Zuschauer vor dem Einlass für die Aufführung von "Tod auf dem Nil" mit Gil Ofarim.

© Carsten Fischer

Theaterabend mit Gil Ofarim beginnt unter Polizeischutz

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Der Schauspieler Gil Ofarim hatte via Instagram angeprangert, wie er in einem Hotel in Leipzig antisemitisch angefeindet worden sein soll. Nun stand er in Kamen auf der Bühne. Wie reagierte das Publikum?

von Carsten Fischer, Klaus-Dieter Hoffmann

Kamen

, 08.10.2021, 05:00 Uhr

Hunderte Theaterzuschauer haben am Donnerstagabend eine Krimi-Aufführung mit dem Schauspieler Gil Ofarim in Kamen besucht. Der Auftritt in der Konzertaula wurde mit Spannung erwartet, nur zwei Tage nachdem Ofarim in einem millionenfach abgerufenen Instagram-Video Antisemitismus-Vorwürfe erhoben hatte. Beim Check-In in einem Hotel in Leipzig soll ein Mitarbeiter den Münchner antisemitisch angefeindet haben, weil er eine Davidstern-Kette trug.

Vor dem Hintergrund der ausgelösten Diskussion über Antisemitismus und Zivilcourage in Deutschland waren die Gastgeber der Theateraufführung sensibilisiert. Das zeigte sich dadurch, dass der Theaterabend unter Polizeischutz begann. Zwei Beamte waren an der Eingangstür postiert, während über 600 Zuschauer eintrafen. Ofarim stand beim Krimi „Tod auf dem Nil“ auf der Bühne.

Reporter Carsten Fischer schildert erste Publikumsreaktion

Antisemitismus-Vorwürfe gegen Leipziger Hotel

Ofarim hatte in seinem Instagram-Video geschildert, dass ihn ein Leipziger Hotelmitarbeiter am Montagabend aufgefordert habe, seine Kette mit Davidstern abzunehmen. Der beschuldigte Hotelmitarbeiter erstattete laut Polizei Anzeige wegen Verleumdung. Er soll den Vorfall deutlich anders als der Künstler schildern. Ofarim beabsichtige ebenfalls, Anzeige zu erstatten, wie seine Managerin der Bild-Zeitung sagte. Die Ermittlungen der Polizei laufen.

Im Vorfeld der Aufführung in Kamen stand Ofarim nicht für ein Interview zur Verfügung. Bei Stern TV bekräftigte er seine Vorwürfe am Mittwochabend und schilderte die Reaktion der in der Nähe stehenden Gäste: „Keiner hat den Mund aufgemacht. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass das keiner gehört hat.“ Er hätte sich in dem Moment Zivilcourage gewünscht.

Dass ausgerechnet der Darsteller des Mörders aus Agatha Christies Krimi unter dem Schutz der Kamener Polizei stand, hatte mit der Wirklichkeit zu tun, die in den letzten Tagen eine „verrückte Geschichte“ geschrieben hatte. „Verrückte Geschichte“ – das waren jedenfalls die ersten Worte, die bei dem Theaterabend auf der Bühne fielen, und fast wie ein Kommentar zur Realität wirkten.

Gil Ofarim in der Rolle des Simon Doyle auf der Bühne in der Konzertaula.

Gil Ofarim in der Rolle des Simon Doyle auf der Bühne in der Konzertaula. © Klaus-Dieter Hoffmann

Das Theaterstück selbst hatte durch ein pfiffiges „Storyboard“ mit witzigen Dialogen und Szenen gegenüber der Buchvorlage und nicht zuletzt aber aufgrund aller Mimen, die mit großer Spielfreude agierten, seinen ganz besonderen Reiz. Selbst Meisterdetektiv Hercule Poirot, der sonst fortwährend seine logischen Erkenntnisse verbal kundtut, musste dieses Mal wegen drehbuchmäßiger Heiserkeit schweigen und die Erkenntnisse zur Tataufklärung seinem Pendant Pfarrer Andrew Pencotter überlassen, was für Poirot-Fans sicherlich erst einmal gewöhnungsbedürftig ist.

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War es vielleicht eine Art von Solidaritätsbezeugung des Kamener Publikums gegenüber Gil Ofarim, als schon kurz nach der Öffnung des Vorhangs sowie nach dem kurzen Eingangsdialog zwischen Detektiv Hercule Poirot und Pfarrer Andrew Pencotter, bei dem Gil Ofarim nur einen kurzen wortlosen Auftritt als Randfigur hatte, starker Beifall aufbrandete?

Kräftiger Applaus und jede Menge Jubelrufe für die gesamte Schauspieltruppe am Ende der Vorstellung.

Kräftiger Applaus und jede Menge Jubelrufe für die gesamte Schauspieltruppe am Ende der Vorstellung. © Klaus-Dieter Hoffmann

Insgesamt hat Ofarim seine Mitspielerinnen und Mitspieler darstellerisch nicht überstrahlt, vermutlich war er ja von den Ereignissen in Leipzig noch ziemlich mitgenommen. Dass die Stimme leicht niedergeschlagen klang, lag aber vielleicht auch an der Figur des Simon Doyle, der finstere Absichten unter seinem Gewande trug.

Am Ende des Theaterstückes, das seine Spannung durch geschickte Szenenwechsel bekam, gab es vom Publikum kräftigen Applaus und jede Menge Jubelrufe für die gesamte Schauspieltruppe der Theaterproduktion „Carpe Artem“ aus München.

Auf die sonst obligatorische Autogrammstunde nach Ende der Vorstellung wurde verzichtet. Nur Gewinner von „Meet & Greet“-Karten hatten etwas Glück und konnten Ofarim treffen.