Qualvoller Tod im Kita-Bett in Gelsenkirchen Tagesmütter doch noch verurteilt

Qualvoller Tod im Kita-Bett: Tagesmütter doch noch verurteilt
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Dieser Fall ist einfach nur traurig. Vor rund dreieinhalb Jahren ist ein zweijähriger Junge in einer Gelsenkirchener Mini-Kita erstickt. Der kleine Riad konnte nicht einmal mehr schreien. Sein Hals wurde zwischen einer elf Kilo schweren Spanplatte und dem Gestell seines Bettchens eingeklemmt. Jetzt sind die beiden Tagesmütter der Einrichtung verurteilt worden.

Das Essener Landgericht hat am Freitag jeweils sechs Monate Haft auf Bewährung verhängt – wegen fahrlässiger Tötung. Außerdem müssen die beiden 28 und 39 Jahre alten Frauen zusammen 10.000 Euro Schmerzensgeld an die Eltern zahlen.

Die Eltern des kleinen Riad mit ihrem jüngsten Kind kurz vor der Urteilsverkündung am Essener Landgericht.
Die Eltern des kleinen Riad mit ihrem jüngsten Kind kurz vor der Urteilsverkündung am Essener Landgericht. © Jörn Hartwich

Es war der 30. August 2021, als Riad das erste Mal alleine in der Mini-Kita war. Die Tagesmütter haben laut Urteil gewusst, dass er schon lange keinen Mittagsschlaf mehr macht. Trotzdem haben sie ihn gegen zwölf Uhr ins Bett gelegt und ein seitliches Schutzgitter hochgezogen.

Womit sie jedoch nicht gerechnet haben: Riad hat sich befreit. Er kletterte aus dem Bett, öffnete die Tür des Schlafraums, lief barfuß durch eine geöffnete Terrassentür, über eine Straße – bis zu einem Spielplatz. Dort war er von einer anderen Mutter zufällig entdeckt und zurückgebracht worden. Die beiden Tagesmütter hatten sein Verschwinden gar nicht bemerkt. Eine war in der Mittagspause, die andere angeblich am Handy.

Ausbüxen nicht ernstgenommen

„Durch diesen Vorfall hätten die Angeklagten gewarnt sein müssen“, sagte Richterin Vanessa Bergmann bei der Urteilsbegründung. „Von diesem Zeitpunkt an hätten sie den Jungen nicht mehr unbeaufsichtigt lassen dürfen.“ Doch das haben die beiden Frauen nicht getan.

Sie legten Riad nun in das untere Abteil des Etagenbetts, zogen wieder das seitliche Schutzgitter hoch und verließen den Raum. Dabei hätten sie laut Urteil damit rechnen müssen, dass Riad erneut versuchen werde, sich zu befreien. Als die Tagesmütter, die die Einrichtung gerade erst übernommen hatten, rund anderthalb Stunden später wiederkamen, war Riad tot.

Konstruktionsfehler des Bettes

Dass die als Lattenrost dienende Platte nicht angeschraubt war, war laut Urteil ein Konstruktionsfehler. Auf die Verurteilung hatte das allerdings keinen Einfluss. „Wären die Angeklagten im Raum gewesen, hätten sie den Jungen rechtzeitig befreien können“, so Richterin Bergmann.

Mit dem Urteil haben die Essener Berufungsrichter ein früheres Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen gekippt. Dort waren die Tagesmütter freigesprochen worden. Rechtsanwältin Aylin Moch, die Riads Mutter im Berufungsprozess vertrat, sprach von einem „wegweisenden“ Urteil: „Es zeigt, dass man sich nicht einfach aus der Verantwortung ziehen kann – auch wenn es gesetzliche Mängel im Bereich Kita gibt und das Bett nicht sicher war.“