NEFFE VOLKER J. fragt: Lieber Onkel Max, in dem unterhaltsamen Büchlein „Populäre Weinirrtümer“ von Markus Reckewitz (MRE) findet sich eingangs die Geschichte vom (nicht) verdampfenden Alkohol, wenn er zur Verfeinerung von Speisen während des Garvorgangs in den Kochprozess eingebracht wird. Gibt es lediglich die zitierte Studie aus Idaho?
In der Studie, die du meinst, lieber Volker, sind Forscher der Universität Idaho in Laborversuchen zu folgenden Ergebnissen gekommen: Wenn man eine Soße mit etwas Alkohol verfeinert, und diese nur kurz aufkocht, bleiben noch 85 Prozent des Alkoholgehalts erhalten. Lässt man dagegen das Essen 30 Minuten lang sieden, hat man schließlich nur noch 35 Prozent des Alkohols. Und nach zweieinhalb Stunden Köcheln oder Schmoren sind dann lediglich noch vier bis sechs Prozent des Alkohols vorhanden.
Dass Ethanol (Alkohol) selbst in einfachen Wasser- Ethanol-Mischungen in geringen Mengen bis 100 Grad Celsius verbleibt, liegt daran, dass sowohl Wasser als auch Ethanol über ganz bestimmte Kräfte (Dipolkräfte / Wasserstoffbrücken) wechselwirken. Wassermoleküle halten sozusagen Ethanolmoleküle etwas fest. Daher kann Alkohol nicht ungestört bei 78 °C verdampfen“, sagt Prof. Dr. Thomas A. Vilgis vom Max-Planck-Institut für Polymerforschung. „Bei Speisen und Soßen kommt allerdings noch etwas hinzu, was meist vergessen wird, denn dort liegen meist Emulsionen vor. Fett/Öl sind in die Wasserphase als Tröpfchen emulgiert. Und genau darin löst sich Ethanol auch gut! Dann sind genau diese Alkoholmoleküle in den Öltröpfchen quasi eingesperrt.“ Und genau dieses Ethanol sorgt dafür, dass noch etwas mehr Ethanol in der Soße verbleibt, als in einer Wasser-Ethanol Mischung. „Um den Führerschein muss man wegen des Soßenalkohols allerdings nicht bangen. Meist sind die zugegebenen Alkoholmengen klein, sie dienen ja nur als ‚Gewürz‘, sodass die wässrige Phase der Soße den Alkoholgehalt in der Regel stark verdünnt“, versichert Prof. Vilgis.
Entscheidend ist die Art der Zubereitung
Reiner Alkohol verdampft zwar bei Temperaturen von ungefähr 78 Grad. Doch diesen Alkohol verwenden wir beim Kochen nicht, sondern häufig Wein.
Und Wein enthält eben wesentlich mehr Wasser. Übrigens entscheidet auch die Art der Zubereitung darüber, wie viel Alkohol letztlich in den Speisen enthalten bleibt: In Kopenhagen haben Forscher im Jahr 2017 nachgewiesen, dass beim Schmoren in einem Topf mit Deckel deutlich mehr Alkohol zurückbleibt als beim Köcheln in einem offenen Topf.
Noch ein Wort zum von dir genannten Büchlein und der Frage, ob es noch weitere Studien gibt: „Die Ausführungen von Markus Reckwitz sind grob richtig, allerdings ist das Ganze doch etwas komplexer und das Wasser auch nicht salopp ‚böse‘. Die von ihm zitierte Studie scheint es nicht als Publikation zu geben, sondern nur als Pressemitteilung. Ich habe jedenfalls nichts in den einschlägigen Datenbanken dazu gefunden. Es gab schon 1992 eine Publikation von Augustin et al. (Augustin, J., Augustin, E., Cutrufelli, R. L., Hagen, S. R., & Teitzel, C. (1992). Alcohol retention in food preparation. Journal of the American Dietetic Association, 92(4), 486-489.)“, so Prof. Vilgis.
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