Wie kann man ein historisches Stück in die Gegenwart holen? Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten. Im Theater Hagen versucht Holger Potocki das in seiner Offenbach-Inszenierung „Ritter Blaubart“ (Premiere: Samstag) mit Witz und Humor, unter anderem über allerlei Popkultur-Referenzen der vergangenen 50 Jahre.
Der Regisseur Potocki steckt die Handlung der Operette in ein buntes Mafia-Milieu. Santiago Bürgi als Ritter oder eher Mafioso Blaubart ist Restaurant-Besitzer des „Barbe Bleue“, sein König Bobèche (Richard van Gemert) ein exzentrischer Politiker, der sein Anwesen und seine Familie für Propaganda-TV nutzt. Beide Sänger füllen ihre Rollen mit Energie und Exzentrik. Sie sind die trotteligen Bösewichte, über deren Machtgehabe man nur lachen kann.

Ihr Gegenstück stellen Blaubarts Frau Boulotte (Angela Davis) und sein Gehilfe Popolani (Hagen Goar-Bornmann) dar. Beide nicht wirklich weniger moralisch fragwürdig, setzen sie sich doch für die Selbstbestimmung von Blaubarts Ex-Frauen ein.
Die hatte Popolani zunächst vor dem Tod gerettet und dann in Tiefkühlschränken in Blaubarts Haus untergebracht. Unter Boulottes Anleitung gehen die Ex-Frauen auf Rachefeldzug.
Popkulturelle Zwischenwelt
Lena Brexendorff (Bühne und Kostüme) schafft dafür eine Zwischenwelt der Popkultur. Der Opernchor erscheint in gemusterten Anzügen und 60er-Jahre-Kleidung. Das bejubelte Ballett Hagen tanzt zeitweise in roten Baywatch-Outfits.
Auch auf textlicher Ebene knallen Pointen aus allen Richtungen. Von Anspielungen auf Harry Potter bis zur Heiratsvermittlerin Tinda ist alles dabei. Das sorgt für viele Lacher, nimmt aber auch Tiefgang.
Sitcom-Attitüde
Dieser Humor weitet sich sogar auf die Musik aus. Unter der Leitung von Rodrigo Tomillo nimmt das Philharmonische Orchester Hagen an der Handlung teil. Und spielt dabei nicht nur Offenbach.
Wenn Blaubart sich mehrmals zu einem Filmmusikfetzen aus Nino Rotas „Der Pate“ ausdruckslos zum Publikum dreht, erinnert das an Disney-Sitcoms aus den frühen 2000ern. Da sprudeln frühe Meme-Kultur und flacher Witz. Aber egal, ob der Humor passt oder nicht, „Blaubart“ ist damit irgendwie im heute angekommen.
Weitere Aufführungen
Termine: 9. / 17. / 20. 11., 31. 12., 2025: 10. / 22. 1., 27. 2.; Karten: Tel. (02331) 20 73 218. www.theater-hagen.de
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