Die Frau war völlig ahnungslos. Als es an der Wohnungstür klingelte, dachte sie, dass sich ihr neuer Nachbar vorstellen wollte. Sie öffnete – dann ging alles ganz schnell. Ein Mann drängte sich in ihre Wohnung, zerschnitt ihr mit einem Teppichmesser sofort das Gesicht. Jetzt steht der 47-Jährige vor Gericht – und ist selbst fassungslos.
„Ich war danach völlig erschrocken“, sagte der Angeklagte den Richtern. „Gewalt ist überhaupt nicht mein Fall.“ Er wisse nicht mal mehr, warum er das Messer überhaupt dabeigehabt habe. „Ich habe keine Erklärung dafür, warum es zu der Tat gekommen ist.“
Geld und EC-Karte geraubt
Es war der 5. September letzten Jahres. Der aus Marokko stammende Angeklagte war frustriert. Frau und Kinder wollten nichts mehr von ihm wissen, auch ein Freund, bei dem er vorübergehend untergekommen war, hatte ihn vor die Tür gesetzt. Geld hatte der Angeklagte nicht. Eine Aufenthaltsgenehmigung auch nicht.
In dieser Situation hatte er im Haus seines Freundes schließlich an der Tür einer Nachbarin geklingelt. Bekannt war ihm die 51-Jährige nicht. Als sie öffnete nahm das Drama seinen Lauf. Er forderte Geld, durchsuchte die Wohnung, floh schließlich mit rund hundert Euro aus einer Geldkassette sowie der EC-Karte samt PIN des Opfers. Damit hat er später 800 Euro von einem Geldautomaten abgehoben.
Narbe nicht zu übersehen
Die 51-Jährige hatte Todesangst. Der Schnitt mit dem Teppichmesser hat sich komplett über ihre Wange gezogen. Die Narbe in ihrem Gesicht ist bis heute zu sehen. „Das Blut floss nur so an mir herunter“, sagte sie den Richtern. Die Frau wurde mit einem Verlängerungskabel gefesselt, dann legte ihr der Angeklagte auch noch ein Handtuch über den Kopf. So dass sie nichts mehr sehen konnte.
„Ich habe nur noch gedacht: Tue alles, was er will“, so die 51-Jährige bei ihrer Zeugenvernehmung. „Und sieh zu, dass er aus der Wohnung rausgeht. Damit das nicht noch weiter eskaliert.“ Genau das war ihr schließlich auch gelungen.
In Frankfurt untergetaucht
Der Angeklagte hatte sich nach der Tat zwei Tage lang in Essen versteckt und auf der Straße geschlafen. Dann war er nach Frankfurt geflüchtet und in einem Hostel untergekommen. Die Festnahme erfolgte ein paar Wochen später – bei einer Routinekontrolle der Polizei in einer Spielhalle. Dort hatte sich der Angeklagte nach eigenen Angaben nur kurz unterstellen wollen, weil er vom Regen überrascht worden war.
Für die Tat gebe es keine Entschuldigung, so der 47-Jährige im Prozess. Niemand außer ihm selbst sei für sein Schicksal verantwortlich. „Die Frau schon mal gar nicht.“ Im Falle einer Verurteilung droht lange Haft. Die Anklage lautet auf Raub, Freiheitsberaubung und gefährliche Körperverletzung.
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