Frag doch Onkel Max Ist das Läuten der Kirchenglocken noch zeitgemäß?

Frag doch Onkel Max: Ist das Läuten der Kirchenglocken noch zeitgemäß?
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NEFFE TOBIAS O. fragt: Lieber Onkel Max, immer mehr Menschen treten aus der Kirche aus und immer weniger gehen in die Kirche. Ich wohne im Schallbereich eines Gotteshauses und muss zu bestimmten Zeiten, insbesondere zum Angelusläuten oder bestimmten Anlässen, einen Geräuschpegel von teilweise über 80 Dezibel über mich ergehen lassen. Wo heute jeder über eine Uhr oder Handy verfügt, stelle ich dir insbesondere vor dem Hintergrund, dass Lärm krank machen kann, folgende Frage: Sind laute Kirchenglocken noch sinnvoll und zeitgemäß?

Das ist eine durchaus schwierige Frage! Natürlich kann ich gut verstehen, dass dich das laute Läuten oftmals stört. Doch was den einen zu laut erscheint, ist für andere unverzichtbar und weckt ganz andere Gefühle.

Grundsätzlich ist es übrigens so, dass das Läuten von Glocken nicht zwangsläufig zum christlichen Gottesdienst gehört, lieber Tobias. Ich habe für dich einmal beim Bistum Münster nachgefragt, ob das Glockenläuten in Kirchenkreisen noch als zeitgemäß empfunden wird. „Es gibt Länder und Regionen, in denen viel weniger oder gar nicht am Tag oder zu besonderen Anlässen geläutet wird. Das Glockengeläut, so wie wir es bis heute erleben, hat sich vor allem im deutschsprachigen Raum ausgebreitet“, erklärt dazu Karl Kemper, Propst St. Peter Recklinghausen und Kreisdechant im Kreisdekanat Recklinghausen.

So gesehen ist es ein Merkmal unserer Kultur und hat sich über einen langen Zeitraum entwickelt. Dabei hat es übrigens zusätzliche Funktionen erhalten: Es warnt oder verkündet Trauer, und es ruft zum Frieden auf oder verkündet diesen.

Durch eine verminderte Anzahl von Gottesdiensten und die Aufgabe einer ganzen Reihe von Kirchen ist das Glockengeläut in Deutschland übrigens inzwischen viel seltener geworden.

Nun zu deiner eigentlichen Frage, der Sinnhaftigkeit des Glockenläutens. Hierzu hat Karl Kemper folgende Anmerkungen: „Es bleibt also die Frage, ob wir auch hier ein Stück unserer eigenen Kultur ganz aufgeben möchten? Die Frage, ob etwas zeitgemäß ist, erscheint mir zwiespältig. Jede Zeit baut auf die vorherige auf und entwickelt eigene Formen und Lebensarten. Wer aber bestimmt, ob etwas einer Zeit gemäß ist? Welche Moden setzen sich am Ende durch? Ist alles, was zu unserer Zeit gehört gleichzeitig auch gut oder richtig? Und schließlich müsste die Frage nicht lauten: Was dem Menschen gemäß ist? Mitunter drängt sich der Eindruck auf, dass das Argument des Zeitgemäßen schnell hervorgeholt wird, wenn es eigentlich darum geht: ‚Mich stört das. Bitte weg damit!‘“

Dem Tag einen Rhythmus geben

Die katholische Kirche sieht die Sache also eher so: Das Läuten zu Gottesdiensten ist eine seit Jahrhunderten überlieferte Form der freien Religionsausübung. „Außerhalb von Innenstädten standen Kirchen oftmals bevor die Häuser in unmittelbarer Nähe der Kirchen gebaut wurden. Das tägliche Angelus-Läuten, das in der Regel nur mit einer Glocke durchgeführt wird, kann nicht nur für Christinnen und Christen eine gute Bedeutung haben. Von seinem Sinn her soll es dem Tag einen Rhythmus geben, indem es ihn drei Mal kurz unterbricht. Das Läuten ist ein Zuspruch an jeden: Jetzt betet jemand für dich.

Das Unterbrechen des Alltags ist eine gute Erinnerung, diesen an die eigenen höheren Ideale anzubinden. Diese werden nicht selten viel zu schnell in der Hektik und Geschäftigkeit vergessen. Das Läuten möchte an die Einzigartigkeit und Kostbarkeit der gelebten Zeit erinnern. Zugleich mahnt es, dass unser Leben nicht alle Zeit der Welt hat. Unsere modernen Uhren geben mittlerweile auch den Rhythmus und die Gesundheitsfunktionen unseres Körpers an. Das Läuten drängt sich in unser Leben, um uns zu erinnern, dass wir mehr sind und es auch noch eine andere Gesundheit gibt. Der Verzicht auf diese Kultur wäre aus meiner Sicht ein gesellschaftlicher Verlust“, so der Kreisdechant.

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