Die Freunde heiraten, bekommen Kinder - zwischen 30 und 40 ist das Leben oft von Familienplanung geprägt. Fast jeder Vierte in diesem Alter aber ist Single. Wie sieht es mit dem Glück aus?
Dieser Artikel wurde erstmals 2018 veröffentlicht.
Abends, wenn Michael (Name geändert) von der Arbeit nach Hause kommt, wartet niemand auf ihn. Michael ist schon seit längerer Zeit ohne Partnerin. Das war in seinen Dreißigern so und ist bis heute so geblieben. Michael ist 42. „An meiner Situation hat sich in all den Jahren nichts geändert“, sagt er.
Der Halterner blickt zurück. „Klar“, sagt er, „da waren immer mal wieder zwischendurch ein paar Geschichten“. Diese Beziehungen seien aber nie von Dauer gewesen.
Michael hat nach eigener Aussage einen gut funktionierenden Freundeskreis, viele Kontakte. Nichts sei schlimmer, als die besten Freunde und Freundinnen heiraten zu sehen. „Oder sie mit ihrem Nachwuchs zu erleben“, erklärt er wehmütig. Das nehme er dann mit einem lachenden und einem weinenden Auge zur Kenntnis. Denn auch Michael wünscht sich eine Familie.
Zwischen 20 und 30 sei das noch anders gewesen. „Man hat Zeit, beruflich mehr Gas zu geben, wenn man alleine ist.“ Das sei auch wichtig. Auch Michael hat sich beruflich zunächst mal entfaltet, eine feste Beziehung war zweitrangig.
Zuerst die Selbstverwirklichung, dann die Partnerschaft
Einzel- und Paarberaterin Lisa Fischbach bezeichnet dieses Verhalten als ganz typisch: „Zwischen 20 und 30 will man zuerst mehr von sich erfahren, sich selbst entwickeln“, sagt die Psychologin, die in Hamburg eine eigene Praxis führt und zugleich Forschungsleiterin bei der Partner-Vermittlungsagentur Elite Partner ist. Dort ist sie auch verantwortlich für die Studie „So liebt Deutschland“ 2018, die als bevölkerungsrepräsentative Untersuchung interessantes belastbares Zahlenmaterial enthält. Mehr als 2300 Männer und Frauen im Alter 30 bis 39 in ganz Deutschland wurden befragt.
„In den Zwanzigern stellt man sich selbst in den Mittelpunkt“, erklärt Lisa Fischbach. Auch beruflich wolle man sich in aller Regel zuallererst selbst verwirklichen. Gegen Ende der Zwanziger ändere sich dann der Fokus. „Dann will man eine Familie gründen und begibt sich auf Partnersuche“, stellt die Psychologin fest.
Anteil der Singles sinkt mit zunehmendem Alter
49 Prozent der 18- bis 29-Jährigen waren zum Zeitpunkt der „So liebt Deutschland“-Umfrage Singles, wobei Männer sich tendenziell etwas später binden. In der Gruppe der 30- bis 39-Jährigen betrug der Single-Anteil dagegen nur noch 23 Prozent. Wie sieht es da mit der Zufriedenheit aus?

Lisa Fischbach ist Einzel- und Paarberaterin und Forschungsleiterin bei der Partner-Vermittlungsagentur Elite Partner. © www.ingasommer.de
„Ich bin nicht gerne allein,“ betont Michael. „Und ich persönlich kann mir auch nicht vorstellen, dass jemand als Single wirklich glücklich und zufrieden ist.“ Tatsächlich gaben im Rahmen der Studie 44 Prozent der Single-Frauen und gut 51 Prozent der Single-Männer im Alter zwischen 30 und 39 Jahren an, mit ihrer Situation zufrieden zu sein. Über alle Altersstufen hinweg ist der Großteil der Singles (60 Prozent) sogar mit dem Allein-Leben zufrieden. Die Zufriedenheit von Paaren allerdings beträgt dagegen stolze 84 Prozent.
