Für die beiden Brüder war es offenbar eine Frage der Ehre. Vor rund sieben Monaten sind sie über den heimlichen Freund ihrer 18-jährigen Schwester hergefallen. Einer stach dabei mit einem Messer zu. Seit Dienstag stehen die 25 und 26 Jahre alten Syrer vor Gericht. Die Anklage lautet auf Mordversuch.
Es war der 5. August vergangenen Jahres, als sie den 20-Jährigen am Essener Hauptbahnhof ohne Vorwarnung angegriffen haben sollen. „Er hat mich ständig angegrinst“, sagte einer der beiden zum Prozessauftakt am Essener Schwurgericht. Da habe er rotgesehen. „Ich kann nicht sagen, wie oft ich zugeschlagen habe.“

Sein Bruder hat die Messerattacke ebenfalls schon zugegeben. Er spricht allerdings von einer Art Nothilfe. Er habe Angst um seinen Bruder gehabt, weil der 20-Jährige plötzlich einen Stein in der Hand gehalten habe. „Ich geriet in Panik und habe ihn – ohne weiter darüber nachzudenken – mit dem Messer verletzt“, so seine Worte, die im Prozess von seiner Verteidigerin vorgetragen worden sind.
Der heimliche Freund ihrer Schwester soll sich nach Kräften gewehrt haben, war aber offenbar ohne Chance. Der Stich traf ihn von hinten in den Rücken, direkt unter dem Schulterblatt. Die Lunge wurde verletzt. Es bestand Lebensgefahr. Das Leben des 20-Jährigen konnte nur durch eine sofortige Operation gerettet werden.
In der U-Bahn gefolgt
Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Mordpläne schon Tage vor dem Angriff geschmiedet worden sind. Der jüngere der beiden Brüder will über seine Freundin von der heimlichen Beziehung seiner „kleinen Schwester“ erfahren haben. Er war der Meinung, dass sie „entehrt“ worden ist, heißt es in der Anklage.
Am Tattag sollen die Angeklagten dem 20-Jährigen in einem Essener Einkaufszentrum aufgelauert haben. Laut Anklage folgten sie ihm mit der U-Bahn bis zum Hauptbahnhof. Dann ging alles ganz schnell. „Er hat meine Schwester beleidigt“, so der 25-Jährige im Prozess. Sein Bruder will sich dagegen zunächst zurückgehalten haben. „Ich wollte nur schlichten.“ Das sieht die Staatsanwaltschaft allerdings anders.
Passanten griffen ein
Laut Anklage hat der 26-Jährige sogar versucht, noch ein zweites Mal auf das bereits am Boden liegende Opfer einzustechen. Davon soll er allerdings von den völlig entsetzten Passanten abgehalten worden sein, die alles mitangesehen haben.
Sollten die Brüder wegen Mordversuchs verurteilt werden, drohen ihnen lange Haftstrafen. Das wird nicht leicht. Schon die Untersuchungshaft scheint sie schwer mitgenommen zu haben. Als der 25-Jährige von den Wachtmeistern in den Gerichtssaal geführt wurde, wischte er sich die Tränen aus dem Gesicht. Sein Bruder hatte am Tattag gerade erst einen neuen Arbeitsvertrag unterschrieben.