Um 1930 wurde dieses Foto vor der Rossschlachterei Hobbold an der Brandstraße aufgenommen, es zeigt (v.l.) Ferdinand Albrecht, Hermann Hobbold, ein Pferd und Heinrich Hobbold.

© Privat

Für Kenner und Fans: In Recklinghausen gibt es meisterhafte Pferdeklopse

rnJubiläum an der Brandstraße

Die Pferdemetzgerei Hobbold ist weit über die Grenzen von Recklinghausen bekannt. In vierter Generation führt Bert Hobbold den Betrieb. Mit Vater Heinrich feiert er ein doppeltes Jubiläum.

RE-Innenstadt

, 12.04.2022, 19:50 Uhr / Lesedauer: 3 min

Diesen Beruf finden Leute spannend oder grauenhaft, die Erzeugnisse köstlich oder ungenießbar. Heinrich Hobbold und sein Sohn Bert sind daran gewöhnt. Beide haben nie daran gedacht, etwas anderes zu werden als Fleischer in der eigenen Pferdemetzgerei. Nun feierten sie ein doppeltes Jubiläum: Die Handwerkskammer hat Heinrich Hobbold den goldenen Meisterbrief überreicht. Sein Nachfolger in vierter Generation hat die etwas schlichtere Urkunde in Silber bekommen. Ein Anlass, um der Rossschlachterei einen Besuch abzustatten. Wir treffen uns in der angegliederten Speisegaststätte, am Tisch sitzen Heinrich Hobbold und seine Frau Christel, die Kinder Bert und Petra. Die Tochter ist Innenarchitektin, für die gemütliche Ausstattung des Tages-Restaurants und auch für so manches Geschäftliche zuständig.

Heinrich Hobbld (r.) zeigt seinen Goldenen Meisterbrief, Sohn Bert den silbernen.

Doppel-Jubiläum: Heinrich Hobbld (r.) wurde der goldene Meisterbrief überreicht, seinem Sohn Bert der silberne. © Meike Holz

Vater und Sohn mögen Pferde – und zwar ausdrücklich nicht nur die, die als Steak, Wurst oder Schinken in der Theke liegen oder in der dahinterliegenden Küche zu Klops, Sauerbraten und Gulasch werden. „Pferde sind Nutztiere. Ihre Körper nicht zu einfach nur verbrennen, zeigt Respekt vor dem, was die Natur uns gibt“, erklärt Bert Hobbold. Der Vater nickt zustimmend. „Die privaten Halter wollen ihre Tiere einschläfern lassen. Das verstehe ich“, sagt der 82-Jährige, „aber die Pferde, die ich getötet habe, hatten einen schnelleren und gnädigeren Tod.“

Jetzt lesen

Beide haben schon als Kinder die ersten Tiere getötet

Heinrich Hobbold, am 25. Dezember 1939 geboren, erlebte seine frühe Kindheit im Krieg. Als Fleischer war der Vater nicht einberufen worden. Von klein auf war Heinrich im Betrieb mit dabei. „Als Junge musste ich die Pferde von den Höfen abholen“, blickt er zurück. Bis nach Dülmen sei er mit dem Zug gefahren und dann, wenn möglich, nach Recklinghausen geritten: „Ich habe stundenlang gebetet, gesungen, geflucht und geweint.“ Nur eines durfte er nicht: absteigen, auch wenn die Beine blutig gescheuert waren. „Ich war so klein, dass ich nicht allein wieder hochgekommen wäre. Mit neun Jahren habe ich mein erstes Pferd getötet, weil kein anderer in der Nähe war.“

Tochter Petra Hobbold kennt sie natürlich, die Familiengeschichten. Dennoch fühlt sie bis heute mit. Das Handwerk wollte sie selbst nie lernen. Anders Bruder Bert, für den es mit zwölf Jahren das erste Mal „ernst“ wurde. „Es war ein Pony“, erzählt er. Er habe nie hinterfragt, ob er in die Fußstapfen seiner männlichen Vorfahren treten wollte. „Es ist schön, wenn solch ein Betrieb in der Familie bleibt“, gesteht der 53-Jährige, der seit 2008 der Chef ist. Dass sein bald 15-jähriger Sohn ebenfalls Interesse zeigt, freut ihn.

Heinrich und Christel mit ihren Kindern Bert und Petra vor der Ahnengalerie in der Speisegaststätte.

