Im Kreis Unna bahnt sich nach Meinung der Fraktion eine Finanz-Affäre an: Obwohl der Kreis eigentlich zu äußerster Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit verpflichtet sei, wollten „Verwaltungsspitze und offensichtlich auch Großteile der Politik ohne Not eine Managementholding mit ausgiebig Personal entwickeln“, heißt es seitens der dreiköpfigen Fraktion der beiden Wählergemeinschaften Gemeinsam Für Lünen (GFL) und Wir für Unna (Unna).
Kreistag hat Weiterentwicklung der VBU gefordert
Fraktionsvorsitzender Dr. Johannes Hofnagel: „Dieses Abenteuer wird jährlich rund eine Million Euro verschlingen – letztlich auf Kosten der Kommunen und Steuerzahler im Kreisgebiet.“
Die bestehende Verwaltungs- und Beteiligungsgesellschaft Kreis Unna mbH (VBU) soll bekanntlich zu einer Management-Holding umgebaut werden. Der amtierende Kreisdirektor und -kämmerer Mike-Sebastian Janke ist ab dem 1. April 2024 als neuer Chef vorgesehen. Für den damit vorzeitig beim Kreis ausscheidenden Janke muss ein neuer Kreisdirektor bestellt werden.
Ein politischer Beschluss des Kreistages, die VBU einmal mit strategischen Kompetenzen für alle Töchter auszustatten und eventuell auch gewisse Dienstleistungen wie Personalwesen, Kostenrechnung und IT für alle Kreis-Gesellschaften zu übernehmen, ist schon mehrere Jahre alt.

Verwunderung herrscht nun, auch bei Vertretern anderer Fraktionen, darüber, dass das Vorhaben nun seit wenigen Wochen mit Riesenschritten von der Kreisverwaltung vorangetrieben worden sei – und das ohne öffentliche Beteiligung der Politik, lautet zumindest der Vorwurf.
Hingewiesen wird in diesem Zusammenhang auch auf die Ablösung des langjährigen Geschäftsführers der GWA, Andreas Gérard, zum 31. Oktober. Gérard hatte neben diesem Hauptamt bislang auch nebenamtlich die VBU geführt.
Kreisdirektor in VBU-Sache „befangen“
„Den hoch dotierten Posten des Geschäftsführers erhalten“, heißt es von der Fraktion, solle nun der amtierende Kreisdirektor – über das Gehalt des künftigen VBU-Geschäftsführers ist allerdings öffentlich noch gar nichts bekannt geworden.
Die GfL+WfU-Fraktion bemängelt weiter: Der Wirtschaftsplan sehe die Einstellung von bis zu sieben Mitarbeitern, die Anmietung von Büro- und Besprechungsräumen sowie die Anschaffung der Büroausstattungen vor.
Diese Angaben stehen auch in einer Vorlage für Kreisausschuss und Kreistag in ihren öffentlichen Sitzungen am 9. bzw. 10. Dezember. Angaben zu Kosten werden darin nicht gemacht.
Man sehe in dem gesamten Vorgang auch ein anderes „Geschmäckle“: Der noch im Amt befindliche Kreiskämmerer baue „gerade selbst ein Unternehmenskonstrukt, was er demnächst mit hoher Wahrscheinlichkeit leiten und sein Gehalt deutlich verbessern werde“, heißt es von GfL und WfU. Janke müsse insofern als „befangen“ bezeichnet werden.
Löhr: VBU könnte auch ohne Kreistag entscheiden
Die Vorwürfe der Fraktion hält man bei der Verwaltungsführung im Kreishaus dagegen für nicht stichhaltig. Landrat Mario Löhr wirft Hofnagel vielmehr Populismus vor.
Er habe ein Votum vom Kreistag allein aus Gründen der Transparenz einholen wollen, sagte Löhr am Montag (9.12.) im Gespräch mit unserer Redaktion. Über die Umgestaltung der VBU könnten die Aufsichtsgremien der kreiseigenen Gesellschaft eigentlich auch ohne politische Beschlüsse selbstständig entscheiden. Stelle sich die Mehrheit im Kreistag aber gegen die Pläne, sei das Vorhaben sicherlich in dieser Form vom Tisch.
Den Vorwurf der Befangenheit wies der Landrat ausdrücklich von seinem Kreisdirektor: Alle die VBU betreffenden Vorlagen für die Politik habe nicht Janke entworfen, sondern es seien andere Mitarbeiter der Kreisverwaltung tätig geworden.
