Ex-Offizier packt über Putins Sicherheitsvorkehrungen aus Kein Internet, identische Büros

Ex-Offizier packt über Putins Sicherheitsvorkehrungen aus: Kein Internet, identische Büros
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Er nutzt weder Internet noch Mobiltelefon, lebt in dauerhafter Selbstisolation, reist oft mit einem speziellen Zug und nutzt häufig Täuschungs­manöver, um fremde Geheimdienste in die Irre zu führen: Russlands Präsident Wladimir Putin. Glaubt man einem ehemaligen Offizier des russischen Schutzdienstes FSO, so lebt Putin in einer eigenen kleinen Welt.

Gleb Karakulow hat laut eigenen Angaben mehr als zehn Jahre lang als Kommunikations­ingenieur für den FSO gearbeitet, der vor allem für den Schutz des Kremlchefs und der russischen Regierung zuständig ist. Im vergangenen Oktober gelang ihm mit seiner Familie die Flucht auf einer Dienstreise nach Kasachstan. Seitdem lebt der 35-Jährige im Exil. Für den „Kriegsverbrecher“, wie er Putin bezeichnet, wolle er nie wieder arbeiten, sagte Karakulow gegenüber dem russischen Oppositions­medium „Dossier Center“.

Bereits zu Beginn der russischen Invasion in die Ukraine habe er gewusst, dass er das Land und den Dienst verlassen wolle. Viele seiner Kollegen hätten den Krieg gegen das Nachbarland unterstützt und endlose Diskussionen um die Kampfhandlungen geführt: „Ich kann nicht beschreiben, wie ekelhaft und unangenehm es war“, sagte er über diese Zeit. Aus dem sicheren Ausland vertraute er sich nun dem Team von „Dossier Center“ an, einem Medienprojekt des Putin-Kritikers und früheren russischen Oligarchen Michail Chodorkowski.

Putins Sicherheitsvorkehrungen

Als Ingenieur in der Direktion für die Kommunikation des Präsidenten habe er dafür gesorgt, dass Putin bei Dienstreisen abhörsichere Telefon­verbindungen hatte. So arbeitete er häufig in der Nähe des Kremlchefs, habe jedoch nie direkten Kontakt mit ihm gehabt. Dennoch habe ihm seine Arbeit vielerlei Einsichten in die Sicherheits­vorkehrungen für Putin erlaubt – mitsamt einiger kurioser Maßnahmen.

„Er nutzt kein Mobiltelefon“, verriet Karakulow dem russischen Portal. Zumindest habe er Putin nie eines nutzen sehen. Das Gleiche gelte für das Internet, das der Kremlchef offenbar genauso meidet. „Er erhält nur Informationen aus seinem engsten Umfeld, was bedeutet, dass er in einem Informations­vakuum lebt“, sagte Karakulow. Außerdem informiere er sich anhand von Geheimdienst­berichten – und mit dem russischen Fernsehen. Auf jeder seiner Auslandsreisen müsse sichergestellt werden, dass Putin russisches Fernsehen empfangen kann.

Der Kremlchef ist wohl bei bester Gesundheit – lebt aber in Selbstisolation

Außerdem lebe der Kremlchef trotz mittlerweile abklingender Corona-Pandemie und weit verbreiteter Impfungen gegen das Virus dauerhaft im Lockdown. „Wir haben immer noch einen sich selbst isolierenden Präsidenten“, erklärte Karakulow. Demnach müssten auch die engen Mitarbeiter vor jeder Veranstaltung, bei der sie mit dem Präsidenten in einem Raum sind, eine Quarantäne von zwei Wochen abhalten, selbst wenn das Treffen nur 15 Minuten dauere. Alle engen Mitarbeiter Putins müssten sich täglich mehreren PCR-Tests unterziehen.

„Er ist vermutlich einfach nur besorgt um seine Gesundheit“, sagte der ehemalige FSO-Mitarbeiter. Vermutungen, dass der Kremlchef an einer tödlichen Krankheit leide, könne er nicht bestätigen. Vielmehr sei der 70-jährige Putin wohl in besserer gesundheitlicher Verfassung als viele andere Menschen seines Alters in Russland. Jährlich unterziehe er sich medizinischen Untersuchungen. In seiner gesamten Zeit im FSO habe Putin nur zweimal Dienstreisen wegen einer Erkrankung absagen müssen.

„Putins Palast“ am Schwarzen Meer

Andere Berichte konnte Karakulow hingegen bestätigen: vor allem solche über die pompösen Besitztümer des russischen Präsidenten. Demnach seien die Nachforschungen des Teams um den Oppositionellen Alexej Nawalny über eine geheime Residenz des Kremlchefs am Schwarzen Meer, die als „Putins Palast“ Bekanntheit erlangt hat, richtig. Einer seiner Kollegen habe dort regelmäßig die Kommunikations­linien überprüft, berichtete er. Ebenso sei er sich sicher, dass die Luxusjacht „Scheherazade“ tatsächlich dem Präsidenten gehöre.

Daneben haben Karakulow und seine Kollegen oft mit anderen Verkehrs­mitteln gearbeitet: vor allem Flugzeugen, Helikoptern – und einem „speziellen Zug“. Dieser sei für den Präsidenten gebaut worden, unterscheide sich äußerlich jedoch nicht von den normalen russischen Zügen, die grau lackiert und mit einem roten Streifen versehen sind. Putin nutze diesen, weil er nicht so leicht nachzuverfolgen sei wie etwa Flugzeuge. Der Zug stehe dem Kremlchef bereits seit 2014 oder 2015 zur Verfügung, doch er nutze ihn verstärkt seit dem Spätsommer 2021, erklärte Karakulow.

Die Täuschungsmanöver des russischen Präsidenten

Eine weitere Besonderheit im Leben des Präsidenten sei, dass er an vielen Orten in Russland Büros habe, die absolut identisch seien. „Seine Büros, ob in St. Petersburg, Sotschi oder Nowo-Ogarjowo, sind alle gleich, das heißt, dort ist alles identisch“, erzählte der Kommunikations­ingenieur dem russischen Investigativ­portal. Einmal habe er sicher gewusst, dass sich Putin in Sotschi aufhalte, doch im Fernsehen sei gesagt worden, dass sich der Präsident in seinem Amtssitz in Nowo-Ogarjowo befinde. Eine Lüge, wie er auf Nachfrage bei einem Kollegen in Sotschi erfahren habe.

Putin nutze dieses Mittel offenbar, um seinen genauen Standort zu verschleiern. Dazu müssten manchmal sogar ganze Autokolonnen etwa von seiner Residenz in Sotschi zu einem leeren Flugzeug fahren, um den Anschein zu erwecken, der Kremlchef begebe sich auf Reisen. All das geschehe nur, um fremde Geheimdienste zu verwirren und Attentate auf das Leben Putins zu verhindern, erklärte Karakulow.

Putins Paranoia habe mit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine nochmals zugenommen. Zu Beginn seiner Amtszeit habe er den Präsidenten als „energetisch und aktiv“ wahrgenommen, beschrieb der ehemalige FSO-Offizier. „Jetzt hat er sich mit allen möglichen Barrieren, der Quarantäne, dem Informations­vakuum von der Welt abgeschottet. Sein Blick auf die Realität ist verzerrt“, meinte Karakulow. „Ein vernünftiger Mensch des 21. Jahrhunderts, der objektiv alles betrachtet, was in der Welt geschieht, und der die Entwicklung zumindest mittelfristig vorhersehen kann, hätte diesen Krieg nicht zugelassen.“

RND

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