Ein Stuhl, eine Kamera, eine Leinwand – mehr ist da nicht auf der schwarzen Bühne des Schauspielhauses Bochum. Trauer kriecht durch den Raum. Eine Familie hat unerwartet die Mutter verloren, Vater und zwei Kinder bleiben zurück. So beginnt „Trauer ist das Ding mit Federn“ in der Inszenierung von Christopher Rüping.
Düster bleibt es, aber Max Porter feiert in seinem gleichnamigen Roman auch die Macht der Liebe. Anna Drexler bricht als gefiederte Krähe krächzend und mit einem großen von Nebel begleiteten Auftritt ein in die von Trauer gelähmte Familie. „Ich gehe erst wieder, wenn du mich nicht mehr brauchst“, sagt sie zum Vater (Risto Kübar). Doch sie ist keine heitere Mary Poppins. Anna Drexlers Krähe ist frech, chaotisch, manchmal übergriffig, sucht die Interaktion mit dem Publikum, sorgt für den Witz, den der Abend auch hat.

Ob mythologische Figur, seltsame Therapeutin, Fantasiegestalt – die Krähe greift ein ins Leben der Zurückgebliebenen, zwingt sie zur Trauerarbeit. Irgendwann kämpft sie in rasender Wut mit dem Dämon der Trauer (Anne Rietmeijer). Die Videokamera verfolgt die beiden bis hinauf zu einer Tortenschlacht auf dem Dach des Schauspielhauses und zu Splatterszenen auf der Bühne. Hier wird es laut, blutrünstig, grotesk.
Viele der Zuschauer wird das Stück berühren, auch weil sie selbst Trauer erlebt haben oder mit ihr leben. Vieles mehr macht diesen Abend zu einem intensiven Theatererlebnis. Da sind zuallererst die fünf Schauspieler. Während die großartige Anna Drexler ständig in Bewegung scheint und die Inszenierung vorantreibt, beeindrucken die anderen auch mit ruhigen Momenten. Vor allem, wenn sie ihre Monologe ganz nah in die Kamera sprechen, können die Zuschauer auf der großen Leinwand jede Regung, jedes Gefühl sehen und mitfühlen.
Aufwendige Krähen-Kostüme
Risto Kübar spricht zurückhaltend, eindringlich und zeigt einen Vater, der ohne die Mutter im Alltag mit den Kindern hilflos, von Trauer und Verlust überwältigt ist. Alexander Wertmann und Jing Xiang überzeugen in den Rollen der Kinder, die trotzig sein können oder überfordert. Aber sie können auch loslassen, tanzen und springen, wenn die Krähe sie nötigt, sich an die Mutter zu erinnern und typische Momente nachzuspielen.
Anne Rietmeijer gibt nicht nur dem Dämon, sondern auch dem Geist der gestorbenen Mutter Körper und Stimme. Erwähnt seien auch die Kostüme von Lene Schwind. Sie hat vor allem für Anna Drexler mehrere aufwendige Krähen-Kostüme mit schwarzen Federn oder schillernden Pailletten geschaffen.
Ende einer Trilogie
Für Rüping ist es der dritte Abend, mit dem er das klassische Konstrukt einer Familie mit Vater, Mutter, Kindern befragt. Auch „Einfach das Ende der Welt“ von Jean-Luc Lagarce war in Bochum zu sehen (aktuell am Deutschen Theater Berlin). „Brüste und Eier“ steht am Thalia Theater Hamburg auf dem Spielplan.
Mit einem großartigen Bild zu den Klängen von Mozarts Requiem endet der zweistündige Theaterabend in Bochum. Vater und Kinder lassen die Federn gleichende Asche der Mutter mithilfe einer Windmaschine über die Bühne tanzen. Die Hoffnungslosigkeit ist verschwunden, die Trauer bleibt. Die Krähe ist fort.
Weitere Aufführungen
Termine: 20. / 24. 3., 6. / 1 0. / 14. 4.2024; Karten: Tel. (0234) 33 33 55 55.
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