Passive Suche nach einem Partner
Michael ist beruflich viel unterwegs, hat einen guten Job im Vertrieb. Sogar ein Haus hat er gebaut. Teilen kann er es aber zurzeit mit niemandem. „Ich glaube eigentlich nicht, dass ich schwer vermittelbar bin“, scherzt er. Aber trotzdem will er nicht aktiv nach einer Frau suchen. Weil es nicht einfach sei, jemanden zu finden.
Psychologin Lisa Fischbach kennt das Problem. „Auch aufgrund des Mangels an Gelegenheiten ist es oft schwierig, in den Dreißigern einen Partner zu finden.“ Man gehe weniger aus und man sei sowohl im Beruf als auch im Freundeskreis überwiegend von Paaren umgeben. Jeder zweite Single (altersübergreifend) gibt an, dass schlichtweg Gelegenheiten fehlen, neue Menschen und damit potenzielle Partner kennenzulernen.

Viele Frauen und Männer in den Dreißigern wünschen sich Familie und Kinder. © shutterstock
Michaels Lebensformel lautet: „Was sich ergibt, ergibt sich eben.“ Im Internet gebe es zu viele Fakes und Kostenfallen – „dem Braten traue ich nicht.“ Michael nennt aber auch ganz ehrlich noch einen anderen Grund für seine Passivität bei der Partnersuche: „Ich habe auch Angst davor, einen Korb zu bekommen.“ Denn man sehe ja schließlich nicht, ob die Frau schon in einer Beziehung oder noch solo sei.
Angst vor Enttäuschungen
„Single-Männer zwischen 30 und 39 Jahren sehen sich bei der Partnersuche mit großen Unsicherheiten konfrontiert“, erklärt Lisa Fischbach. „50 Prozent haben Angst davor, einen Korb zu bekommen“, sagt die Psychologin.
Unter 30 Jahren machten Single-Männer dagegen häufig ihre hohen Ansprüche und ihre Karriere für ihren Single-Status verantwortlich.
Die folgende Grafik gibt Aufschluss darüber, inwieweit Schüchternheit, Angst vor Enttäuschungen und die Sorge, nicht attraktiv zu sein, den Weg in eine Partnerschaft behindern können.
Die Angst vor Enttäuschungen und Verletzungen ist unter Singles weit verbreitet, führt die Hamburger Psychologin aus. Auch gebe es häufig noch sehr intensive schmerzhafte Erfahrungen mit Trennungen. „Das muss erst einmal verarbeitet werden.“ Die Daten der Studie legen nahe, dass sich die Verunsicherung mit zunehmendem Alter abschwächt.
Der Traum von Hochzeit, Familie und Haus
Yvonne (34/Name geändert) lebt allein mit ihrem fünf Monate alten Sohn in einer kleinen Wohnung in Haltern. „Es war immer mein Traum, zu heiraten, eine Familie und ein Haus zu haben“, erzählt sie. Auch mit dem Vater ihres Sohnes habe sie immer wieder versucht, zusammenzubleiben. „Aber das machte einfach keinen Sinn mehr.“
Als sie schwanger war, hätten natürlich auch die Eltern Druck gemacht, ihr und ihrem Freund immer wieder zugeredet, sich nicht zu trennen. „Sie haben sich eben Sorgen gemacht.“ Aber ihr Freund sei nicht verlässlich gewesen, habe zudem nicht mit Kritik umgehen können. „Dann blieb er einfach tagelang weg, das war total verantwortungslos.“ Drei Jahre waren sie ein Paar. „Es ist besser, wenn ich jetzt alleine weitermache“, sagt Yvonne.
