
Diese Nachricht aus dem Düsseldorfer Schulministerium macht mich einfach nur fassungslos. Am Nikolaustag informierte das Ministerium die nordrhein-westfälischen Schulen darüber, dass sie bitte im Schuljahr 2023/ 2024 einen pädagogischen Tag einplanen sollen, um sich in Sachen Digitalisierung fortzubilden. Für Schülerinnen und Schüler fällt an diesem Tag der Unterricht aus. Ich bin empört. Und das gleich aus drei Gründen.
1. Ganz konkret schreibt Dr. Urban Mauer, Staatssekretär im Schulministerium, den Schulen: „Dieser Pädagogische Tag soll für eine Standortbestimmung Ihres Kollegiums bezüglich des Lehrens und Lernens in der digitalen Welt und für eine Konsolidierung der eingeleiteten Entwicklungen auf diesem wichtigen pädagogischen Feld genutzt werden.“
Wie bitte? Es kann doch nicht sein, dass Schulen die Frage der Digitalisierung (Wo stehen wir? Woran mangelt es – an Ausstattung und Training? Was sind die nächsten Schritte?) nicht als permanente Aufgabe begreifen. Die müsste doch täglich, zumindest wöchentlich in den Lehrerzimmern diskutiert werden!
Warum passiert das offensichtlich nicht, wenn ein Extra-Tag dafür angeordnet werden muss? Das ist ungeheuerlich, weil doch inzwischen auch der letzte Hinterwäldler wissen sollte, dass die mangelnde Digitalisierung ein fundamentales Problem ist. Im Übrigen würde ein Fortbildungstag auch nicht im Ansatz ausreichen, um Defizite aufzuholen.
Davon abgesehen: Wenn das Schulministerium hier ernsthaft Handlungsbedarf erkannt hat, wieso dann eine Fortbildung erst in einem Jahr? In solchen Fällen sagte mein Vater gerne: Bei so einem Tempo würde einem Maler, der das Zifferblatt einer Kirchturmuhr streicht, selbst der Stundenzeiger den Pinsel aus der Hand schlagen.
63 Ferientage für Schüler, aber nur 30 Urlaubstage für Lehrer
2. Wieso muss für diesen pädagogischen Fortbildungstag an einem weiteren Tag der Unterricht ausfallen? Lehrerinnen und Lehrer haben ganz offiziell einen Anspruch auf 30 Tage Urlaub im Jahr, nicht mehr.
Im Schuljahr 2023/ 2024 stehen in NRW dagegen – inklusive der vier beweglichen Ferientage – 63 (!) Ferientage für Schülerinnen und Schüler im Kalender, an denen die Lehrerinnen und Lehrer nicht unterrichten müssen. Gut, in den meisten Schulen wird eine Woche der Ferien genutzt, um das nächste Schuljahr vorzubereiten. Bleiben immer noch 58 Tage. Und da ist es unzumutbar, an einem dieser Tage die Lehrkräfte auf einen pädagogischen Tag zu verpflichten? Das verstehe ich nicht.
Ministerium bringt Lehrer in Rechtfertigungsnot
Das gilt umso mehr, als die Corona-Pandemie mit ihren Unterrichtsausfällen, Schließungen und meist mehr schlecht als recht funktionierenden Homeschooling-Angeboten die Schülerinnen und Schüler massiv belastet hat. Es ist für mich unerklärlich, dass genau sie jetzt wieder darunter leiden sollen, dass das Schulministerium eine geradezu absurde Anordnung trifft.
3. Zur Klarstellung: Die Lehrerinnen und Lehrer sind nicht verantwortlich für völlig hanebüchene Verordnungen aus dem Schulministerium. Ich kenne viele sehr verantwortungsvolle Lehrerinnen und Lehrer. Gerade sie bringt das Ministerium jetzt in Rechtfertigungsnot gegenüber Eltern, Bekannten und Freunden.
Die wären nämlich selbstverständlich und ohne auch nur ansatzweise zu murren bereit, an einem oder auch an mehreren der freien Tage ihr Wissen in Sachen Digitalisierung aufzubessern. Ich glaube, dass viele von ihnen ganz und gar nicht damit einverstanden sind, dass sie ihre Schülerinnen und Schüler einen weiteren Tag nicht unterrichten dürfen.
Unterm Strich ist die Anordnung für einen zusätzlichen unterrichtsfreien Fortbildungstag ein Offenbarungseid für die Schulpolitik in NRW. Ganz offensichtlich hat man in der ministeriellen Führungsetage aus den vergangenen Bildungsvergleichen und Corona-Erfahrungen nichts gelernt und schon gar nicht die richtigen Schlüsse gezogen, um es künftig besser zu machen. Einfach skandalös.
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