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Erste private Mission zur ISS: Wie Axiom Space den Weltraum erobern will
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Erstmals ist eine private Crew aus Astronauten und Unternehmern zur Internationalen Raumstation gestartet. Wer sind diese Leute? Was hat die private Raumfahrtunternehmen noch vor?
Die erste private Mission zur Internationalen Raumstation ISS ist gestartet. Die vier Teilnehmer der „Ax-1″-Mission hoben am Freitag mithilfe einer „Falcon 9″-Rakete in einer „Crew Dragon“-Raumkapsel vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral im US-Bundesstaat Florida ab, wie Live-Bilder zeigten. Die vier Axiom-Flieger sollen rund eine Woche lang auf der ISS bleiben und dort wissenschaftliche Experimente durchführen.
Die Erforschung und Arbeit im All ist ohne private Raumfahrtunternehmen undenkbar geworden: SpaceX, die Firma von Tesla-Chef Elon Musk, hat sich zum wichtigsten Versorger der Internationalen Raumstation ISS entwickelt; Blue Origin von Amazon-Gründer Jeff Bezos hat erfolgreich erste suborbitale Raumflüge absolviert und arbeitet gerade an einer Mondlandefähre; während Milliardär Richard Branson plant, mit seiner Firma Virgin Galactic künftig Weltraumtouristinnen und Weltraumtouristen in den Orbit zu bringen.
Das nächste Kapitel der privaten Raumfahrt will nun Axiom Space schreiben: Am Freitag, dem 8. April, hat das US-amerikanische Unternehmen die erste rein private Crew in Richtung Internationale Raumstation ISS geflogen. An der Mission mit dem Namen „Axiom Mission 1″, kurz „Ax-1″, werden also keine von staatlichen Weltraumbehörden ausgewählten und trainierten Astronautinnen und Astronauten teilnehmen, sondern Privatpersonen. Der Platz in der Raumfahrtkapsel kostete Medienberichten zufolge jeweils rund 55 Millionen US-Dollar (etwa 50 Millionen Euro).
Today’s historic mission begins a new chapter towards the next-gen platform for breakthrough innovation & a full realization of our vision of a thriving home in space for every human, everywhere. https://t.co/zzW9lgcB6y
— Axiom Space (@Axiom_Space) April 8, 2022
Wer sind die privaten Raumfahrer?
An Bord der Falcon-9-Rakete, die von SpaceX bereitgestellt wird und am Freitag um 17.17 Uhr europäischer Zeit vom Startkomplex 39A des Kennedy Space Centers der US-Weltraumbehörde Nasa in Florida abhob, sind:
Michael López-Alegría, Vizepräsident von Axiom Space und ehemaliger Nasa-Astronaut. Der 63-Jährige wird die Ax-1-Mission als Kommandant leiten. Er verfügt über mehr als 40 Jahre Erfahrung in der Luft- und Raumfahrt bei der US Navy und der Nasa, war bereits viermal im Weltraum und 2006 zuletzt auf der ISS. Der kommende Raumflug hat für ihn eine besondere Bedeutung: „Es fühlt sich an, als wären wir Fahnenträger“, sagte er kürzlich in einer Pressekonferenz. „Ich dachte, dass Nasa-Training würde für mich sicher Routine werden, aber so viel auf der ISS hat sich verändert und den Rest hatte ich vergessen, also musste ich quasi wieder ganz von vorne anfangen.“

Michael López-Alegría ist Chef-Astronaut bei Axiom Space und Kommandant der «Ax-1»-Mission. © picture alliance/dpa/Axiom Space
Larry Connor, Unternehmer und Investor. Er ist Gründer der US-amerikanischen Immobilien-Investmentfirma „The Connor Group“, besitzt zwei Technologieunternehmen und hat als Pilot bereits an mehreren Kunstflugwettbewerben teilgenommen. Der 72-Jährige hat sich ein besonderes Ziel gesetzt: Er will der erste Mensch sein, der innerhalb eines Jahres die tiefsten Tiefen des Ozeans und des Weltraums erreicht. Im vergangenen Jahr hat er bereits Tauchgänge zum Mariannengraben absolviert, jetzt fehlt nur noch der Flug ins All.

Larry Connor ist Pilot der «Ax-1»-Mission. © picture alliance/dpa/Axiom Space
Eytan Stibbe, israelischer Impact Investor und Philanthrop. Der 64-Jährige ist ehemaliger Kampfpilot der israelischen Luftwaffe (IAF) und wurde mit der Distinguished Aviator Medal ausgezeichnet. Nach Angaben der „Jerusalem Post“ ist er ein enger Freund des ersten israelischen Astronauten, Ilan Ramon, der 2003 an Bord der Raumfähre Columbia verstarb, als diese beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre auseinanderbrach. Die Ax-1-Mission ist Stibbes erster Flug ins Weltall.

Eytan Stibbe ist Crew-Mitglied der «Ax-1»-Mission. © picture alliance/dpa/Axiom Space
Mark Pathy, kanadischer Unternehmer, Investor und Philanthrop. Er ist CEO und Vorsitzender der Mavrik Corporation, einer privaten Investitions- und Finanzierungsgesellschaft mit Sitz in Montreal. Der 52-Jährige ist seit 2017 auch Vorstandsvorsitzender des Musik-, Medien- und Technologieunternehmens Stingray Group Inc. Er wäre der zwölfte Kanadier, der in den Weltraum fliegt.

