Die Tagesordnung des Gesundheits-Ausschusses im Kreistag klang unspektakulär. An dem im Sommer 2023 installierten Gesundheitskiosk entzündete sich aber unerwartet eine Debatte, die die Grünen mit ihrer Kritik am Vorgehen der Kreisverwaltung entfachten.
In der Sitzung am 5. Februar hatte Gesundheitsdezernentin Dr. Katrin Linthorst lediglich für den Beitritt ihres Fachbereiches in die Landesarbeitsgemeinschaft Gesundheitskioske NRW werben wollen.
Der Grünen-Gesundheitsexperte Dr. Emanuel Wiggerich nutzte die Gelegenheit hingegen, um eine Generalkritik an dem neuen niederschwelligen Angebot in den einzelnen Kommunen des Kreises loszuwerden.
Hauptamtliche Kräfte für eine freiwillige Aufgabe
Kern seiner Kritik: Der Kreis gebe Geld für eine freiwillige Aufgabe aus und beschäftige mit dem Gesundheitskiosk drei hauptamtliche Mitarbeiter, wo man stattdessen Kolleginnen und Kollegen im Kreisgesundheitsamt bei gesetzlichen Pflichtaufgaben besser entlasten könne.
Das Gesundheitsamt lädt seit einigen Monaten regelmäßig zu den Vor-Ort-Terminen ein. Im „Mobilen Gesundheitskiosk“ können sich die Besucher „zu allen Fragen rund um die Gesundheit unbürokratisch und kostenlos in der Sprechstunde beraten lassen“, heißt es in den Einladungen.
Die Gesundheitslotsen Alexandra Sehlmann, Jana Krethen und Jacques Tagne Mambou beraten zum Beispiel um Themen wie: „Was tue ich, wenn ich eine Verordnung bekommen habe? Ich habe Fragen zu Angeboten rund um meine Erkrankung.“
Angebote des Gesundheitskiosks
- Der Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst (Pakt ÖGD) beinhaltet laut Kreisgesundheitsamt neben den Zielen des Personalaufwuchses und der Digitalisierung auch den Aufruf, „niedrigschwellige Beratungsangebote für die Bevölkerung auszubauen“.
- Daher setze man drei hierfür genehmigte Vollzeit-Personalstellen, befristet bis 2026, für den seit Anfang 2023 konzeptionierten mobilen Gesundheitskiosk ein. Aufgabenschwerpunkte seien unter Einbezug von Erfahrungswerten bereits bestehender Gesundheitskioske (Modellprojekte) erarbeitet worden.
- Hierzu gehören unbürokratische und niedrigschwellige Beratung und Unterstützung der Bevölkerung zu allen Fragen rund um das Thema Gesundheit (z.B. Vor- und Nachbereitung von Arztbesuchen); Zugang zum Gesundheitssystem erleichtern (z.B. Begleitung durch das Gesundheitssystem); Motivierung der Bevölkerung, Maßnahmen zur Prävention und Gesundheitsförderung wahrzunehmen; Beziehungsaufbau zur Bevölkerung, insbesondere in sozioökonomisch benachteiligten Stadtteilen; themenspezifische Gesundheitsaufklärungen; Vernetzung von und mit Kooperationspartnern, Leistungsanbietern und Fachleuten (z.B. gegenseitige Vermittlung von Klienten); aber: keine ärztliche und medizinische Versorgung.
In den Augen der Grünen leidet dieses Präventionsprogramm an gleich mehreren Geburtsfehlern. So sei im Vorfeld nicht der Bedarf für ein solches Angebot in den Kommunen des Kreises erhoben worden. „Außerdem haben wir doch schon bestehende Strukturen, die man nutzen kann“, sagt Emanuel Wiggerich, Sprecher des Grünen-Kreisverbandes, im Gespräch mit dieser Redaktion.
