgebietes Schermbeck. Die Wölfin paarte sich mit ihrem Halbbruder mit der Kennung GW1587m und warf Nachwuchs. Soweit bekannt. Inzwischen wurden weitere Wölfe nachgewiesen. Sind sie hier heimisch geworden? Haben sie Nachwuchs?

Wilhelm Deitermann, Sprecher des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv), fasst zusammen, „was wir ganz sicher wissen: Im Territorium Schermbeck gibt es Nachweise aus 2022 von GW954f und GW1587m. GW954f ist die erste Wölfin, die sich ein Territorium in NRW gesucht hatte. Gemeinsam mit GW1587m hat sie dann das erste Rudel gebildet, die ersten Welpen waren die logische Folge.“

Spaziergänger stecken Welpen unter die Dusche

Der erste Nachkomme der Schermbecker Wölfe (GW2089m) hat das Wolfsgebiet inzwischen verlassen und hat sich auf den Weg Richtung Westen gemacht. Seine Spuren fanden sich in den Niederlanden und Belgien. Seit Januar 2022 wissen die Experten, dass 2021 mindestens vier Welpen zur Welt gekommen sind, eine Fähe und drei Rüden. Das Weibchen wurde als erstes identifiziert, und zwar ziemlich spektakulär: Spaziergänger hatten am 27. Juni 2021 bei Hünxe vermeintlich einen jungen verletzten Schäferhund entdeckt, mit nach Hause genommen und unter der Dusche mit Shampoo gesäubert.

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Erst der Tierarzt, der die Wunde behandelte, klärte die Finder auf: Ihr wisst schon, dass das kein Hund ist? Er nahm eine DNA-Probe und sorgte dafür, dass das Weibchen wenige Stunden später wieder ausgewildert wurde. „Shampoo-Wölfchen“ hat der Naturschutzbund (Nabu) Bottrop wegen dieser Geschichte die Fähe GW2307f getauft.

Die Spur von „Shampoo-Wölfchen“ verliert sich

Das war aber auch die letzte Spur von ihr, sagt der Lanuv-Sprecher. Seither habe es „keine Nachweise“ von „Shampoo-Wölfchen“ mehr gegeben. Ihren Bruder GW2596f, als letztes der vier Jungtiere im Januar 2022 in Hünxe identifiziert, vermutet der Nabu dagegen noch im Wolfsgebiet, weil es einen vergleichsweise frischen Nachweis vom Juli gibt. Hinter seine Brüder GW2428m und GW2551m setzt der Nabu ein Fragezeichen, weil sie sich wie ihr älterer Bruder aus dem Vorjahr schon auf Wanderschaft begeben haben könnten. Könnte sein, hieß es dazu im Mai vom Lanuv: „Jungwölfe verlassen zu individuell sehr unterschiedlichen Zeitpunkten das Territorium ihrer Eltern.“ Allerdings machten sie sich spätestens am Ende des zweiten Lebensjahres auf den Weg und machen dann weite Wege auf der Suche nach einem neuen Revier.

Dieses Foto aus dem Oktober 2020 soll die Schermbecker Wölfin nach dem Überspringen eines Zauns auf einer Kirchhellener Weide zeigen.

Dieses Foto aus dem Oktober 2020 soll die Schermbecker Wölfin nach dem Überspringen eines Zauns auf einer Kirchhellener Weide zeigen. © Bürgerforum Gahlen / Vornbrock

So viel zu Glorias Familiengeschichte. Wie der Naturschutzbund geht das Lanuv davon aus, dass im nördlichen Teil des Wolfsgebietes zwischen Reken im Kreis Borken und Haltern ein einsamer Wolf heimisch geworden ist: „Im Territorium Hohe Mark gibt es Nachweise von GW2347m seit mehr als einem Jahr“, sagt Deitermann. „Das Tier ist nach den Monitoringstandards als territorial einzustufen.“ Soll heißen: Er wird bleiben, der etwa zwei Jahre alte Rüde, aus Niedersachsen eingewandert.

Augenzeugen berichten von einem neuen Wolfspärchen

Und dann ist da noch das potenzielle Wolfspärchen nördlich des Lippe-Seiten-Kanals, von dem Augenzeugen seit Februar berichten. Im Juli wurden die Fähe und der Rüde identifiziert als GW2890f und 2889m. Sind die beiden ein Paar?

Deitermann formuliert vorsichtig: „Die beiden Nachweise von ,neuen‘ Individuen im Wolfsgebiet Schermbeck (keine Verwandtschaft mit den bislang bekannten Individuen) können erst nach Vorliegen von einem Territoriumsnachweis (also frühestens im Januar 2023) oder dem Nachweis eines Paars/Rudels als territorial eingestuft werden. Ob sich die beiden neuen Wölfe in Schermbeck ansiedeln oder bereits eine Paarbildung stattgefunden hat, kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht abschließend geklärt werden.“ Allerdings gibt es Menschen, die wollen bereits Bilder von Welpen des Paares gesehen haben.

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Zurück zur Anfangsfrage: Wie viele Wölfe gibt es im Wolfsgebiet Schermbeck? Als sesshaft nachgewiesen höchstens vier, sagt der Lanuv-Sprecher: „Im Territorium Schermbeck sind derzeit maximal drei Tiere bekannt, im Territorium Hohe Mark ein Tier.“ Nabu-Vorsitzender Rolf Fricke sagt: „Unseren Überlegungen nach sind vermutlich zwischen sechs und acht erwachsene Wölfe im Wolfsgebiet Schermbeck und den angrenzenden Territorien unterwegs. Das halten wir für eine konservative Schätzung.“

Wolfsgebiete in NRW

  • In Nordrhein-Westfalen gibt es insgesamt vier ausgewiesene Wolfsgebiete: Neben dem Wolfsgebiet Schermbeck (zu dem auch Dorsten gehört, weitere Städte des Kreises RE liegen in der Pufferzone) sind das Senne, Eifel-Hohes Venn und Oberbergisches Land. 96 Wolfsnachweise gab es im Jahr 2020 im gesamten Bundesland.
  • Der Bereich Schermbeck gilt seit 2018 als Wolfsgebiet, als Gloria im April erstmals nachweislich ein Schaf gerissen hat. Gloria entstammt der niedersächsischen Wolfsfamilie bei Schneverdingen. Das Wolfsgebiet ist knapp 1000 Quadratkilometer groß.