In Münster herrscht der Ausnahmezustand: Weltpolitik, Demonstrationen und Scharfschützen auf den Dächern beherrschen die kleine Stadt in Nordrhein-Westfalen, wenn sich dort die Außenministerinnen und Außenminister der G7 treffen. Annalena Baerbock (Grüne) empfängt am Donnerstag und Freitag (3.-4.11.) unter anderen ihren US-Kollegen Antony Blinken und Vertreter der fünf weiteren Staaten (Frankreich, Italien, Japan, Kanada, und das Vereinigte Königreich).
Getagt wird im historischen Rathaus in Münster – ein Ort mit großer Symbolkraft. Dort wurde vor mehr als 370 Jahren über den Westfälischen Frieden verhandelt, der als Meilenstein auf dem Weg zu einer europäischen Friedensordnung gilt. Dieses Erbe müsse man bewahren, so Baerbock. Daher habe sie diesen symbolischen Ort in dieser schwierigen Zeit ganz bewusst als Tagungsort gewählt.
Mehrere Demonstrationen in Münster geplant
Allein 13 Demonstrationen sind laut der Polizei in Münster angemeldet. Rund 5000 Teilnehmer wollen am Donnerstagnachmittag unter dem Motto „Kein Frieden durch G7“ auf die Straße gehen. Zur gleichen Zeit wollen Fridays for Future und andere Klimaaktivisten bei einer „Klima-Großdemonstration“ mit 1000 bis 2000 Teilnehmern durch die Innenstadt ziehen. Auf einer Kundgebung des Nationalen Widerstandsrats Iran soll für mehr Unterstützung der Bürgerproteste in dem Land demonstriert werden.
Das Treffen der Außenministerinnen und Außenminister der G7 in Münster ist am Donnerstag von ersten Demonstrationen begleitet worden. Dabei sei zunächst alles sehr friedlich geblieben, sagte eine Polizeisprecherin. Unter dem Motto „Kein Frieden durch G7“ hätten sich zunächst lediglich 100 statt der angemeldeten 5000 Demonstranten eingefunden. Zu einer weiteren Demonstration mit Bezug zum Geschehen im Iran seien 400 Demonstranten gekommen.
Bei Münsters Polizei laufen seit Wochen die Vorbereitungen. Zu den Sicherheitsmaßnahmen gehören unter anderem Scharfschützen auf den Dächern. Hinweise auf eine konkrete Gefährdung hat die Polizei eigenen Angaben zufolge aber nicht. In der Innenstadt wird ein Bereich um den Tagungsort abgeriegelt.
Das sind die wichtigsten Themen des G7-Treffens in Münster
Russland/Ukraine: Zu Beginn des G7-Treffens (15.30 Uhr) soll im Friedenssaal des historischen Rathauses hinter verschlossenen Türen der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba zugeschaltet werden. Anschließend dürfte die G7-Runde wieder unter sich über eine Koordinierung der Winterhilfe für die Ukraine und deren Finanzierung beraten. Deutschland hat bereits Generatoren zur Stromerzeugung geliefert. Auch die jüngsten Atomdrohungen von Kremlchef Wladimir Putin werden wohl zur Sprache kommen.
Geopolitische Veränderungen: Später wollte die G7-Runde über den Kampf gegen hohe Inflation, steigende Energiepreise und zusammengebrochene Versorgungsketten sprechen. In diesem Zusammenhang hatte Baerbock die Vizedirektorin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Gita Gopinath, zu einer Art Briefing geladen. Der IWF hatte im Oktober angesichts der hohen Inflation, der Folgen der Corona-Pandemie und des russischen Angriffskriegs vor dem Risiko einer globalen Rezession gewarnt.
China: Bei einem Abendessen in der „Rüstkammer“ des Rathauses wollen die Ministerinnen und Minister über den künftigen Umgang mit China beraten. Chinas Präsident Xi Jinping war gerade erst bei einem Kongress der Kommunistischen Partei in seiner Macht gestärkte worden. Angesichts chinesischer Drohungen gegenüber Taiwan sollte auch über eine Stärkung der Partnerschaften mit den Staaten im indopazifischen Raum gesprochen werden.
Iran: Bei den für Freitag geplanten Diskussionen über die brutale Unterdrückung der systemkritischen Massenproteste im Iran dürfte die US-Forderung, das Land aus der UN-Frauenrechtskommission zu werfen, eine Rolle spielen. US-Vizepräsidentin Kamala Harris hatte angekündigt, dabei eng mit den Partnern zusammenarbeiten zu wollen.
Afrika: Ebenfalls für Freitag hat Baerbock die Außenminister von Ghana und Kenia sowie eine Vertreterin der Regionalorganisation Afrikanische Union zu den Beratungen eingeladen. Ghana und Kenia sind derzeit nichtständige Mitglieder im UN-Sicherheitsrat. Unter anderem soll über die Konflikte in Afrika sowie strategische Fragen wie die Erderwärmung, die Ernährungs- und Energiesicherheit und die Folgen der Corona-Pandemie gesprochen werden.
Deutschland und Japan beraten auf Ministerebene
Die Außen- und Verteidigungsminister von Deutschland und Japan sind bereits am Morgen zu Beratungen über eine stärkere Zusammenarbeit in Sicherheits- und Verteidigungsfragen zusammengekommen. Vor Beginn des Treffens der Außenministerinnen und Außenminister der G7-Länder wirtschaftsstarker Demokratien am Nachmittag sprachen die Minister Deutschlands und Japans in einer gesonderten Runde in einem Hotel miteinander.
Während Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und ihr japanischer Amtskollege Yoshimasa Hayashi in Münster anwesend waren, ließen sich Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) und ihr Kollege aus Tokio, Yasukazu Hamada, zuschalten.
In Japan wurde erwartet, dass beide Seiten angesichts des auch militärisch stärker auftretenden Chinas die Stärkung der Verteidigungszusammenarbeit bestätigen werden, um einen „freien und offenen Indopazifik“ zu verwirklichen. Zudem war davon auszugehen, dass der russische Krieg in der Ukraine, die Lage in Nordkorea und das Verhältnis zwischen dem nordatlantischen Verteidigungsbündnis Nato und Japan thematisiert werden dürften. Während die Bundesregierung untere Federführung des Auswärtigen Amtes derzeit an einer Sicherheitsstrategie arbeitet, wird in Tokio über eine Aktualisierung eines solchen Konzeptes beraten.
Die Außenministerinnen und Außenminister der G7-Länder wollten am Nachmittag im historischen Rathaus von Münster zu ihrem zweitägigen Treffen zusammenkommen. Es sind bereits die zehnten Beratungen in diesem Format im laufenden Jahr. Teils haben die Gespräche auch im Videoformat stattgefunden.
Deutschland hat bis Jahresende die G7-Präsidentschaft inne. Bei dem Treffen soll es neben dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine etwa um den Umgang mit China und dem Iran gehen. Auch Vertreter afrikanischer Staaten sind eingeladen.
dpa/kar

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