Gehe es um eine Lotsenfunktion im Gesundheitssystem oder um Hilfestellungen, für die kein Arzt notwendig ist, könnten nach Ansicht von Emanuel Wiggerich aber zum Beispiel ebenso gut Apotheken aufgesucht werden. „Die messen jetzt schon den Blutdruck.“
Gesundheitskiosk hilft nicht gegen Ärztemangel
Die Idee des Gesundheitskiosks sei zudem nicht auf Landkreise zugeschnitten, sondern auf großstädtische Strukturen. Im sogenannten Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz gehe es gerade darum, der medizinischen Unterversorgung im ländlichen Raum zu begegnen.
„Die Menschen im Kreis fragen, ob sie in Zeiten des Ärztemangels noch Hausärztinnen und Hausärzte finden. Für diese Sorgen müssen wir passende Lösungen suchen. Gesundheitskioske helfen hierbei nicht weiter“, findet Wiggerich, der auch sachkundiger Bürger der Grünen für Gesundheitsthemen im Kreistag ist, und erneuert damit bereits geäußerte Kritik.

Geeigneter seien die vom Gesetzgeber ebenfalls geplanten „Gesundheitsregionen“ und „Primärversorgungszentren“, die nach Ansicht der Grünen „besser auf die Bedürfnisse der alternden Bevölkerung und den ambulanten Versorgungsbedarf gerade im Kreis Unna eingehen könnten.
Die Kreisverwaltung argumentiert dagegen, dass sie den Gesundheitskiosk bereits ins Werk gesetzt habe, noch bevor er in ein Gesetz gegossen wurde, und erhofft sich daher Chancen auf eine Weiterfinanzierung der Personalstellen für den Kiosk. Die werden beim Kreis Unna aktuell aus Mitteln aus dem Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst (Pakt ÖGD) finanziert.
Neues Personal für Pflichtaufgaben einsetzen
Gerade hieran stoßen sich die Grünen ebenfalls. Das Geld aus dem Pakt ÖGD sei vom Bund zur Verfügung gestellt worden, nachdem sich im Rahmen der Corona-Pandemie offenbart hatte, dass in den kommunalen Gesundheitsämtern über viele Jahre zu lange gespart worden und der Personalbestand eklatant geschrumpft war.
Die mittlerweile zusätzlich eingestellten Fachkräfte wären nach Meinung von Emanuel Wiggerich besser anders im Fachbereich Gesundheit eingesetzt. Wiggerich: „Es gibt genug Pflichtaufgaben. Unser Gesundheitsamt war in der Vergangenheit aber personell nicht ausreichend ausgestattet. Die neuen Stellen hätten deutlich zur Entlastung beigetragen, auch dazu, effizienter und schneller zu werden.“
Wiggerich, selbst Leiter des Gesundheitsamtes in Oberhausen, hat errechnet, dass für den Gesundheitskiosk Kosten von 400.000 Euro pro Jahr entstehen könnten. Davon, so Wiggerich, würden „20 Prozent dem Kreishaushalt zur Last fallen“. Die übrigen Kosten sollen demnach „über die Krankenkassen letztlich die Beitragszahlenden belasten“.
Politik soll Projekt zunächst auswerten
Nach Ansicht der Grünen sollte das Projekt des mobilen Gesundheitskiosks zunächst mit politischer Begleitung evaluiert werden, bevor weitere Schritte zu einer Verstetigung des Angebots unternommen werden.
Die Grünen hatten den Kreishaushalt 2024 im Dezember mitgetragen – inklusive dem Projekt Gesundheitskiosk. Emanuel Wiggerich sieht in seiner Kritik zwei Monate später keinen Widerspruch. Der Gesundheitskiosk sei ohne Information der Kreispolitik eingeführt worden. „Ich habe es aus der Presse erfahren.“ Man habe kaum Informationen besessen.
Den Beitritt des Kreises in die Landesarbeitsgemeinschaft lehnten die Grünen daher ab und sahen in der CDU Mitstreiter. Über das Thema wurde aber noch nicht abgestimmt, weil die SPD Beratungsbedarf anmeldete.