NEFFE THOMAS R. fragt: Lieber Onkel Max! Mir fällt schon seit längerer Zeit auf, dass man Menschen in der Werbung und in der Medienwelt zunehmend automatisch mit „Du“ anspricht. Woher kommt das? Das war doch in meiner Kindheit, vor über 40 Jahren, noch anders. Mit spätestens 18 wurde man sozusagen automatisch gesiezt. Auch in der Werbung, solange man über 16 war. Ist da ein amerikanischer Einfluss vorhanden?
Ich kann deinen Ausführungen nur zustimmen, lieber Thomas. Denn in der Tat ist es so, dass sich der Trend zum Duzen in den letzten Jahren in Deutschland vervielfacht hast. „Für die Gruppe der Duz-Fans ist dies sicher eine positive Entwicklung“, meint Inge Wolff, Vorsitzende Arbeitskreis Umgangsformen International (AUI), Präsidentin des Bundesverbandes für AUI-Business-Knigge Training und Coaching (BvKnigge) und Präsidentin der Umgangsformen-Akademie Deutschlands. „Doch was ist mit denjenigen, die sich von der allgemeinen Duzerei überrumpelt bis hin zu respektlos behandelt fühlen? Für die ein Du nach wie vor bestimmten gut bekannten und selbst ausgewählten Menschen vorbehalten bleiben soll? Haben die nicht das gleiche Recht, sich mit einer Anrede wohlzufühlen, wie die der ‚Duz-Liga‘ Angehörenden?“
Da dies zweifelsfrei mit einem „Ja“ zu beantworten sei, so der AUI, empfehle es sich, zwei bislang in Deutschland bestehende Gepflogenheiten beizubehalten: „Erstens: Fremde Erwachsene siezen sich erst einmal – bekannte Gruppen-Dus oder firmeninterne Anweisungen ausgenommen. Zweitens: Der Übergang zum Du bedarf einer Absprache zwischen zwei Menschen jenseits des Teenageralters.“
Und hier noch ein paar Tipps vom AUI, wie das in der Praxis am besten gelöst werden kann:
Betriebsintern haben grundsätzlich hierarchisch Höherstehende das Recht, sich pro oder kontra Duzen mit Mitarbeitenden zu entscheiden. Deshalb soll ein entsprechendes Angebot stets von Vorgesetzten ausgehen. Ebenso ist das zwischen Lehrkräften, ganz gleich bei welcher Institution, und den von ihnen Unterrichteten.
Neulinge sind im beruflichen Umfeld gut beraten, wenn sie auch innerhalb einer Hierarchiestufe abwarten, ob seitens der bereits länger dort Tätigen das Du angeboten wird, statt dies von sich aus zu tun. All das hat selbstverständlich keinen Bestand, wenn es innerbetriebliche Anweisungen zu einem allgemeinen Du gibt, welches in manchen Firmen zum Beispiel vom Azubi bis zur Vorstandsvorsitzenden reicht.
In allen sonstigen Konstellationen gilt: Hat sich zwischen zwei Menschen eine so persönliche, freundschaftliche Verbindung entwickelt, dass der Wunsch besteht, vom Sie zum Du überzugehen, werden die privaten Gepflogenheiten beachtet. Das bedeutet: Innerhalb einer Generation ist es unerheblich, wer wem das Du anbietet. Bei großem Altersunterschied – ab etwa 30 Jahren – steht der älteren Person das Recht zu, ein solches Angebot zu unterbreiten.
Nicht jeder Erwachsene möchte in der Kneipe geduzt werden
Im Umgang mit der Kundschaft ist es selbst für vergleichsweise sehr viel Ältere empfehlenswert, äußerst gut zu überlegen, ob ein DuzAngebot willkommen sein könnte. Ganz zu schweigen von einem als selbstverständlich vorausgesetzten Du. Längst nicht jeder erwachsene Mensch ist begeistert davon, wenn er etwa in einem gastronomischen Betrieb, in einem Geschäft oder sonst wo ungefragt geduzt wird. Die erste Möglichkeit, sich in solchen Fällen dagegen zu wehren ist, selbst konsequent beim Sie zu bleiben. Inzwischen sind zunehmend mehr Teams von ihren Unternehmen angehalten, für solche offensichtlichen Wünsche der Kundschaft sensibel zu sein und darauf auch mit der Anrede einzugehen. Bleibt diese gewünschte Reaktion aus, kann es sinnvoller sein, explizit um eine Sie-Anrede zu bitten, als die entsprechende Lokalität in Zukunft zu meiden. Anders ist das bei einem sogenannten Gruppen-Du, das zum Beispiel im Sport üblich ist. Dann kann ein Bestehen auf dem Sie schnell zu Ausgrenzung führen.
Eine Duz-Offerte zurückzuweisen, ist nicht unhöflich
„Wichtig ist bei jedem Duz-Angebot, es so zu gestalten, dass die gefragte Person ohne Schwierigkeiten ablehnen kann. Der Grund: Es gibt ungefähr genauso viele Deutsche, die ein Sie vorziehen und sich mit dem Duzen unwohl fühlen, wie es Duz-Fans in unserem Land gibt. Deshalb ist diese Aussage relevant: Eine Duz-Offerte zurückzuweisen, ist das gute Recht eines jeden Menschen und auf keinen Fall unhöflich! Dies freundlich und ohne zu verletzen zu formulieren, ist allerdings ein Gebot der Höflichkeit“, so Wolff.
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