Das Foto zeigt Klägeranwalt Elmar Giemulla aus Berlin.

© Werner von Braunschweig

Germanwings-Prozess: „Innen ist alles kaputt“

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Am Mittwoch startete am Essener Landgericht ein erster Schmerzensgeldprozess des Germanwings-Absturzes. Ergebnisse gab es noch nicht – brisante Signale allerdings schon.

Essen/Haltern

, 06.05.2020, 19:37 Uhr / Lesedauer: 2 min

Diese Worte gingen unter die Haut. Als am Essener Landgericht am Mittwoch der erste Schmerzensgeld-Prozess um den Germanwings-Absturz vor rund fünf Jahren begann, war auch eine Mutter aus Haltern erschienen. Sie hat bei der Katastrophe ihre einzige Tochter verloren. „Nach außen lebt man weiter, innen ist alles kaputt“, sagte sie leise.

Ein Ergebnis gab es am Ende des Verhandlungstages nicht. Die Richter signalisierten den Hinterbliebenen der Absturzopfer jedoch bereits, dass ihre Klagen wohl ins Leere laufen - weil die Lufthansa der falsche Adressat der Klagen sein könnte.

Auch Klaus Radner, der durch das Unglück am 24. März 2015 seine Tochter, seinen Schwiegersohn und sein Enkelkind verloren hat, ist gekommen. „Mir ist es wichtig, dass festgestellt wird, dass ein Mensch mit so einer Vorerkrankung nie in einem Cockpit hätte sitzen dürfen“, so Radner.

Die Hinterbliebenen wollen Antworten

In den Klagen der Hinterbliebenen geht es zwar de facto um insgesamt rund sieben Millionen. Doch allein die Worte von Klaus Radner lassen erahnen, dass Geld nicht der Hauptgrund dafür ist, warum die Hinterbliebenen juristisch gegen die Lufthansa vorgehen. „Mir würde es reichen, dass die Schuldigen zur Rechenschaft gezogen werden“, sagt er. Was die meisten Hinterbliebenen wohl wirklich wollen, sind Antworten auf die vielen offenen und quälenden Fragen.

Klägeranwalt Elmar Giemulla aus Berlin hat bei der Suche nach den Schuldigen unter anderem eine Lufthansa-Flugschule in den USA im Visier. Dort hatte der Copilot der Unglücksmaschine seine Ausbildung beendet – wegen angeblicher Depressionen allerdings nur mit einer Sondergenehmigung. Deshalb müsse auch die Verantwortung der Fliegerärzte geprüft werden. „Dass ein Selbstmörder durch die Sicherheitsvorkehrungen geglitten ist, darf nicht passieren“, legt sich Anwalt Giemulla fest. „Es ist aber passiert – und umso tiefer ist der Schmerz.“

„Dass so ein Unglück passiert, war in keinster Weise vorhersehbar“

Die Richter haben am Donnerstag bereits signalisiert, dass die medizinische Überwachungspflicht auch Aufgabe des Staates sein könnte. Dann wäre möglicherweise das Luftfahrbundesamt und nicht die Lufthansa der passende Adressat der Schmerzensgeldklagen. Die Vertreter der Lufthansa betonten, dass dem Unternehmen aufgrund der ärztlichen Schweigepflicht frühere gesundheitliche Probleme des Copiloten gar nicht bekannt gewesen seien. „Dass so ein Unglück passiert, war in keinster Weise vorhersehbar“, hieß es.

Am 1. Juli 2020 wollen die Richter eine Entscheidung verkünden. Beide Seiten haben bis Anfang Juni noch einmal Zeit, ihre Standpunkte zu untermauern.

Die Lufthansa hatte nach früheren Angaben an nächste Angehörige bereits pro Person 10.000 Euro Schmerzensgeld gezahlt, für jedes Todesopfer sollen außerdem 25.000 Euro als sogenanntes vererbbares Schmerzensgeld gezahlt worden sein. Laut Anwalt Elmar Giemulla sind diese Summen jedoch „viel zu niedrig“ angesichts der Dimension dieser Katastrophe. „Mit dieser Bürde zu leben, verlangt eine Entschädigung. Und eine zu geringe Entschädigung ist kein Entschädigung – es ist eine Beleidigung.“