Felicitas Bruckers Anna lässt sich nicht vereinnahmen „Trommeln in der Nacht“ in Bochum

Felicitas Bruckers Anna lässt sich nicht vereinnahmen
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Regisseurin Felicitas Brucker hat Bertolt Brechts „Trommeln in der Nacht“ in die Gegenwart verlegt, mit Texten von Seyda Kurt versetzt und dem Stück so ein feministisches Ende beschert. Die spannende, 90-minütige Inszenierung bejubelte das Premierenpublikum am Freitagabend im Schauspielhaus Bochum.

Roboterhaft-anmutend tanzen Anna, ihre Eltern und ihr Liebhaber Murk in den Bühnenvordergrund, und während das Spiel beginnt, bauen die Bühnenarbeiter ein abstraktes Zimmer zusammen. Der berühmte Satz „Glotzt nicht so romantisch“ ist auf einer Wand zu lesen – unwahrscheinlich, dass das in dieser Inszenierung passiert.

Mit dem Auto geht es zur Verlobungsfeier in der Bochumer Inszenierung.
Mit dem Auto geht es zur Verlobungsfeier in der Bochumer Inszenierung. © Joerg Brueggemann / OSTKREUZ

Erzählt wird die Geschichte vom Kriegsheimkehrer Kragler, die Maske hat Stefan Hunstein eine schreckliche Kriegsverletzung ins Gesicht geschminkt, der seine Braut Anna von einem anderen geschwängert vorfindet. Er will nicht mehr kämpfen, will mit Anna ins „große weiße Bett“, bei Brecht klappt das, in dieser Fassung nicht. Denn Linde Decrons Anna erteilt ihm ebenso eine Absage wie Murk (Vincent Redetzki), dem Erzeuger ihres Kindes.

Zuvor hatten die Eltern, cross-gender mit Jele Brückner und Oliver Möller besetzt, ihre Tochter zur Heirat mit Murk überredet. Doch bevor sie zur Feier in die Bar ziehen, taucht der tot geglaubte Kragler auf. Er wirkt im schicken Anzug wie ein Fremdkörper, denn Henriette Müller hat ziemlich hässliche Kostüme für das übrige Ensemble entworfen.

Technik-Panne bei der Premiere

Zur Verlobungsfeier geht es mit einem Auto, ein Gefährt, das Bühnenbildnerin Viva Schudt mit einer altmodischen Fahrzeugfront versehen hat. Doch dann gibt`s eine Panne: Die Hubtechnik, die die Bar aus dem Bühnenboden nach oben fahren soll, funktioniert nicht. Nach ein paar Minuten spielen die sechs Mimen versiert weiter.

Und auch die Videoeinspielung, Migranten sprechen Sätze wie „Westliche Werte verteidigen“, sorgt für eine Unterbrechung des Spiels der Liebes- und Kriegsheimkehrer-Geschichte, die vom rasenden Reporter (quirlig: Jakob Schmidt) gefilmt und kommentiert wird.

Traum von einer Utopie

Gegen Ende macht sich Kragler über die Publikumsreihen aus dem Staub – und Anna zieht es zu den Aufständischen. Effektvoll lassen sich drei Revolutionäre erschießen: Auf den weißen T-Shirts klaffen blutrote Wunden.

Als Geister kehren Anna und die Prostituierte Marie, die auch Jele Brückner gibt, zurück und sehnen sich nach „Verbundenheit ohne Unterwerfung“, träumen von einer Utopie.

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Weitere Aufführungen

Termine: 23. 4., 2. / 11. 5.2025; Karten: Tel. (0234) 33 33 55 55.

www.schauspielhausbochum.de

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