Nach tagelangen Unruhen scheint die Welle der Gewalt auf Frankreichs Straßen langsam abzuebben. In der Nacht gab es nach Angaben des Innenministeriums bis Mitternacht 49 Festnahmen - deutlich weniger als in den vorherigen Nächten zu diesem Zeitpunkt.
Laut Quellen des Fernsehsenders BFMTV kamen bis 1.30 Uhr weitere 29 Festnahmen hinzu. Zwar gab es auch diesmal wieder einige Krawalle, etwa in Lyon, wo die Polizei gegen eine rechtsextreme Gruppe Tränengas einsetzte. Gemessen an den heftigen Unruhen der vergangenen Tage mit Bildern Hunderter brennender Autos und Gebäude sowie teils mehr als 1000 Festnahmen während der Nachtstunden blieb es aber relativ ruhig.
Krawalle in Frankreich: Großmutter des getöteten 17-Jährigen meldet sich zu Wort
Innenminister Gérald Darmanin hatte in der dritten Nacht in Folge auf massive Polizeipräsenz gesetzt. 45.000 Polizisten waren im ganzen Land im Einsatz, auch diesmal wieder mit gepanzerten Fahrzeugen. Übereinstimmenden Medienberichten zufolge gab Darmanin erneut die Anweisung, entschlossen vorzugehen und Krawallmacher so schnell wie möglich festzunehmen.
In einem emotionalen Appell hatte sich auch die Großmutter des Jugendlichen einen Rückgang der Gewalt gewünscht, dessen Tod die Unruhen vor fast einer Woche ausgelöst hatte. „Zum Glück sind die Polizisten da. Die Leute, die gerade etwas kaputt machen, denen sage ich: „Hört auf“.“ Die Randalierer hätten ihren 17 Jahre alten Enkel, der von einem Polizisten erschossen worden war, „als Vorwand genommen“, sagte sie gestern dem Sender BFMTV. Sie sei zwar wütend auf den Beamten, wolle aber nicht verallgemeinern. Der Polizist werde bestraft werden wie jeder andere auch. „Ich habe Vertrauen in die Justiz.“ Die Menschen auf den Straßen sollten ruhig bleiben und nicht alles kaputt machen.
Gewaltsame Konfrontationen
Auslöser für die Unruhen war der Tod eines Jugendlichen durch einen Polizisten vor einigen Tagen. Der 17-Jährige war am Dienstag in Nanterre am Steuer eines Autos von einer Motorradstreife gestoppt worden. Als der junge Mann plötzlich anfuhr, fiel ein tödlicher Schuss aus der Dienstwaffe eines Polizisten. Die Beamten hatten zunächst angegeben, der Jugendliche habe sie überfahren wollen.
Erst als sich von Medien verifizierte Videobilder des Vorfalls in den sozialen Netzwerken verbreiteten, rückten sie von dieser Darstellung und der angeblichen Tötungsabsicht des Jugendlichen ab. Der Polizist, der für seinen Tod verantwortlich gemacht wird, kam in Untersuchungshaft. Gegen ihn wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Totschlags eingeleitet.
Der Vorfall hatte eine Welle der Gewalt in Frankreich ausgelöst. Am frühen Samstagmorgen hatte Innenminister Darmanin nach einer weiteren Nacht der Gewalt zwar davon gesprochen, dass diese von „geringerer Intensität“ gewesen sei als zuvor. Die Zahlen, die er präsentierte, klangen aber wenig beruhigend: 1311 Festnahmen - deutlich mehr als in den Nächten zuvor -, 406 davon allein in Paris, sowie 79 verletzte Polizisten.
Der Jugendliche wurde am Samstagnachmittag in seinem Heimatort Nanterre nahe Paris beigesetzt. Beobachter hatten zuvor befürchtet, dass die Beerdigung erneut Öl ins Feuer gießen könnte. Doch in Nanterre blieb es „Le Parisien“ zufolge bis Mitternacht ruhig.
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dpa/seh