Franz Beckenbauer in Kaiserau Klaus Roszak saß jeden Abend mit dem Kaiser zusammen

Erinnerungen an das WM-Training 1990 mit Franz Beckenbauer in Kaiserau
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Klaus Roszak kann sich noch genau erinnern, wo Franz Beckenbauer im Mai 1990 gewohnt hat: Im Zimmer 316 in der dritten Etage der damaligen Sportschule Kaiserau (seit 2006 Sportcentrum Kaiserau). „Das war eines der großen Zimmer“, sagt Roszak, der damals als Verwaltungsdirektor des Fußball- und Leichtathletikverbandes Westfalen (FLVW) firmierte: „Wir haben es sehr individuell ausgestattet.“

Beckenbauer bekam einen großen Schreibtisch und eine Besprechungsecke. Er trug schließlich Verantwortung: Als Teamchef (der Titel Bundestrainer war wegen fehlender Trainerlizenz nicht möglich) bereitete er die bundesdeutsche Nationalmannschaft in Kaiserau auf die WM in Italien vor. Mit Erfolg, wie man heute weiß: Am 8. Juli gewann die DFB-Elf in Rom das Finale gegen Argentinien.

Franz Beckenbauer während des Finales der WM 1990 in Italien.
Franz Beckenbauer beim WM-Finale am 8. Juli 1990 in Rom. Die Grundlage für den Turniersieg legte er auch in Kaiserau. © picture alliance / dpa

Beckenbauer war bekanntlich schon 1974 als Spieler Weltmeister geworden. Und hatte bereits damals in Kaiserau trainiert. Bei seiner Rückkehr als Teamchef dürfte er die Sportschule aber kaum wiedererkannt haben.

Roszak kam aus Malente nach Kaiserau

Roszak war 1981 aus Malente in Schleswig-Holstein nach Kaiserau gewechselt. Der FLVW habe damals 30 Millionen DM investiert, um die Sportschule zu modernisieren, erinnert sich der Mann, der dort bis 2005 das Sagen hatte. Von der Atmosphäre einer Jugendherberge könne danach jedenfalls nicht mehr Rede die Rede gewesen sein.

Gleichwohl herrschte beim Aufenthalt der Nationalmannschaft, der vom 21. bis 30. Mai dauerte, offenbar eine sehr entspannte Stimmung. „Das waren keine Gäste, das waren Familienmitglieder“, sagt Roszak über die späteren Weltmeister. Franz Beckenbauer hatte daran einen großen Anteil.

Mannschaftsfoto des DFB-Kaders für die WM in Italien 1990
In Kaiserau stellte sich der WM-Kader 1990 des DFB zum Mannschaftsfoto auf. © Archiv

Der „Kaiser“ sei stets freundlich gewesen, erinnert sich Roszak. Er habe jeden Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin stets höflich behandelt und per Handschlag begrüßt. Das blieb in Kaiserau nicht verborgen: Die meisten der rund 50 Sportschul-Beschäftigten seien damals aus dem Stadtteil gekommen, sagt Roszak.

Sepp Maier spielte Tennis beim TC Methler

Er achtete auch sonst auf eine gute Nachbarschaft: Sepp Maier, damals Torwarttrainer der Nationalmannschaft, ging zum Tennisspielen zum TC Methler. Als Sicherheitsdienst engagierte Roszak nicht etwa, wie es heute üblich wäre, eine professionelle Security-Firma: „Das hat der TVG Kaiserau gemacht.“

Der Trainingsplatz an der Sportschule war zwar auf Beckenbauers Wunsch mit Sichtblenden geschützt. Aber der Teamchef vergaß die Fans nicht. „Es gab ein öffentliches Training“, sagt Roszak. „Da waren 3000 Leute.“ Aufsehen erregte auch der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl, der in Kaiserau mit dem Hubschrauber einflog, um Beckenbauer und der Nationalmannschaft Glück für die WM zu wünschen.

So berichtete der Hellweger Anzeiger über den Besuch von Bundeskanzler Kohl bei der Nationalmannschaft in Kaiserau
So berichtete der Hellweger Anzeiger über den Besuch von Bundeskanzler Kohl bei der Nationalmannschaft in Kaiserau © Archiv

Roszak hat Beckenbauer als Perfektionisten kennengelernt, der sich auch um Details kümmerte. Aber eben auch auf Ratschläge und Wünsche einging. So sei eines Tages der Platzwart der Schule zu ihm gekommen, sagt Roszak: Maier halten das Torwarttraining immer an derselben Stelle ab, wodurch der Rasen Schaden nahm.

„Herr Beckenbauer, können Sie mal mit dem Sepp reden“

Roszak sprach das Thema vorsichtig an: „Herr Beckenbauer, können Sie mal mit dem Sepp reden?“ Einen Tag später sei dann der Gärtner zu ihm gekommen und habe gesagt: „Was haben Sie denn mit dem Maier gemacht? Der wandert jetzt regelrecht über den Platz.“

Solche Dinge konnten in der „Blauen Stunde“ besprochen werden, an die Roszak besonders gern zurückdenkt. Jeden Abend habe er sich mit Beckenbauer, dessen Trainer-Team und den DFB-Verantwortlichen in einer gemütlichen Ecke zusammengesetzt, um den Tag Revue passieren zu lassen und den nächsten zu planen.

Franz Beckenbauer lobte die Sportschule Kaiserau für die gute Organisation
Franz Beckenbauer lobte die Sportschule Kaiserau für die gute Organisation © Archiv

Dabei ging es offenbar auch schon mal etwas lockerer zu. Zum Beispiel bei der Wahl der Getränke. Eigentlich kam dort das alkoholfreie Bier eines DFB-Sponsors auf den Tisch. „Was ist denn das für ein Bier“, habe Co-Trainer Holger Osieck gefragt. Roszak ließ daraufhin den fahrbaren Tresen der Sportschule holen, an dem Dortmunder Stiftsherren-Pils im Anstich war (diese Edelmarke gibt es heute nicht mehr). Ob auch Beckenbauer zugegriffen hat, verrät er aber nicht: „Es war ein Angebot“, meint der Ex-Sportschul-Chef mit vielsagendem Lächeln.

Wenn er sich an den Abschied von Beckenbauer und seiner Mannschaft aus Kaiserau erinnert, wirkt Klaus Roszak auch fast 34 Jahre später noch gerührt: „Das war eine ganz wunderbare Szene. Das ganze Personal hatte sich im Innenhof versammelt und jeder hielt ein weißes Tuch hoch, auf dem stand: ,Wir wünschen viel Glück in Italien‘.“ Der Wunsch ging in Erfüllung.

Klaus Roszak war Verwaltungsdirektor der Sportschule Kaiserau
Klaus Roszak wirkt auch heute noch gerührt, wenn vom Abschied der Nationalmannschaft aus Kaiserau kurz vor Beginn der WM 1990 berichte. © Stefan Milk

Das Finale in Rom hat Klaus Roszak natürlich im Fernsehen verfolgt. Allerdings nicht in der Sportschule, sondern in seiner nahe gelegenen Privatwohnung in Kaiserau.

Und natürlich kann er sich auch noch an die berühmte Szene erinnern, als Franz Beckenbauer nach dem Sieg alleine und gedankenverloren über den Rasen des Olympia-Stadions wandelte: „Damals ist mir der Einfall für den Slogan gekommen, mit dem ich später für die Sportschule geworben habe: ,Die Schule der Erfolgreichen‘.“

Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 14. Januar 2024.