Eltern mischen sich in Beziehungskrisen ihrer Kinder ein
Nach Auskunft der Hamburger Psychologin mischen sich viele Eltern in die Beziehungskrisen ihrer Kinder ein. Fischbach: „Zum einen wünschen sie sich Enkelkinder und zum anderen wollen sie natürlich nur das Beste für ihre Kinder. Sie wünschen sich, dass die Kinder gut versorgt sind.“
Yvonne kommt nach eigener Aussage zurzeit als Alleinerziehende gut zurecht. „Aber auf Dauer einen Partner finden, auf den man sich verlassen kann, der mich liebt, mir zuhört und mir auch Sicherheit gibt – das wäre schön.“
Der Mythos von der Beziehungsunfähigkeit
Aber was ist dran an der Aussage, Singles seien beziehungsunfähig und vernachlässigten die Partnerschaft lieber zugunsten häufig wechselnder Sexualbeziehungen? „Das ist nichts anderes als ein Mythos“, erklärt Lisa Fischbach. „Selbst Langzeitpaare haben oft mehr Sex als Singles.“
Zwar seien Single-Frauen in den Dreißigern selbstbewusst geworden und nähmen sich, was sie brauchen. Dennoch sagten 46 Prozent der 1150 befragten Frauen, in den letzten zwölf Monaten keinen Sex gehabt zu haben, bei den 1182 befragten Männern waren es 37 Prozent.
Grundsätzlich sei jegliche Art von Pathologisierung des Single-Daseins unakzeptabel. Von wegen „nicht normal“. Als Single zu leben, sage nichts über die Beziehungsfähigkeit aus, betont Fischbach.
Auch Sexualberater Meinhard Schreiber von der Beratungsstelle Pro Familia in Marl sagt ganz deutlich: „Freie Liebe ist in dieser Altersgruppe eben gerade nicht angesagt.“ Es gehe besonders um feste Beziehungen.
Vieles verschiebt sich nach hinten
Der Sozialpädagoge und systemische Therapeut des Psycholgischen Beratungszentrums (PBZ) in Haltern, Pascal Hartmann-Bolt, versucht Singles, die scheinbar an ihrer Situation verzweifeln, zu beruhigen. Die Lebensspanne der Menschen habe sich enorm verlängert, erklärt der 27-Jährige. Vieles verschiebe sich nach hinten – „auch Familie und Kinderkriegen“.

Pascal Hartmann-Bolt vom Psychologischen Beratungszentrum in Haltern: „Es gibt sehr viele Lebensmodelle.“ © Ingrid Wielens
Außerdem gebe es nicht mehr nur noch diesen einen, konservativen Weg. „Es gibt eine Vielfalt von Lebensmodellen“, sagt Hartmann-Bolt. Darüber müsse man sich im Klaren sein. „Und erstmal sehen, was man wirklich will.“ Vielleicht sei das ja etwas ganz anderes.
„Keine Angst - es kommen immer wieder tolle Sachen“
Singles gebe es in allen Altersstufen. Auch die damit mitunter verbundene Einsamkeit. „Der Wunsch nach einer Familie ist erstmal legitim“, betont der Sozialpädagoge. Aber man muss vor allem auch gut zu sich selbst sein. Denn Singles könnten durchaus „total glücklich“ sein. Beziehungsfähig bedeute dann, „dass man eine Beziehung führt, weil man es kann und nicht, weil man es braucht.“
Der Single-Status sei allerdings nicht immer gesellschaftlich anerkannt. Das erschwere es den Betroffenen geradezu, mit ihrer Situation zufrieden zu sein. „Singles sind egoistisch, könnte zum Beispiel ein Vorurteil lauten.“ Auch solche Bewertungen durch das Umfeld könnten Allein-Lebende bei der Gestaltung der eigenen Lebenssituation beeinflussen. Hartmann-Bolt will grundsätzlich Mut machen: „Man sollte nicht mit Angst ins Leben gehen, es kommen immer wieder tolle Sachen.“
Das sagt der Flirt-Coach Horst Wenzel, der in Köln die Flirt-Universität (flirtuniversitiy.de) betreibt:
„Zunächst einmal kann jeder etwas an seinem Äußeren optimieren.“ Das fange beim Haarschnitt an und höre bei chicen Schuhen auf, meint der 30-Jährige. Bei Interesse an einer Person solle man auf keinen Fall Verlegenheitsfragen wie „Darf ich mich dazu stellen?“ stellen. Wenzel: „Das ist nervig.“
Statt dessen die Intention nicht verbergen und mit einem Kompliment verbinden, dann zum small talk übergehen. „Zurückhaltung ist eben kein Erfolgsrezept“, sagt Wenzel. In seinem Beispiel geht er am Bahnhof auf ein Mädchen zu: „Ich habe dich gerade gesehen, wie du dein Fahrrad aufschließt. Ich finde dich total süß, das wollte ich dir sagen, bevor du wegfährst. Sollen wir ein Stückchen gemeinsam die Straße entlanggehen?“

Flirt-Coach Horst Wenzel © flirtuniversity
Man müsse nicht perfekt sein, betont der Flirt-Experte. „Aber diejenigen, die keine Angst vor einem Korb haben, kommen nunmal am besten an.“ Wobei Empathie, die Fähigkeit, auf die Antworten des Gegenübers einzugehen, besonders wichtig sei. Wenzel braucht keine besonderen Anlässe, um Leute kennenzulernen. „Das geht im ganz normalen Alltag - im Park, am Bahnsteig, auf dem Weihnachtsmarkt.“
Dabei könnte man beispielsweise folgende lustige Fragen stellen:
- Was war dein schönstes Urlaubserlebnis?