Mark Pathy ist Crew-Mitglied der «Ax-1»-Mission. © picture alliance/dpa/Axiom Space
López-Alegría: „Wir sind keine Weltraumtouristen“
Geplant ist, dass die vier Männer zehn Tage im Orbit verbringen, acht davon auf der ISS. Dort werden sie auf drei russische Kosmonauten, zwei amerikanische Astronauten und eine Astronautin, sowie auf den deutschen Esa-Raumfahrer Matthias Maurer treffen. Zur Vorbereitung auf ihre Mission haben Connor, Pathy, López-Alegría und Stibbe Hunderte Trainingsstunden in Bereichen wie Sicherheit, Gesundheit, ISS-Systeme, Startplatzbetrieb und Notfallprotokolle absolviert.
Doch wozu das Ganze? Warum wollen die Vier überhaupt zur Raumstation fliegen? Wollen sie sich einfach nur mit viel Geld den Traum erfüllen, einmal von oben auf die Erde zu schauen? In den vergangenen Jahren ist die ISS schon mehrfach das Ziel von schaulustigen Weltraumtouristinnen und Weltraumtouristen gewesen.
Nein, darum geht es der Crew der Ax-1-Mission nicht. „Wir sind keine Weltraumtouristen“, stellte Kommandant López-Alegría kürzlich klar. „Ich denke, der Weltraumtourismus hat eine wichtige Rolle, aber darum geht es hier nicht. Das ist definitiv kein Urlaub für meine Crew-Mitglieder.“
Zahlreiche Experimente auf der ISS geplant
Tatsächlich verfolgt die vierköpfige Besatzung ehrgeizige Pläne: Mehr als 25 Forschungsexperimente will sie auf der ISS durchführen. Besonders Eytan Stibbe hat sich der Forschung verschrieben. Zusammen mit der Ramon-Stiftung, der israelischen Raumfahrtagentur, dem israelischen Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Technologie und dem Bildungsministerium hat er wissenschaftliche Experimente vorbereitet, die er in der Schwerelosigkeit durchführen will. Der Aufenthalt auf der ISS soll zudem pädagogische Forschung und künstlerische Aktivitäten ermöglichen, teilt Axiom Space mit.
„Sie werden sich nicht die Nasen an der Fensterscheibe der ISS plattdrücken, sondern sie wollen dort bedeutsame Forschung betreiben und etwas bewirken, jeder auf seine Weise“, sagte Michael Suffredini, Präsident und CEO von Axiom Space, vor Kurzem. „Dies ist eine bedeutende Mission. Nicht nur für die Crew, sondern für uns alle. Denn das, was die vier Männer tun, bringt die Menschheit und das menschliche Wissen wirklich voran – und das ist es, wofür unser Unternehmen gegründet wurde.“
Axiom will ISS durch kommerzielle Raumstation ersetzen
Die 2016 vom früheren Nasa-Manager Suffredini und dem iranisch-amerikanischen Unternehmer Kam Ghaffarian gegründete Firma Axiom Space mit Sitz in Houston (Texas) hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Weltraum für die Menschheit zu erschließen. Die Ax-1-Mission ist dafür nur der erste Schritt. Sie ebnet den Weg zur eigenen, kommerziellen Raumstation, wie sie Axiom Space in Betrieb nehmen will – als Ersatz für die ISS.
Die Zukunft der ISS steht schon seit längerer Zeit auf wackeligen Beinen: Ursprünglich sollte 2020 das Ende der Raumstation eingeleitet werden; dann wurde der Vertrag über die internationale Zusammenarbeit doch bis 2024 verlängert. Während die Nasa und die Europäische Weltraumorganisation Esa den bekanntesten Außenposten der Menschheit noch bis 2031 aufrechterhalten wollen, ist noch unklar, wie sich die russische Raumfahrtbehörde Roskosmos entscheiden wird. Bislang stand die Behörde einem Weiterbetrieb eher kritisch gegenüber.
Bis 2028 soll die Raumstation von Axiom Space fertig sein
Zukünftig will die Nasa nicht mehr selbst eine Raumstation im Orbit betreiben, sondern auf kommerzielle Angebote zurückgreifen. Hier kommt Axiom Space ins Spiel: Das Unternehmen hatte 2020 von der US-amerikanischen Weltraumbehörde den Auftrag erhalten, ein kommerzielles Modul an die ISS anzubringen. Dieses Vorhaben soll 2024 in die Tat umgesetzt werden. Das Modul soll Platz für vier Astronautinnen und Astronauten bieten.
Bei einer Einheit will es Axiom Space aber nicht belassen: 2025 will das Unternehmen ein weiteres Modul mit Platz für vier Raumfahrerinnen und Raumfahrer in den Orbit bringen; 2026 ist geplant, ein Multi-Purpose Logistics Modul, das bislang dafür genutzt wurde, Frachten bei Space-Shuttle-Missionen zu und von der ISS zu bringen, als eine Art Großraumlabor anzuschließen; und 2027 soll der „Axiom Power Tower“ mit einer Photovoltaikanlage hinzukommen. So soll bis 2028 eine eigene autarke Raumstation namens „Axiom Station“ entstehen, die schließlich von der ISS abgekoppelt wird.
Die Ax-1-Mission sei eine „Vorläufermission“ für den Bau der nächsten Generation des Außenpostens der Menschheit im Weltraum, sagte Suffredini. „Das ist jetzt die allererste von wahrscheinlich Hunderten Missionen innerhalb des nächsten Jahrzehnts. Das ist ein enormer Schritt nach vorn.“
Mit Material von dpa
Der Artikel "Erste private Mission zur ISS: Wie Axiom Space den Weltraum erobern will" stammt von unserem Partner, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland.