Finger weg von Pippi Langstrumpf Leserreaktionen zu politisch korrekten Büchern

Finger weg von Pippi Langstrumpf: Leserreaktionen zur Political Correctness
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„Es ist sicherlich richtig, dass in literarischen Werken, Filmen und auch Bildern vergangener Zeiten Begrifflichkeiten, Beschreibungen und Darstellungen verwandt wurden, die heutzutage als diskriminierend, ehrverletzend oder einfach als falsch anzusehen sind. Aber sind diese Werke nicht gleichzeitig auch „Zeitzeugen“ vergangener Jahre, Jahrzehnte und Epochen, die eine Sicht auf und eine kritische Auseinandersetzung mit vergangenen Weltanschauungen, Denkweisen und gesellschaftlichen Wertvorstellungen ermöglichen?

Muss nicht genau an dieser Stelle Bildung ansetzen? Beschreiben und informieren, wie es früher war und warum es heute anders ist? Wie soll sich ein Mensch z.B. kritisch mit der Zeit des Nationalsozialismus auseinandersetzen, ohne die Sprache, das Denken und die sozialpolitischen Hintergründe erfahren und hinterfragen zu können?

Wie sollen Lernende, heranwachsende Menschen für Sprache und deren Verwendung sensibilisiert werden, ohne die Schattenseiten von Sprache und Weltanschauungen kennenzulernen? Die Welt ist leider nicht rosarot und Schönmalerei hilft m.E. leider auch nicht bei der Sensibilisierung, Bildung und Erziehung.“ Thorsten Hibbeler

„Alles, was unsere Mitmenschen kränkt, sollten wir künftig unterlassen. Das bedeutet aber nicht, dass die Klassiker der Literatur umgeschrieben werden müssen. Hier sollte auf dem Umschlag auf den Zeitgeist der Niederschrift hingewiesen werden und das sollte ausreichend sein.“ Bruno Lindemann, Dorsten

„Meine Leistungskurse in der Schule waren Deutsch und Englisch – zwei Fächer, in denen Literatur analysiert wurde im Kontext der Zeit. Welchen Sinn hätte es überhaupt noch, Literatur zu studieren, wenn wir alles mit unserer aktuellen Brille „revidieren“?

Müssen wir dann regelmäßig alle Bücher wegen neuer „Tabu-Wörter“ durchforsten? Wer hätte die „Lizenz“ zum Übersetzen und zur Auslese für die Bibliotheken? „Fett“ ist nicht das gleiche wie „enorm“ und „attraktiv“ nicht das gleiche wie „gütig“! Nein, danke, solche Bücher will ich nicht lesen. Ich stehe zu Artikel 5 des Grundgesetzes: keine Zensur!“ Beatrix Wieczorek, Unna

„Die Veränderung der Ursprungsfassung von Büchern stellt meiner Meinung nach eine Zensur dar. Nach Jahrzehnten oder über hundert Jahre später wird von einer grünen/linken Minderheit gegen Begriffe gewettert, die nun als verletzend oder rassistisch angesehen werden.

Man sollte die alte Literatur aber bestehen lassen, da der Autor eine Änderung sicherlich nicht gewollt hat, und es nunmehr eine Verfälschung seines Werkes ist. Die Literatur muss auch immer im Zusammenhang mit der Zeit gesehen werden, in der sie geschrieben worden ist. Eine Auseinandersetzung mit der Originalschrift wäre in nachfolgenden Zeiten nicht mehr möglich.

Dieser kleine Kreis will bestimmte Literatur ächten, die seiner aktuellen Meinung nicht entspricht und womöglich auch gänzlich aus der Büchereien und Verkauf entfernen. Mit dieser Vorgehensweise ist diese Gruppe nicht mehr weit entfernt von der Vorgehensweise totalitärer Regime.“ Herbert Lusts, Kamen

„Jedes Ding hat seine Zeit und in dieser sollte man es auch betrachten. Was da heute über Karl May und Pipi Langstrumpf geschrieben wurde, ist hanebüchen! Bald sind wir wieder bei der Bücherverbrennung der Nazis angelangt, soweit sollte es doch nie wieder kommen, entartete Kunst soll es nicht mehr geben.

Wer erinnert sich noch an „1984“? Da wurden die Zeitungen umgeschrieben, je nachdem, mit welchem Nachbarn man gerade im Krieg war – das berühmte Wahrheitsministerium. Es wird niemand daran gehindert, bei aktuellen Werken den aktuellen Sprachgebrauch zu verwenden. Alte Werke muss man vor dem zeitlichen Hintergrund betrachten.

Bei „Ein Herz und eine Seele“ wird vor der Ausstrahlung aktuell darauf hingewiesen: „Das folgende Programm wird, als Bestandteil der Fernsehgeschichte, in seiner ursprünglichen Form gezeigt. Es enthält Passagen, die heute als diskriminierend betrachtet werden können.“ So kann man es machen, aber niemand würde eine Serie aus den 70er-Jahren neu synchronisieren … Übertreibt es nicht!“ Jürgen Utecht, Dortmund

Schauspielerin Inger Nilsson in einem Film von 1968 als "Pippi Langstrumpf".
Im Kinderbuch-Klassiker „Pippi Langstrumpf“ hat der deutsche Verlag Oettinger das Wort „Negerkönig“ durch „Südseekönig“ ersetzt und folgte damit dem schwedischen Originalverlag. © picture-alliance/ dpa

