Großeinkauf mit dem Fahrrad und nicht mit dem Auto. Das hat etwas Entspanntes, weil man über den Sesekeweg eine gute Anbindung zum Gewerbegebiet an der Lünener Straße hat.

© Janecke

Großeinkauf mit dem Lastenrad: „Verkaufst du Eis und Cocktails?“

rnPraxistest mit Video

Ein Lastenrad im Praxistest: Emil, das neue Kamener Stadtrad, ist ein echtes Raumwunder, mit dem der Wochenendeinkauf problemlos zu meistern ist. Manche denken aber, der Eisverkäufer kommt.

Kamen

, 23.09.2021, 17:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Da ist er nun, Emil, mein neuer Teilzeit-Freund.

Zwei Tage lang steht mir das neue Lastenrad der Stadt Kamen, das diesen kumpelhaften Namen trägt, zur Verfügung.

Emil ist die Abkürzung für Elektromobilität mit Leidenschaft. Ein Mobil, das auch Leiden schafft. Doch dazu später. Jetzt geht es erst einmal darum, wie praxistauglich dieser Emil ist.

Beim Einkaufen schindet das Rad mit der großen Transportbox vorm Lenker zumindest Eindruck. „Verkaufst du Eis und Cocktails?“, fragt ein Mann vor dem Rewe an der Lünener Straße und grinst. Da muss ich ihn enttäuschen. „Nee, hab leider nur Leergut dabei.“

Da passt was rein. Die drei Getränkekisten sind in der Transportbox locker unterzukriegen. Auf dem Rückweg geht es mit zwei Kisten und dem Wocheneinkauf zurück.

Da passt was rein. Die drei Getränkekisten sind in der Transportbox locker unterzukriegen. Auf dem Rückweg geht es mit zwei Kisten und dem Wocheneinkauf zurück. © Carsten Janecke

Bulliges Bike mit großem Fassungsvermögen

Und da sind wir schon mitten im Praxistest des Lastenrads von Butchers&Bicycles, eine dänische Rad-Manufaktur mit Sitz in Kopenhagen. Mit ca. 7.000 Euro Anschaffungspreis ist das Stadtrad ein echtes Luxusgut, das man nicht gern unbeaufsichtigt abstellt.

Das bullige Bike auf drei Rädern hat ein enormes Fassungsvermögen. Drei Getränkekisten habe ich hinein gewuchtet, es wäre noch Platz für einige Kleinigkeiten. Außerdem noch drin, wie ich beim Parken vorm Getränkemarkt feststelle. Das Netzteil zum Aufladen.

Weil die Transportbox nur einen Regenschutz hat und nicht abschließbar ist, traue ich mich nicht, das Gerät unbeaufsichtigt dort zu lassen und schleppe den Beutel mit in den Laden. „Ist da Leergut drin?“, fragt der Verkäufer freundlich. Als ich ihm erkläre, was drin ist, kichert er.

Eine Leidenschaft, die Leiden schafft

Bei dem Test gibt es nicht immer was zu kichern. Das große Bike zu handhaben, ist gewöhnungsbedürftig. Ohne die Feststellbremse zu ziehen, rollt es selbst bei geringstem Gefälle davon.

Das passiert mir nur einmal. Als ich schnell hinterher hechte, weil es auch noch droht, umzukippen, knalle ich gegen die Pedalen und schlage mir das Schienbein auf. Toll – also doch eine Leidenschaft, die Leiden schafft. Die Feststellbremse am Lenker geht so schwer, dass sich rasch eine Blase, blutunterlaufen, am Zeigefinger bildet. Damit ist die Leidensgeschichte aber schon abgeschlossen.

Es folgen viele Lichtblicke. Den Wocheneinkauf samt Getränken ohne Auto zu erledigen, ist ziemlich entspannt und erinnert an einen Ausflug.

