Hausärzte und Apotheker berichten derzeit von Problemen mit dem E-Rezept. Wie sind Ihre Erfahrungen?
Dr. Huth: Zunächst einmal muss man von der Akzeptanz bei den Patienten ausgehen. Ich frage die Patienten, ob wir das Rezept als E-Rezept ausstellen sollen oder aber ausdrucken sollen. Die Älteren wollen ganz gerne das Rezept in der Hand haben und die Jüngeren wollen es auf ihre Karte übertragen haben. Technische Probleme hatten wir am Anfang. Inzwischen hat sich das gut entwickelt.
Wie funktioniert das E-Rezept konkret, wenn es denn klappt?
Dr. Huth: Wir geben das Rezept in unser System ein, übertragen das auf die elektronische Gesundheitskarte, damit gehen die Patienten dann zur Apotheke und bekommen das Rezept ausgehändigt.
Und dann?
Dr. Huth: Ein Problem ist, wenn das Medikament nicht vorrätig ist. Dann gibt es teilweise Probleme, dass das Rezept storniert werden muss, dass es wieder zurückgegeben werden muss, dass es wieder neu ausgehändigt oder neu eingestellt werden muss. Das ist unangenehm, wie ich von Apothekerinnen und Apothekern gehört habe. Auch sind Korrekturen aufwändiger, wenn die Menge nicht entsprechend da ist. Aber wenn es klappt, ist das E-Rezept eine Arbeitserleichterung.

Der Hausärzteverband Westfalen-Lippe hat diese Woche auf technische Störungen aufmerksam gemacht, die den Praxen Probleme bereiten bei der Ausstellung von E-Rezepten und beim Einlesen der elektronischen Gesundheitskarte. Haben Sie solche Erfahrungen auch gemacht?
Dr. Huth: Über diese Problematik, die den Betrieb aufhält, habe ich mich natürlich auch geärgert. Das war aber bei uns in der Anfangsphase, Anfang bis Mitte Januar. Teilweise funktionierte das System nicht mehr. Wir mussten den PC runterfahren, dann wieder hoch. Das waren Zeitverzögerungen von einer Viertelstunde. Unser Softwareunternehmen hat nachinstalliert und wir haben eigentlich jetzt keine weiteren Probleme. Aber je nach Software kann das Verfahren zum Ausstellen des E-Rezepts tatsächlich problematisch sein. Ich weiß von unserem Medizinischen Versorgungszentrum in Bergkamen, dass es in einer Praxis wunderbar klappt und in einer anderen haben wir noch Probleme.
Lars Rettstadt, der Vorsitzende der Hausärzte in Westfalen-Lippe, fordert, es brauche schnellstmöglich einen reibungslosen und zuverlässigen und dauerhaft sicheren Betrieb der Telematik-Infrastruktur und der zugehörigen Dienste. Es sei den Praxen nicht zumutbar, so weiterzuarbeiten. Würden Sie das unterstreichen?
Dr. Huth: Das E-Rezept ist bei konsequenter Umsetzung schon eine Arbeitserleichterung unter der Voraussetzung, dass die technischen Bedingungen stimmen und dass ich nicht diese Ausfallsituation habe wie Anfang Januar. Wenn ich im Laufe des Tages 80 bis 100 Rezepte ausstelle und wenn ich nach jedem 10., 12. oder 15. Rezept Probleme mit der Übertragung habe, ist das ärgerlich. Wenn das noch in anderen Praxen so ist, kann ich das durchaus verstehen.
Was tun die Praxen bei solchen Problemen?
Dr. Huth: Ich habe dann gesagt, wir drucken das Rezept ganz normal aus, bis die Softwarefirma das so eingestellt hat, dass wir reibungslos arbeiten können, was auch zurzeit der Fall ist. Aber jede Praxis hat ihr eigenes Softwareunternehmen, und je nachdem, wie gut diese arbeiten, kann ich mir schon vorstellen, dass es Probleme gibt, die zu Zeitverzögerungen führen. Und dass man natürlich genervt ist, wenn in der Praxis zehn Leute stehen und warten müssen.

Das Aktionsbündnis Patientenversorgung, in dem Ärzte, Apotheker und Fachberufe vereint sind, hat diese Woche sogar ein Machtwort von Bundeskanzler Scholz gefordert, weil die Probleme dem vorwiegend bundeseigenen Dienstleister Gematik angelastet werden. Scholz soll das E-Rezept stoppen, bis es unterbrechungsfrei funktioniere. Sollte es eine Rückkehr zum Papierrezept geben?
Dr. Huth: Ich verstehe, dass es unheimlich ärgerlich ist, wenn es Probleme und Zeitverzögerungen gibt und viele Praxen und Apotheken betroffen sind. Die sind teilweise froh, wenn man hier noch ein Papierrezept ausgedruckt hat. Ich habe auch ältere Patienten, die sagen: Nee, ich will lieber ein Papierrezept haben.
Was auch ein Problem ist: Privatrezepte können wir nicht als E-Rezept ausdrucken. Die Patientenversorgung in den Pflegeheimen, die stationären Pflegeheimpatienten, das geht auch nicht als E-Rezept, sodass man da auch noch wieder differenzieren muss. Das grüne Rezept geht auch nicht als E-Rezept. Das ist teilweise problematisch und noch nicht ganz ausgereift.
Die Probleme werden der Gematik angelastet. Fühlen Sie sich eigentlich ausreichend informiert und unterstützt bei diesen ganzen Problemen?
Dr. Huth: Man ist angewiesen auf die Softwareunternehmen, die einen betreuen. Zur Gematik kann ich nur sagen: äußerst problematisch. Vor allen Dingen, wenn man mal überlegt, dass die Bemühungen, ein E-Rezept ausstellen zu können, schon seit über 15 Jahren laufen. Wie viele Milliarden da in den Sand gesetzt worden sind! Da ist man schon verärgert, weil es noch nicht hundertprozentig funktioniert. Da ist die Gematik verantwortlich und muss in die Pflicht genommen werden, damit der reibungslose Ablauf sichergestellt ist.
Wie geht es mit der digitalen Gesundheitsversorgung nun weiter?
Dr. Huth: Wie heißt es so schön: Learning by doing. Es muss auf jeden Fall noch Verbesserungen geben. Wenn es dann läuft, ist es mit Sicherheit ein Gewinn. Probleme müssen gelöst werden. Natürlich auch, um die Akzeptanz der Patienten zu gewinnen. Viele sagen, sie kennen sich mit dem E-Rezept nicht aus. Da muss man sich als Arzt dann die Zeit nehmen und erklären, wie es gemacht wird. Zeit, die wir eigentlich nicht haben.
Zur Person
Dr. Thomas Huth, 75, ist Hausarzt in Fröndenberg und Geschäftsführer des Gesundheitsnetzes Unna mit rund 70 niedergelassenen Haus- und Fachärzten, Apothekern, Zahnärzten und dem Christlichen Klinikum Unna.