Bei den sieben künftigen Beschäftigten der VBU handele es sich um Mitarbeiter aus der Kreisverwaltung, die bislang schon Angelegenheiten der Gesellschaft erledigt hätten. Löhr räumte ein, dass daher die freien Stellen im Kreishaus jedenfalls zum Teil wohl nachbesetzt werden müssten.
Kreisdirektor Janke: VBU-Daten werden erst erarbeitet
Hofnagel, BWL-Professor an der Fachhochschule Dortmund, kritisiert zudem das Fehlen der „sonst üblich vorzulegenden wirtschaftlichen Eckdaten mit Blick auf die nächsten Jahre“. Und weiter: „Da startet gerade ein Blindflug in die Zukunft.“
Man kenne weder genaue Aufwendungen noch die geplanten zusätzlichen Mehrerträge der VBU noch einen Wirtschaftsplan für die nächsten Jahre; folglich fehle auch „eine dezidierte Kosten-/Nutzen-Bewertung“.
Es liege in der Natur der Sache, dass vor dem Aufbau einer Management-Holding noch keine Eckwerte vorliegen können, ergänzte Kreisdirekor Janke im Gespräch mit der Redaktion. Das siebenköpfige Team der VBU solle künftig solche Daten überhaupt erst erarbeiten.
Was das Kosten-Nutzen-Verhältnis angehe, so Janke, werde bei der VBU ja gerade mit dem Ziel personell aufgesattelt, um bei der Arbeit für die Tochtergesellschaften zu Synergieeffekten finanzieller Art zu kommen.
Im Kreisausschuss am Montag sprang SPD-Fraktionsvorsitzender Hartmut Ganzke Landrat und Kreisdirektor zur Seite. Hofnagel habe als Kreistagsmitglied sicherlich das Recht, einen Fragenkatalog an die Kreisverwaltung zu richten. Er, Hofnagel, dürfe nicht beleidigt sein, weil er nicht im Aufsichtsrat der VBU sitze und ihm daher gewisse Informationen fehlten. Er, so Ganze, habe solche Informationen, weil die SPD in dem Gremium vertreten sei.
Ganzke spricht von „Unverschämtheit“
„Schäbig“ und „eine Unverschämtheit“ sei es aber, so Ganzke, dass Hofnagel öffentlich gepostet habe, der Kreisdirektor verletze seinen Berufsethos in dieser Sache. Davon abgesehen habe ein Wirtschaftsprüfer dringend dazu geraten, die Holding VBU nicht mehr nur als bloße Hülle weiterzuführen, sondern mit strategischen Aufgaben auszustatten. Nichts anderes besage auch ein älterer Beschluss des Kreistages.
Hartmut Ganzke hatte den Landrat auch in der Ansicht bestätigt, dass der VBU-Aufsichtsrat auch ohne Abstimmung im Kreistag die Holding-Pläne auf den Weg bringen könnte. Die entgeistert wirkende grüne Fraktionsvorsitzende Anke Schneider stellte daraufhin fest: „Es kann nicht sein, dass wir ein Gremium neben dem Kreistag haben, das mächtiger als der Kreistag ist.“ Die Vorsitzende der Fraktion Die Linke/UWG Selm Katja Wohlgemuth pflichtete Schneider bei.
Keinerlei Äußerungen in der Sache gab es von der zweitgrößten Fraktion, der CDU. Die Abstimmung über den zweiseitigen Antrag der Hofnagel-Fraktion, der Kreispolitik zunächst alle relevanten Eckdaten, Risiko-Bewertungen und Handlungsalternativen darzustellen, wurde wegen Beratungsbedarf bei den Grünen in die Sitzung des Kreistages am Dienstag, 10. Dezember, ab 15 Uhr in der Aula des Hellweg-Berufskollegs in Unna, verschoben.
Johannes Hofnagel musste einräumen, dass er die Summe von „einer Million“ geschätzt habe. Man werde aber „der geplanten Finanz-Affäre entgegentreten“. Es sei „kritisch anzumerken, dass jedes Kreistagsmitglied aufgrund der fehlenden Informationen offensichtlich eigenständig die wirtschaftlichen Aspekte für sich zusammenstellen und abschätzen muss, um die Wirtschaftlichkeitsbewertung vornehmen zu können. Das ist nicht vertretbar.“