Meldungen von einem Stellenabbau sorgten am Freitagmorgen für Missverständnisse. Zunächst berichteten Nachrichtenagenturen und überregionale Medien bundesweit, dass 7000 Stellen wegfallen sollen. Bisher war nur von 2000 Stellen weltweit die Rede. Auch auf dieser Webseite meldeten wir zunächst einen Stellenabbau.
Ali Simsir, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender des Gemeinschaftsbetriebs, stellt jedoch klar, dass es um einen Umbau geht: „Es ist ein großer Transformationsprozess. 7000 Mitarbeiter sind betroffen. Aber 5000 Stellen werden umstrukturiert. Da wird nichts gestrichen, die Arbeitsplätze bleiben. Wir haben keine Anrufe und hysterischen Reaktionen, weil unsere Kolleginnen und Kollegen wissen, dass es Umstrukturierungsmaßnahmen sind.“
6000 Beschäftigte im Marler Chemiepark
Bei dem im März angekündigten Abbau von 2000 Stellen bleibt es allerdings. Betriebsbedingte Kündigungen sollen bis 2032 ausgeschlossen sein.
Aktuell beschäftigt Evonik 32.000 Mitarbeiter weltweit. Im Chemiepark Marl arbeiten nach Angaben des Gemeinschaftsbetriebsrats rund 6000 Beschäftigte von Evonik. Vom Umbau besonders betroffen ist die Infrastruktur mit rund 3000 Beschäftigten in Marl. Sie stammen aus der Logistik, Werkfeuerwehr, den Werkstätten, dem Werkschutz, Gebäudemanagement und technischen Service. Evonik will diese Infrastruktur-Bereiche verkaufen, mit einem Partner als Gemeinschaftsfirma betreiben - oder behalten. Etwa ein Drittel der Mitarbeiter, die Evonik im Chemiepark Marl beschäftigt, wechseln in die neue Infrastruktur GmbH.
Partner für C4-Chemie gesucht
Tiefgreifende Veränderungen gibt es auch bei den C4-Chemikalien - Grundlage vieler Alltagsprodukte vom Autoreifen bis zur Sportgetränkeflasche. Wie berichtet, will Evonik die C4-Chemie verkaufen. Seit zwei Jahren sucht der Konzern einen Investor, der das Geschäft zunächst mit Evonik und später eigenständig im Chemiepark Marl führt. Offenbar ist er noch nicht gefunden. Die Evonik-Tochter Oxeno soll nach der Umgestaltung unter dem Dach der C4-Chemie arbeiten, die dann am Standort Marl knapp 900 Beschäftigte haben wird.
Künftig soll der Evonik-Konzern auf zwei Säulen stehen: „Custom Solutions“, also maßgeschneiderte Lösungen für Kunden, und „Advanced Technologies“ (hochentwickelte Technologien). Beide kommen auf einen Jahresumsatz von jeweils rund sechs Milliarden Euro.

Thomas Wessel verlängert Vertrag
Gespart wird auch an der Spitze: In Zukunft wird es nur noch ein fünfköpfiges Vorstandsteam geben, mit Christian Kullmann, Personalvorstand Thomas Wessel, Finanzvorständin Maike Schuh und zwei erfahrenen Evonik-Managerinnen, die in den Vorstand aufrücken: die US-Amerikanerin Lauren Kjeldsen und die Französin Claudine Mollenkopf. Drei Führungskräfte gehen in den Ruhestand, eine komplette Führungsebene (Divisionsleitung) wird gestrichen.
Arbeitsdirektor Thomas Wessel wird verantwortlich für die Infrastruktur-Sparte. Sein Vertrag wurde bis Sommer 2028 verlängert. Er soll die „technologische Nachhaltigkeitstransformation“ konsequent und „sozial integer“ umsetzen.
Grüner Wasserstoff bleibt Thema
Offen ist, inwieweit das Unternehmen im Chemiepark Marl künftig auf grünen Wasserstoff setzen wird. Es will dort mit dem Get-H2-Projekt ein Produktions- und Pipeline-Netz für grünen Wasserstoff aufbauen. Das ist beschlossen. Doch hinter dem Bau eines Hochofens in Duisburg, der mit grünem Wasserstoff statt mit Koks befeuert werden soll, steht seit der Krise von Thyssen Krupp ein großes Fragezeichen. Evonik-Sprecher Richard Weiss betont: „Grüner Wasserstoff ist weiter Thema für uns.“
Hintergrund des Konzernumbaus ist die durch Produktionseinbrüche geprägte tiefe Krise der deutschen Chemieindustrie. 2023 musste Evonik einen Umsatzrückgang um 17 Prozent auf knapp 15,3 Milliarden Euro hinnehmen.