Bochumer Medican-Chef erneut festgenommen Erkrankung simuliert? Wollte er den Prozess platzen lassen?

Fluchtgefahr: Bochumer Medican-Chef festgenommen: Wollte er seinen Prozess zum Platzen bringen?
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Spektakuläre (Wieder-)Festnahme am Rande des zweiten Prozesses um millionenschweren Abrechnungsbetrug mit Coronatests. Dem früheren Chef der bundesweit bekanntgewordenen Bochumer Firma „Medican“ wurde am Montag (16.12.) am Landgericht Bochum gestützt auf akute Fluchtgefahr ein Haftbefehl verkündet. Das bestätigte eine Gerichtsprecherin auf Anfrage.

Die nicht-öffentliche Verhandlung über die Verkündung des Haftbefehls war offiziell für 16 Uhr in Saal A1.18 auf dem Terminbildschirm im Foyer des Bochumer Justizzentrums angezeigt worden. Festgenommen worden war der 51-Jährige offenbar einige Stunden zuvor.

Nach Informationen dieser Redaktion soll der Ex-Medican-Boss angeblich zuletzt versucht haben, eine Verhandlungsunfähigkeit vorzutäuschen. Wollte er simulieren und seinen Prozess zum Platzen bringen?

Der Termin zur Haftbefehlsverkündung gegen den Ex-Medican-Chef am 16.12.2024 wird am Bildschirm im Foyer des Justizzentrums angezeigt.
Der Termin zur Haftbefehlsverkündung gegen den Ex-Medican-Chef am 16.12.2024 wird am Bildschirm im Foyer des Justizzentrums angezeigt. © Werner von Braunschweig

Der auf Anordnung des Bundesgerichtshofs notwendig gewordene zweite Betrugs-Prozess gegen den Bochumer Unternehmer läuft bereits seit Februar 2024. In den vergangenen Wochen hatte der Angeklagte über gesundheitliche Probleme geklagt.

Die Richter der 2. Strafkammer hatten im weiteren Verlauf mit Blick auf den Gesundheitszustand des Angeklagten auch bereits zweimal offizielle Verhandlungstermine in eine Klinik verlegt, um eine fristgerechte Fortsetzung der Langzeitverhandlung zu gewährleisten. Dazu muss man wissen: Zwischen zwei Prozessterminen dürfen in der Regel maximal drei Wochen liegen.

Die Bochumer Staatsanwaltschaft wirft dem Unternehmer vor, im Frühjahr 2021 fast eine Million gar nicht durchgeführte Corona-Schnelltest abgerechnet zu haben und das Bundesvermögen dadurch um 20,8 Millionen Euro geschädigt haben.

Durch künstlich aufgeblähte Sachkosten und fälschlicherweise als ärztlicher Leistungserbringer abgerechnete Posten soll sich die Firma „Medican“ darüber hinaus weitere 4,3 Millionen Euro betrügerisch auf ihr Konto spülen lassen haben.

Die 6. Wirtschaftsstrafkammer am Bochumer Landgericht hatte den Chef der Firma Medican am 24. Juni 2022 zu sechs Jahren Haft verurteilt und den Familienvater zeitgleich nach einem Jahr vorerst aus der U-Haft entlassen.

Vorausgegangen war dieser Entscheidung ein umfangreiches Geständnis des 51-Jährigen, das schlussendlich Basis für eine offizielle Verständigung über das zu verhängende Strafmaß (sechs bis sechseinhalb Jahre Haft) gewesen ist.

„Es ist richtig, dass ich falsche Angaben in Bezug auf die abzurechnenden Corona-Schnelltests gemacht habe. Ich möchte hierfür in aller Form um Entschuldigung bitten und bedauere neben dem hohen Schaden auch andere Menschen in Schwierigkeiten gebracht zu haben“, hatte der Unternehmer seinerzeit wörtlich erklären lassen.

Ungeachtet des Geständnisses und der getroffenen Verständigung hatte der Verurteilte danach trotzdem von seinem Recht Gebrauch gemacht, Revision einzulegen und das Urteil vom Bundesgerichtshof auf Rechtsfehler überprüfen lassen.

Weil der BGH ein bereits vor der offiziellen Verständigung über die Strafe stattgefundenes, später aber nicht dokumentiertes Vorgespräch des Vorsitzenden Richters mit einem Verteidiger über unverbindliche und allgemeine Fragen der Haftverschonung als „Verfahrensverstoß“ und gravierenden „Transparenzmangel“ bewertete, wurde das Urteil gekippt und mit Beschluss vom 24. Mai 2023 eine Neuverhandlung vor einer anderen Bochumer Wirtschaftsstrafkammer angeordnet.

Fakt ist: Schon sein Geständnis hatte der Medican-Boss im ersten Prozess auf skurrile Weise flankiert mit dem Kürzel „u.E.m.F“ unterzeichnet. Was angeblich bedeuten sollte: unter Erpressung meiner Freiheit.

Im nun zweiten Betrugsprozess nahm der 51-Jährige darauf indirekt Bezug und wollte von dem einstigen Geständnis nichts mehr wissen. „Das Geständnis gibt es nicht mehr. Der BGH hat alles auf Null gestellt“, hatte einer der Verteidiger im Anschluss an die Anklageverlesung erklärt.

Indirekt verwies der Anwalt damals darauf, dass der 51-Jährige damals alles nur zum Schein zugegeben hat. „Er hätte damals wohl alles unterschrieben, um aus der U-Haft zu kommen und zu seiner Familie zurückkehren zu können“, hieß es. Das Geständnis sei damals nur abgegeben worden, „weil er nicht mehr konnte“.

Angeblich befand sich der zweite Medican-Prozess nach zehn Monaten Verhandlung auf der Zielgeraden. Ob und inwieweit die aktuelle Festnahme eine Veränderung bewirken, ist unklar.

Sicher ist indes: Ab sofort wird der „Medican-Chef“ wieder als Angeklagter aus dem Gefängnistrakt vorgeführt. Stand jetzt sind für den Prozess noch Sitzungstage bis zum 15. Januar anberaumt.