Mehrere Generationen der Hobbold-Familie auf einen Blick: Heinrich und Christel mit ihren Kindern Bert und Petra vor der Ahnengalerie in der Speisegaststätte. © Meike Holz

Pferdefleisch war aus taktischen Gründen verboten

Schließlich hat Vorfahr Bernhard Hobbold am 6. Mai 1906 die Rossschlachterei mit Speisegaststätte an der Brandstraße 11 gegründet – sein Bild hängt bis heute in der Gaststätte. Damals gab es mehrere Pferdemetzger im Viertel. „Pferdefleisch war ein Arme-Leute-Essen“, weiß Heinrich Hobbold. Die treuen Begleiter zu essen, war verpönt. Das hat auch geschichtliche Hintergründe. Bert Hobbold berichtet, dass ein Verbot einst verhindern sollte, dass hungrige Soldaten die Schlachtrösser aßen. Seine Schwester Petra hat recherchiert, dass ein Papst darin einen heidnischen Brauch sah. Tatsächlich hängt beides zusammen, denn im achten Jahrhundert war der Papst auch Kriegsherr. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts durfte mit Pferdefleisch gehandelt werden.

Jetzt lesen

Die hungrigen Bergleute, die schon morgens nach ihrer Nachtschicht in die Speisegaststätte strömten, schätzten das gesunde, nahrhafte und etwas süße Fleisch. Denn auch wenn es in der Schweiz Versuche gab, Pferde in Massentierhaltung zu mästen, gelungen sei es nicht, sagt Bert Hobbold: „Pferde brauchen Bewegung und Auslauf.“ Früher waren es oft Arbeitstiere, die geschlachtet wurden, etwa die letzten Recklinghäuser Brauereipferde – aber erst, nachdem sie einige Jahre ihre „Rente“ auf einer Weide verbracht hatten. „Doch wenn die Tiere kaum noch stehen können, ist es eine Gnade, sie zu töten“, erklärt Heinrich Hobbold, der auch Zirkuspferde und sogar mal ein Zebra aus dem Tierpark „verwurstet“ hat.

Pferdemetzger Bert Hobbold steht am 12.02.2013 in Recklinghausen (Nordrhein-Westfalen) in seinem Geschäft hinter der Theke.

Als es in Großbritannien zu einem Pferdefleisch-Skandal kam, war Bert Hobbold gefragter Interviewpartner und wurde vor der Auslage fotografiert. Die Kunden in Recklinghausen ließen sich nicht irremachen. Schließlich steht der Name Hobbold seit mehr als 100 Jahren für Qualität. © dpa (Archiv)

Die Fleischqualität ist keine Frage des Alters

Heute sind es meistens Sportpferde, die bei Hobbold enden. Sei es, dass sie sich verletzt haben, aber auch, dass sie die bei der Zucht in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllen. „Es gibt ja auch Fohlenbraten“, macht Bert Hobbold deutlich. Wie generell in der Fleischindustrie gelten auch für Pferde strenge Medikamenten-Auflagen und eine Nachweispflicht.

Während die unbeweglichen Klepper eher zu Hackfleisch – und heutzutage auch zu Futter für von Allergien geplagte Hunde – verarbeitet werden, ist die Qualität des Fleisches tatsächlich eine Frage der Muskeln und nicht des Alters. Das entscheidet Bert Hobbold von Tier zu Tier. Diese werden nicht mehr in Recklinghausen getötet, seit der Schlachthof am Bruchweg auf Schweine umgestellt wurde. Hobbold bringt die Pferde nach Coesfeld oder Dülmen. „Dort herrscht eine ruhige Atmosphäre, das ist für die Tiere besser“, weiß er. Das Töten überlässt er gern den dortigen Mitarbeitern.

Hobbold ist zwar ein Traditions-, aber auch ein modernes Unternehmen. Nicht gerüttelt wird an den Familienrezepten für Sauerbraten, Klops und Rouladen nebst den beliebten Soßen. Die genießen die Kunden in der gemütlichen Gaststätte, aber nur wochentags bis 19 Uhr, samstags bis 16 Uhr.

Die Speisegaststätte Hobbold an der Brandstraße in der Recklinghäuser Innenstadt.

1906 eröffnete Familie Hobbold die Pferdemetzgerei mit Speisegaststätte an der Brandstraße. © Meike Holz

Speisen zum Mitnehmen gibt es ebenfalls und als Konserven werden die Spezialitäten aus Recklinghausen auch im Online-Shop bestellt. Dass Pferdefleisch wegen seiner Haltung und Verarbeitung ein nachhaltiges Lebensmittel ist, sorgt dafür, dass die Nachfrage nicht nachlässt.

Jetzt lesen