Ausgerechnet im Jubiläumsjahr steckt das Grimme-Institut in einer schweren Krise. Wie es ein drohendes Finanzloch von 430.000 Euro stopfen kann, ist offen.
2009/2010 hatte das Institut bereits einmal die Insolvenz abgewendet. Damals hatte sich sein Prokurist gut 76.000 Euro selbst bewilligt - fälschlich und ohne Einschaltung des Aufsichtsrats. Er wurde gefeuert. Droht aktuell wieder die Pleite? Seit Anfang November laufen die Drähte heiß.
Den Markenkern absichern
Wie ernst die Lage sein muss, zeigt eine Stellungnahme der Grimme gGmbH. Während das Institut sonst offen und professionell kommuniziert, erhält unsere Redaktion am Freitag ein verwickelt formuliertes Statement aus dem Kreis der Gesellschafter. Ziel sei es, dem Institut eine zuverlässige Perspektive zu geben. Eine Unternehmensberatung - nach unseren Informationen die Münchener actori GmbH - schlägt „Sanierungsmaßnahmen“ vor: die „inhaltlich-strategische Fokussierung des Instituts“.
In der „Kulturzeit“ des Fernsehsenders 3sat sprach Medienminister Nathanael Liminski (CDU) von einer Perspektive für das Institut, „die die Kernfunktionen aufrechterhält. Ich glaube, das Institut muss sich fokussieren.“ Was meint der Minister damit?

Markenzeichen des Grimme-Instituts war von Beginn an der Grimme-Preis - die renommierteste deutsche Auszeichnung für gutes Fernsehen. Jedes Jahr wird er im Theater Marl als unterhaltsame Gala präsentiert und vom Sender 3sat ausgestrahlt. Aus Sicht des Landes soll das Grimme-Institut durch die Preisverleihungen zur Sicherung von Medienqualität beitragen. Das teilt uns das Büro des Ministers auf Nachfrage mit.
35 Jahre lang trug er die Handschrift von Dr. Ulrich Spies. Der Marler, Glücksbote für mehr als 1000 Film- und Fernsehgrößen, machte aus der staatstragenden Volkshochschul-Feier eine fernsehtaugliche Gala. Zu seinem Abschied wurde er sogar vom damaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck gelobt. (Merkwürdig nur: In der Festschrift „50 Jahre Grimme-Institut“ wird Ulrich Spies mit keinem Wort erwähnt.)
Grimme-Preis 2024 fest terminiert
In den letzten zehn Jahren entwickelte Leiterin Lucia Eskes den Grimme-Preis. Bereits im September sah sich die Nominierungskommission Fiktion erste Beiträge für den Wettbewerb 2024 an. Ein Blick ins Netz zeigt: Er ist fest terminiert - von den Jurysitzungen bis zur Gala im Theater. Für 2024 sind Mittel in gleicher Höhe wie im Vorjahr zum Landeshaushalt angemeldet, teilt das Minister-Büro mit.
Am Grimme-Preis wird also nicht gerüttelt, auch wenn er unter erschwerten Bedingungen stattfindet. Auch mit dem Grimme Online Award für Qualität im Internet und der Grimme-Akademie zeigt das Institut Profil. Die Akademie bildet den jungen Mediennachwuchs aus und geht mit Vorträgen und Workshops aktiv gegen Hass-Sprache und Fake News vor.
Weichen werden gestellt
Diese Kernaufgaben dürften nicht gefährdet sein. Wohl aber Bildungs- und Forschungsprojekte wie die „Schnittstellen- und Diskursplattform Medienbildungshub“. Und damit die Stellen der Mitarbeiter. Zurzeit arbeiten 24 Beschäftigte im Grimme-Team. Auch über die Zukunft von Grimme-Direktorin Dr. Frauke Gerlach wollen die Gesellschafter „ergebnisoffen beraten“. Eine Entscheidung stehe noch nicht an.
Der Vertrag der 59-jährigen Juristin läuft zum 30. April 2024 aus. Für eine dritte Amtszeit brachte sie sich ins Gespräch. Zurzeit schlägt ihr aber Gegenwind entgegen. Die Stuttgarter Zeitung schreibt über das „Schweigen aus Marl“. Und der in Marl mit dem Bert-Donnepp-Preis ausgezeichnete Publizist Michael Hanfeld ätzt in der Frankfurter Allgemeine unter dem Titel „Gütesiegel ohne Wert“, das Institut dämmere vor sich hin und sorge außerhalb der Preise für wenig Diskussionsstoff.
In der nächsten Woche tagen Gesellschafter und Aufsichtsrat. Wieder werden Weichen gestellt.
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