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Gericht verpflichtet Vredener Landwirt, seinen Rindern Auslauf zu gewähren
Anbindehaltung
Veterinäre des Kreises Borken hatten auf einem Betrieb in Vreden bei Kontrollen Scheuerstellen bei Rindern festgestellt. Der Kreis verordnete Auslauf. Dagegen hatte der Landwirt geklagt.
Das Verwaltungsgericht Münster hat am Montag einen Landwirt aus dem Kreis Borken dazu verpflichtet, seinen ansonsten in Anbindehaltung stehenden Rinder auf einem Hof in Vreden zumindest in den Sommermonaten täglich für mindestens zwei Stunden freien Auslauf zu gewähren. Damit wurden ein Gerichtsbeschluss aus der Vergangenheit und eine Anordnung des Kreisveterinäramtes vom August 2019 bestätigt.
Die Behörde hatte den zeitweisen Zugang der ansonsten an ihrem Platz im Stall fix angebundenen Kühe ins Freie zumindest von Anfang Juni bis Ende September gefordert. Die Veterinäre hatten bei Kontrollen Kühe vorgefunden, die mit dem Hinterteil auf einem Rost lagen. Sie stellten Scheuerstellen bei den Tieren fest. Stroh oder Gummimatten zur Linderung der Druckstellen fehlten ebenso wie Hinweise darauf, dass die Kühe Auslauf hatten. Gegen die Anordnung des Kreisveterinäramtes hatte der Landwirt geklagt – und unterlag jetzt.
Obschon diese Form der Rinderhaltung nicht grundsätzlich verboten sei, führe sie über das ganze Jahr zu einer „deutlichen Einschränkung artgerechter Verhaltensweisen der Rinder“, so das Verwaltungsgericht in einer Mitteilung. Es sei davon auszugehen, dass die vom Landwirt praktizierte ganzjährige Anbindehaltung mit „erheblichem Leiden“ verbunden sei. Rindern in dieser Haltungsform müsse also zumindest zeitweise Auslauf auf die Weide, einen Paddock oder einen sogenannten Laufhof gewährt werden.
Im Übrigen seien die noch bestehenden Anbindehaltungen nur im Rahmen einer Übergangsfrist zu dulden und dann auch nur, wenn die Tiere täglich freie Bewegung hätten. Davon könne nur abgewichen werden, wenn der Bauernhof beengt mitten im Dorf liege oder extremes Wetter herrsche. Beides treffe aber auf diesen Fall nicht zu. Auch das Kreisveterinäramt hatte argumentiert, die vom Landwirt praktizierte Haltung lasse sich mit „den Geboten der verhaltensgerechten Unterbringung und der artgemäßen Bewegung nicht vereinbaren.“
Rechtsanwalt des Landwirts prüft Möglichkeit einer Berufung
Dem hatte der Landwirt entgegengehalten, dass er einen Auslauf für seine Rinder für nicht erforderlich halte, weil die Tiere einen Außenstall hätten. Im Übrigen, so der Landwirt, sei die bei ihm praktizierte Form der Tierhaltung vom Tierschutzgesetz nicht untersagt. Ob der Landwirt das Urteil akzeptiert, ist noch unklar. Sein Anwalt sagte unserer Zeitung, dass „die Möglichkeit einer Berufung noch geprüft“ werde.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes leben (Stand 2020) rund 83 Prozent der bundesdeutschen Kühe und Rinder in sogenannten Laufställen. Im Kreis Borken sind es laut Veterinäramt zwischen 80 und 90 Prozent.
Zehn Prozent der bundesdeutschen Rinder werden laut Bundesamt in Anbindehaltung gehalten, der Rest in Kälberiglus und anderen gesonderten Haltungsformen. Etwa jedes dritte Rind könne zumindest zeitweise auf die Weide. Die Zahl der fixiert lebenden Rinder und Kühe ist seit 2010 von drei Millionen auf zuletzt 1,1 Millionen gesunken.
Bei vielen Bauern und einigen Molkereien gilt die Anbindehaltung als Auslaufmodell. Besonders im Süden Deutschlands sind etliche Molkereien bereits dazu übergegangen, Landwirten mit so einer Form der Milchkuhhaltung weniger Geld für die Milch zu bezahlen. Das Veterinäramt des Kreises Borken betonte gestern, dass man nur „sehr vereinzelt“ juristisch gegen Verstöße gegen die Haltungsvorschriften vorgehen müsse. In der Regel könnten strittige Fragen im Einvernehmen geklärt werden.