Knappe Kiste – beim Wechsel von Gertrud-Bäumer-Straße auf den Eilater Weg ist Lenkerspitzengefühl gefragt.

Knappe Kiste – beim Wechsel von Gertrud-Bäumer-Straße auf den Eilater Weg ist Lenkerspitzengefühl gefragt. © Carsten Janecke

Nicht einfach, auf schmalen Radwegen Spur zu halten

Emil ist raumgreifend. Es ist nicht einfach, auf den schmalen Radwegen Spur zu halten. Dabei geht es auch mal über Baumscheiben oder übers Grün. Knifflig wird es immer, wenn Hastsperren oder Poller kommen. Das Dreirad passt zwar durch, das Timing muss aber stimmen. auf manchen Kreisverkehren hat man eine Bordsteinkante direkt unter sich. Auf dem Sesekeweg behindern die hohen Poller des Lippeverbandes. Dann geht es oft im Schritttempo weiter – die große Durchzugskraft des E-Motors nutzt dann wenig. Manchmal ist Absteigen angesagt, um die Schikanen zu meistern. Es soll bloß keine Schramme ans neue Stadtrad geraten.

Emil ist raumgreifend. Nicht einfach, auf den Radwegen Spur zu halten. Dabei geht es auch mal über Baumscheiben oder übers Grün.

Emil ist raumgreifend. Nicht einfach, auf den Radwegen Spur zu halten. Dabei geht es auch mal über Baumscheiben oder übers Grün. © Janecke

Zwei Schlösser sorgen für Sicherheit

Und es soll mir nicht abhanden kommen. Zwei Schlösser, ein Rahmenschloss und ein herkömmliches Kabelschloss, sind vorhanden. Trotz doppelter Sicherheit lasse ich es nicht draußen stehen. Das Auto muss für zwei Nächte aus der Garage und draußen stehen.

Und da ist man schon bei einem entscheidenden Punkt: Wohin mit Emil? Eine freie Garage wäre super. Die wäre hier aber nur frei, wenn ich das Auto in den Wind schießen würde. Eine Überlegung, der ich mich vielleicht irgendwann stelle. Konsequent wär´s, aber auch verbunden mit vielen Konsequenzen. Immerhin: Die Fahrt zur Tankstelle entfiele, getankt würde nur noch an der Steckdose. Und die Reichweite von ca. 175 Kilometern ist auch nicht zu verachten.

Vorsichtig durch die Poller. Hier ist genug Platz, dessen ist sich der Radfahrer aber gerade nicht sicher. Mehr Übung würde helfen.

Vorsichtig durch die Poller. Hier ist genug Platz, dessen ist sich der Radfahrer aber gerade nicht sicher. Mehr Übung würde helfen. © Carsten Janecke

Mit Neigetechnik durch die Kurve

Wer auf dem voluminösen Rad sitzt, der muss sich an das Fahren erst einmal gewöhnen. Emil gehorcht nur, wenn man die Neigetechnik der flexiblen Achse nutzt. Will man die Richtung ändern, muss man sich – wie beim Motorradfahren – in die Kurve legen, ansonsten kriegt man dieselbe nicht.

Zudem: Der Wendekreis ist gefühlsmäßig so groß wie beim Trecker. Objektiv stimmt das natürlich nicht. Will man auf seiner Auffahrt wenden, muss man das Bike allerdings einige Male hin und her schieben, bis es in der erwünschten Fahrtrichtung steht.

Adieu, liebes Automobil?

Fazit: Emil ist zwar ziemlich ausladend, dafür aber ein echtes Raumwunder. Mit etwas Übung liegt man mit dem Rad gut auf der Straße, der kraftvolle E-Motor schiebt ordentlich an. Wer das Rad sicher und wettergeschützt abstellen will, muss schon etwas Platz haben, bestenfalls in einer Garage. Und dann heißt es vielleicht irgendwann wirklich: Adieu, liebes Automobil...