NICHTE DAGMAR O. fragt: Lieber Onkel Max! Kürzlich war ich abends mit einer Freundin eine Kleinigkeit essen. Ich habe einen Salat bestellt, sie aber meinte, dass man abends keinen Salat mehr essen dürfe, da der Körper das dann nicht mehr verstoffwechseln könnte und es schwierig für die Leber werden würde. Und auch Obst sollte man ab 16 Uhr nicht mehr essen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Körper Uhrzeiten kennt – was meinst du dazu?
Der Mythos, dass man abends keinen Salat und kein Obst essen soll, weil vor allem Obst im Darm gärt, hält sich hartnäckig, liebe Dagmar. Haltbar sind die Aussagen aber nicht, denn dafür gibt es bislang keinerlei wissenschaftliche Belege, lediglich Erfahrungsberichte.
Prinzipiell geht es mehr um die Frage der Verträglichkeit. Deshalb ist es nicht ratsam, abends generell kein frisches Gemüse, Blattsalate oder frische Früchte und Beeren mehr zu essen. Denn Frischkost ist eine wertvolle Quelle für Vitamine, Mineralstoffe, sekundäre Pflanzenstoffe und Ballaststoffe.
Vielmehr muss jeder Mensch selbst ausprobieren, was und wie viel er in welcher Zubereitungsform verträgt. Und dies ist bei bestimmten Obst- oder Gemüsearten sehr individuell und muss letztlich ausprobiert werden. Und zwar auch, ob es Tageszeiten gibt, zu denen bestimmte Speisen weniger gut bekömmlich sind als zu anderen.
„So kann es durchaus sein, dass Menschen mit empfindlichem Verdauungssystem mit ballaststoffreichen Gemüsearten oder Hülsenfrüchten am Abend nicht gut zurechtkommen, weil diese schwer im Magen liegen“, sagt Dr. Birgit Jähnig vom Bundeszentrum für Ernährung (BZfE). „Mittags kann das kein Problem sein. Andere bekommen grundsätzlich Magengrummeln, Sodbrennen oder Blähungen durch fruchtzuckerreiche oder säuerliche Obstarten – andere vertragen diese aber gut, auch am Abend. Hier ist es hilfreich, achtsam mit dem eigenen Körper umzugehen und sich langsam an zum Beispiel ballaststoffreiche Lebensmittel zu gewöhnen oder nicht bekömmliche Lebensmittel und Speisen zu meiden.“
Je fetter die Speisen, desto länger bleiben sie im Magen
Bestimmte Gemüse wie verschiedene Kohlsorten oder Lauch können eher zu Beschwerden führen, besonders wenn sie selten auf dem Speiseplan stehen. Besser vertragen werden erfahrungsgemäß Blattsalate, Wurzelgemüse wie Möhren und Fenchel oder Tomaten.
Wer Rohkost abends nicht verträgt, kann sein Gemüse auch leicht andünsten oder eine Suppe zubereiten. Wer weiß, dass er diesbezüglich empfindlich ist, verzichtet im besten Fall drei bis vier Stunden vor dem Zubettgehen darauf, noch zu essen. Das gilt aber nicht nur für Frischkost, sondern genauso für den üppigen Braten. Je fetter die Speisen, desto länger bleiben sie im Magen.
Probleme mit der Bekömmlichkeit sind sehr individuell
„Probleme mit der Bekömmlichkeit oder der Verdauung sind sehr individuell und können auch mit dem Tag-Nacht-Rhythmus des Körpers zusammenhängen. Das Forschungsfeld der Chronobiologie beschäftigt sich unter anderem mit den unterschiedlichen Stoffwechselantworten des Körpers im Tag-Nacht-Rhythmus“, berichtet Birgit Jähnig. „Taktgeber der sogenannten inneren Uhren beim Menschen sind vor allem Licht und Nahrungsaufnahme, aber auch soziale Einflüsse. Buyken und Adam (2022) zum Beispiel schreiben, dass am Abend weniger verschiedene Sättigungshormone ausgeschüttet werden, sodass Hungergefühle über den Tag bis zum Abend zunehmen können. Gleichzeitig steigt in der Nacht die Ausschüttung des Sättigungshormons Leptin, sodass nachts in der Regel weniger Hungergefühle entstehen. Der Magen entleert sich am Abend langsamer als am Morgen. Das bedeutet, dass die gleiche Mahlzeit am Abend länger im Magen bleibt als am Morgen oder Mittag. Gleichzeitig sinkt der Energieverbrauch über den Tag, die Wärmeentwicklung im Körper durch Essen geht zum Abend hin zurück und der Grundumsatz sinkt leicht. Diese Stoffwechselreaktionen deuten darauf hin, dass sich der Körper auf die Nachtruhe vorbereitet. Wann die Ruhephase tatsächlich beginnt, hängt vom individuellen Chronotyp (Lerche oder Eule) ab: bei Lerchen oft deutlich früher als bei Eulen. Der Chronotyp scheint Studien zufolge genetisch festgelegt zu sein.“
Den eigenen Biorhythmus kennenlernen
Buyken und Adam (2022), Universität Paderborn und die Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, empfehlen für gute Verträglichkeit des Essens und ein gesundes Körpergewicht, den eigenen Biorhythmus kennenzulernen und im Einklang damit zu leben. Und sie empfehlen, nicht grundsätzlich abends auf frisches Gemüse oder Obst zu verzichten.
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