„Die Pyramiden von Gizeh sind Monumente brutaler Sklaverei. Als solche sind sie ebenso abzureißen wie die Akropolis, das Forum Romanum, die WM-Stadien in Katar und vieles andere mehr. Oder man sagt: Wir Menschen wollen aus unserer Geschichte lernen, und betrachten solche Kulturgüter (auch) als Gedenkstätten. Das muss dann aber auch für Literatur und Filme gelten. Alles andere ist Geschichtsfälschung, und Gott sei Dank haben wir hier noch so viel Meinungsfreiheit, dass jede(r) sagen darf, dass er Winnetou klischeehaft und den Negerkönig schlimm findet.“ Ulrich Wittenbrinck, Dortmund

„Sie schreiben, was der Ravensburger Verlag auch selbst sagt, dass der Druck über das Internet kommt. Ein großer Teil der Gesellschaft ist aber gar nicht auf den sogenannten sozialen Medien (asozial trifft es eigentlich besser) unterwegs. Deren Meinung wird daher kaum oder gar nicht berücksichtigt. Die lautstarke Minderheit bestimmt also, was mit Büchern, Filmen, Sprache passiert?“ Christina Meyer

„Das Verbieten von Originalfassungen von Büchern geht gar nicht. Es ist doch ganz einfach. Wenn ich einen Autor für rassistisch, frauenfeindlich oder diskriminierend halte, dann lese ich sein Buch eben nicht oder beende es. (...) Ich bin sowieso der Meinung, dass sich mittlerweile eine Gruppe von Tugendwächtern herausgebildet hat, die in vorauseilendem Gehorsam festlegt, wann jemand sich beleidigt fühlen muss, selbst wenn der eigentlich Betroffene das anders sieht. (...) Wehret den Anfängen! Nur Diktaturen haben Angst vor Büchern.“ Michael Sandkühler, Marl

„Zunächst mein Kompliment zu Ihrer Rubrik „Alles sagen!“ Es ist wichtig, sich kontroverser Themen anzunehmen und zur Auseinandersetzung damit aufzufordern. Als Mitglied der Babyboomer-Generation der 1960er-Jahre kann ich, der mit dieser Literatur und den dazu einhergehenden Filmen aufgewachsen ist, nur antworten: Ganz klar muss es die Gesellschaft aushalten.

Der „Negerkönig“ war in keiner Weise negativ besetzt. Pippi, wie wir auch als Kinder, hatten alle Ehrfurcht vor einem mächtigen, schlauen Negerkönig. Oder nehmen wir Jim Knopf. In meiner Erinnerung und sicher vieler Millionen Gleichaltriger war diese Figur nur sympathisch, jederzeit liebevoll betrachtet und hat uns zu damaliger Zeit „Fremdes“ nähergebracht und die Aufnahme der Geschichten und handelnder Filmfiguren ist bis heute absolut positiv im Gedankengut haften geblieben.“ Karl-Heinz Freischläger, Dortmund

„Ich arbeite seit über 40 Jahren in einer öffentlichen Bibliothek. Nicht die Kinder machen sich Gedanken über Rassismus, sondern die Erwachsenen. Für die Kinder ist es nur ein Buch, das sie eigentlich auch nicht lesen möchten, weil es so viele neue Bücher gibt, die viel interessanter sind.

Warum diese Bücher nicht so lassen, wie sie sind? Es ist ein Buch der Zeit! Auch die Bibel oder der Koran sind voll mit verstecktem Rassismus bzw. unpassenden Wörtern und Aufrufen zu Gewalttaten! Diese Bücher sind ein Teil unserer Geschichte, sie sollten nicht verboten oder umgeschrieben werden, sondern es soll Aufklärungsarbeit geleistet werden.“ Barbara Daniel

Und hier zwei Lesermeinungen zum Artikel über Political Correctness in Lehre und Forschung:

„Auch in den Schulen, also auf der den Universitäten vorgeschalteten Ebene, ist immer mehr „Ideologie-Druck“ zu spüren. Man denke da z. B. an den Themenkomplex „Gendern“. Hier werden mit Konzepten zu queerer Pädagogik und Vermittlung gendersensibler Sprache stark ideologisch geprägte Inhalte etabliert, die viele als fragwürdig empfinden. Widerspruch unerwünscht.

Dabei sollten Bildungseinrichtungen die Urteils- und Diskursfähigkeit junger Menschen entwickeln und schärfen. Das führt im besten Fall dazu, dass sie aus eigener Erkenntnis unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung für gut befinden und dann auch verteidigen. Ideologiegeleitete Gesinnungserziehung dürfte da am Ende eher kontraproduktiv sein.“ Veronika Bredenbrock, Holzwickede

„Ein interessanter Artikel – aber noch interessanter ist die Tatsache, wie der Sprachwissenschaftler Stellung bezieht. Statt auf die Inhalte von Frau Kostner einzugehen, nutzt er genau die Mechanismen, die angeprangert werden. Er stellt einfach mal die „Umstrittenheit“ des Netzwerks fest, aufgrund geringer Mitgliederzahl. Das ist keine inhaltliche Auseinandersetzung, sondern eher eine Bestätigung der Vorwürfe, dass Gegenmeinungen nicht mehr akzeptiert werden. Genauso wie sein Zahlenspiel auch als Beweis dienen könnte, dass eine Menge Wissenschaftler es nicht mehr wagen, sich namentlich zu äußern.“ Mik Schulz, Dortmund

Lesermeinungen müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen. Sie behält sich aus technischen Gründen das Recht auf Kürzungen vor.

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