- Welches ist dein Lieblingslied und was bedeutet es dir?
- Mit welchen drei Worten würdest du dich beschreiben?
- Was war der peinlichste Moment in deinem Leben?
- Hilft Sex deiner Meinung nach gegen Kopfschmerzen?
- Was war dein schönstes Geburtstagsgeschenk?
- Bist du spirituell angehaucht?
- Erinnerst du dich noch an deinen ersten Kuss?
- Folgst du eher deinem Kopf oder deinem Gefühl?
- Wie war deine Fahrprüfung?
- Was tust du leidenschaftlich gerne?
- Was würde mich an dir überraschen?
- Welcher Film bringt dich zum Lachen, welcher zum Weinen?
- Der lustigste Witz, den du kennst?
- Gibt es Menschen, die dich nicht mögen und wenn ja, weshalb?
- Hast du einen Lieblingsplatz, an den du mich bringen würdest?
Therapeutin Lisa Fischbach gibt zudem Tipps, worauf man bei der Partnersuche achten sollte:
- Bestimmte Umgangsformen und Fähigkeiten lassen Männer und Frauen
attraktiver wirken: Gutes Benehmen, Gespräche über
die eigenen Emotionen überzeugen beide Geschlechter. - Männer punkten, wenn sie gut mit Tieren
umgehen, technisch und handwerklich begabt sind
und einen soliden Fahrstil vorweisen, Frauen begeistern
mit Einrichtungsgeschick. - Kochkünste überzeugen bei den Geschlechtern gleichermaßen
– gut jeder Zweite findet Engagement am Herd attraktiv - übrigens ganz unabhängig vom Alter. - Wichtig ist der Humor (beim Kennenlernen und in der Beziehung).
- Man muss sich gut unterhalten können. Der Partner ist meistens auch der beste Freund, der Ratgeber.
- Die Einstellungen zur Treue sollten nicht zu weit voneinander abweichen. „Darüber sollte man unbedingt reden und es nicht einfach voraussetzen“, sagt Fischbach. Später könne es sonst ein böses Erwachen geben.
- „Sich vom Gegenüber angezogen fühlen, ist natürlich auch wichtig. Es sollte Ihr Typ sein.“
Ihr Halterner Kollege Pascal Hartmann-Bolt rät zu Folgendem:
- Ehrlichkeit – „das ist eine Grundvoraussetzung“, betont er.
- Zudem müsse man sich auch verändern können, flexibel sein, auch miteinander, wenn es beispielsweise um Beruf, Wohnort, Glauben oder Prioritäten gehe. „Umstände verändern sich. Wenn man es selbst auch tut, bleibt man attraktiv.“
Geboren in Dülmen, Journalistin, seit 1992 im Medienhaus Lensing - von Münster (Münstersche Zeitung) über Dortmund (Mantelredaktion Ruhr Nachrichten) nach Haltern am See. Diplom-Pädagogin und überzeugte Münsterländerin. Begeistert sich für die Menschen und das Geschehen vor Ort.
