Qualvoller Tod im Kita-Bett in Gelsenkirchen Eltern wollen Bestrafung für Tagesmütter

Qualvoller Tod im Kita-Bett: Eltern wollen Bestrafung für Tagesmütter
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Der kleine Riad wurde nur zwei Jahre alt. Vor rund dreieinhalb Jahren ist der Junge aus Gelsenkirchen in einem Kita-Bett qualvoll erstickt. Er hatte die als Lattenrost dienende elf Kilo schwere Spanplatte des oberen Bettes herausgetreten und war von ihr eingequetscht worden. Ob die beiden Tagesmütter eine Schuld trifft, ist offen.

Die 28 und 39 Jahre alten Frauen waren in einem ersten Prozess am Gelsenkirchener Amtsgericht vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung freigesprochen worden. Die Staatsanwaltschaft, die zehn Monate Haft auf Bewährung gefordert hatte, wollte sich damit jedoch nicht abfinden. Auch die Eltern haben Berufung eingelegt. Seit Freitag wird am Essener Landgericht neu über den schrecklichen Fall verhandelt.

Spricht von Freiheitsberaubung; Aylin Moch, die Anwältin der Eltern des kleinen Riad.
Spricht von Freiheitsberaubung; Aylin Moch, die Anwältin der Eltern des kleinen Riad. © Jörn Hartwich

„Die Eltern wollen auf jeden Fall eine Bestrafung“, sagte Anwältin Aylin Moche am Rande des Prozesses. „Ihnen geht es sehr schlecht.“ Die Eltern selbst waren zum Auftakt der Berufungsverhandlung nicht vor Gericht erschienen. Sie sollen erst später als Zeugen vernommen werden.

Es war der 30. August 2021, als ihr Sohn das erste Mal über Mittag in der Gelsenkirchener Mini-Kita geblieben ist. Doch er war unruhig, wollte nicht schlafen. Als die Tagesmütter ihn das erste Mal ins Bett legten, kletterte er wieder heraus, lief sogar zu einem nahen Spielplatz. Daraufhin war er unten in ein Etagenbett gelegt worden. Ein seitliches Gitter wurde hochgezogen.

Kind im Bett eingesperrt

„Da fängt die Strafbarkeit an“, so Anwältin Aylin Moche. „Dass man einen Jungen, der wach ist und spielen will, in ein Bett sperrt.“ Das sei Freiheitsberaubung. Und in diesem Fall sogar Freiheitsberaubung mit Todesfolge.

Die beiden Tagesmütter hatten das Drama im Schlafsaal nicht mitbekommen. Einer Polizistin, die damals schnell in der Kita war, sollen sie gesagt haben, dass sie aus dem Raum zunächst noch ein Quengeln gehört hätten. Dann sei jedoch alles ruhig gewesen, sodass sie gedacht hätten, alle Kinder seien eingeschlafen. Sie selbst hatten die Zeit in der Küche der kleinen Einrichtung verbracht. Als sie die Kinder wieder wecken wollten, kam für Riad jede Hilfe zu spät.

Polizei: „Die Mutter hat geschrien“

Sein Kopf war zwischen seinem eigenen Bett und der Spanplatte eingequetscht. Er war nicht stark genug, um sich zu befreien. Alle Reanimationsversuche waren vergeblich. Der Tod wurde im Krankenhaus schließlich offiziell festgestellt. Die Eltern hatten damals von einer Polizistin erfahren, dass ihr Sohn tot ist. „Das waren dramatische Szenen“, sagte die Beamtin den Richtern am Freitag. „Die Mutter hat geschrien, der Vater hat mit der Faust vor eine Scheibe geschlagen.“

Erst hatte alles nach einem Unfall ausgesehen. Doch schon am nächsten Tag liefen die Ermittlungen wegen eines Tötungsdeliktes an. „Von da an wurden die Angeklagten als Beschuldigte behandelt“, sagte der Ermittlungsleiter den Richtern. Die Tagesmütter sollen die schlafenden Kinder nicht ausreichend überwacht haben. Auch ein Babyphone gab es nicht.

Wer hat die Betten gekauft?

Unklar ist bis heute, warum die Spanplatte des oberen Etagenbetts nicht angeschraubt war. Neu waren die Betten nicht. Sie sollen schon seit über zehn Jahren in der Mini-Kita gewesen sein. Wer sie angeschafft hat, ist unklar. Erst hieß es, die Stadt Gelsenkirchen habe sie gekauft, um in den Kindertageseinrichtungen für einen einheitlichen Standard zu sorgen. Doch dann wurden offenbar keine Belege mehr gefunden.

Die beiden Angeklagten wollen sich auch in diesem Prozess nicht zu den Vorwürfen äußern. Sie sind keine ausgebildeten Erzieherinnen, hatten für die Tagespflege laut Stadt Gelsenkirchen aber die erforderliche Qualifiktion. Urteil voraussichtlich Ende Januar.